Trump gegen Harvard: Wie der Kulturkampf Amerikas Universitäten trifftTrump gegen Harvard: Wie der Kulturkampf Amerikas Universitäten trifft
Die US-Regierung greift durch – und Harvard steht im Fadenkreuz. Was als Debatte über Antisemitismus begann, ist längst ein umfassender Schlag gegen die akademische Freiheit.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat ein Verfahren gegen Harvard University eingeleitet, das tiefe Spuren hinterlassen könnte – nicht nur für die traditionsreiche Eliteuniversität selbst, sondern für das gesamte US-Bildungssystem. In einem Brief an Universitätspräsident Alan Garber fordert das Bildungsministerium detaillierte Informationen zu sämtlichen ausländischen Finanzflüssen seit über einem Jahrzehnt – insbesondere zu Verträgen, Förderungen und Kontakten, die über 250.000 US-Dollar im Jahr hinausgehen. Begründung: Die Universität habe ihre Verpflichtungen in der Vergangenheit „unvollständig und ungenau“ erfüllt.
Es ist der jüngste Schritt in einem offenen Kulturkampf, den Trump gegen das amerikanische Bildungssystem führt – ein Kampf, der zunehmend von ideologischen Grenzziehungen geprägt ist. Im Zentrum stehen nicht mehr nur pro-palästinensische Proteste auf den Campusgeländen oder Programme zu Diversität und Geschlechtervielfalt. Jetzt geht es um Grundsatzfragen: Wer darf was sagen, forschen, lehren? Und: Wie weit darf eine Regierung in den autonomen Raum der Wissenschaft eingreifen?
Besonders perfide ist das Framing der Maßnahmen: Die Trump-Administration behauptet, mit diesen Ermittlungen ausländischen Einfluss – insbesondere durch Regime mit antiwestlichen Interessen – auf die Universitäten zu unterbinden. Beweise dafür? Fehlanzeige. Selbst Bildungsministerin Linda McMahon räumt in ihrer Erklärung ein, dass keine konkreten Hinweise auf Manipulation durch ausländische Akteure vorlägen. Es geht also nicht um reale Bedrohungen, sondern um politische Symbolik. Um ein Signal an eine Wählerschaft, die „linke Eliten“ für die moralische Krise des Landes verantwortlich macht.
In Wahrheit richtet sich die Aktion gegen jene Institutionen, die in den letzten Monaten Proteste gegen Israels Militäroperationen im Gazastreifen zugelassen oder nicht entschieden genug unterbunden haben. Trump wirft diesen Studierenden – darunter viele jüdische Gruppen – vor, antisemitisch und Hamas-freundlich zu sein. Diese pauschale Gleichsetzung von Israelkritik mit Judenhass entwertet nicht nur den Kampf gegen tatsächlichen Antisemitismus, sie stellt auch alle, die sich für palästinensische Menschenrechte einsetzen, unter Generalverdacht.
Harvard hat sich bisher geweigert, dem Druck vollständig nachzugeben. Die Universität betont, dass sie alle gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zu ausländischer Finanzierung regelmäßig und korrekt abgegeben habe. Doch die Trump-Regierung hat bereits erste Konsequenzen gezogen: 2,3 Milliarden Dollar an Fördergeldern wurden eingefroren, eine umfassende Überprüfung von insgesamt 9 Milliarden Dollar an Verträgen läuft. Weitere Drohungen beinhalten die Aberkennung der Steuerbefreiung, ein Verbot ausländischer Studierender und der Entzug von Visa – teils bereits in vollem Gange.
Diese Strategie trifft auch andere namhafte Einrichtungen: Columbia, Princeton, Brown, die University of Pennsylvania, Cornell und Northwestern – sie alle sehen sich mit gekürzten Förderungen oder Ermittlungen konfrontiert.
Die Botschaft ist klar: Wer sich nicht politisch fügt, verliert.
Was hier passiert, ist kein Einzelfall. Es ist ein Frontalangriff auf die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre – getragen von einer politischen Agenda, die autoritäre Kontrolle über die Meinungsbildung anstrebt. Universitäten werden zum Schlachtfeld eines ideologischen Krieges, in dem Worte wie „Diversität“, „Freiheit“ oder „Solidarität“ zu Feindbildern gemacht werden.
Wer heute schweigt, wenn Universitäten unter politischen Generalverdacht gestellt werden, wird morgen zusehen müssen, wie kritisches Denken in den Hörsälen verstummt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von John Phelan - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16924707
Samstag, 19 April 2025