Guantánamo kehrt zurück – und Europa steht plötzlich mit auf der ListeGuantánamo kehrt zurück – und Europa steht plötzlich mit auf der Liste
Trump plant Abschiebezentrum auf umstrittenem US-Stützpunkt – auch Deutsche könnten betroffen sein
Guantánamo war nie nur ein Ort. Es war ein Symbol. Für Folter, für Rechtsbruch, für einen Krieg gegen den Terror, der seine eigenen Prinzipien verriet. Jetzt soll es wieder ein Symbol sein – dieses Mal für Trumps neue Abschreckungspolitik gegen Migration. Und wieder ist Europa nicht außen vor. Nach Informationen von US-Medien wie der Washington Post und Politico sollen künftig auch Europäer – darunter deutsche, österreichische und italienische Staatsbürger – auf dem umstrittenen Stützpunkt interniert werden, bevor sie abgeschoben werden.
Der neue Plan, den Donald Trump im Januar verkündete, ist so radikal wie kalkuliert. Er sieht vor, Guantánamo Bay auf Kuba zum Zentrum für Abschiebehäftlinge umzubauen. Die Rede ist von zehntausenden Plätzen. Bereits jetzt sollen laut Politico rund 500 Migranten dort interniert sein – überwiegend Venezolaner. Doch der Blick richtet sich nun nach Europa. Auf einer neuen Liste der US-Behörden stehen laut den Berichten auch zwei Deutsche, ein Österreicher und über hundert rumänische Staatsbürger. Noch in dieser Woche, so heißt es, könnten die nächsten Transfers beginnen.
Trump inszeniert das ganz bewusst als Signal: Wer illegal kommt, soll das Land nicht nur wieder verlassen müssen – er soll durch die Hölle gehen. Der US-Präsident nennt Guantánamo "einen Ort für die gefährlichsten illegalen Kriminellen", als sei jeder ohne gültiges Visum ein Terrorist. Mit dieser Rhetorik verschwimmen längst die Linien zwischen Grenzpolitik und ideologischer Mobilmachung. Dass auch Europäer betroffen sein könnten, ist kein Zufall. Es sendet die Botschaft: Niemand wird verschont. Nicht einmal Partnerländer.
Die Reaktionen in Europa fallen – bislang – überraschend zaghaft aus. Während sich die deutsche Bundesregierung noch in Schweigen hüllt, forderte Italiens Außenminister Antonio Tajani "Klarstellungen" und kündigte ein Telefonat mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio an. Auch Österreich äußerte sich bislang nicht öffentlich. Dabei ist das Ausmaß potenzieller Rechtsverletzungen beträchtlich: Guantánamo ist ein Ort, an dem über Jahrzehnte grundlegende Menschenrechte systematisch verletzt wurden – von willkürlicher Haft bis zu Folter. Dass Europa nun tatenlos zusieht, wie eigene Staatsbürger in ein solches Umfeld verfrachtet werden, ist politisch und moralisch schwer zu rechtfertigen.
Offiziell erklärte das US-Heimatschutzministerium bisher, dass Guantánamo nur für Migranten genutzt werden soll, deren Herkunftsländer keine Rückführungen akzeptieren. Doch dieses Argument trägt nicht weit. Denn Länder wie Italien oder Deutschland haben gegenüber den USA längst erklärt, ihre Bürger im Falle illegalen Aufenthalts zurückzunehmen. Warum also sollen nun dennoch Menschen aus diesen Staaten auf Kuba inhaftiert werden?
Die Antwort liegt womöglich in der Inszenierung. Trumps Präsidentschaft ist geprägt von Bildern – Mauer, Marschbefehl, Militäreinsatz – die nicht nur Politik machen, sondern Emotionen steuern sollen. Guantánamo ist ein solches Bild. Es steht für Härte, für Durchgriff, für das vermeintliche Ende der Schwäche. Dass dabei rechtsstaatliche Maßstäbe und internationale Beziehungen beschädigt werden, scheint Nebensache zu sein.
Noch hat keine der betroffenen europäischen Regierungen offiziell protestiert. Noch stehen die Namen auf einer Liste, die nicht publik gemacht wurde. Aber das Schweigen wird nicht reichen. Denn wenn Guantánamo tatsächlich zum internationalen Abschiebelager der USA wird – und auch Europäer dort inhaftiert werden – dann stellt sich nicht nur die Frage nach dem Umgang mit Migration. Dann stellt sich die Frage, ob der Westen bereit ist, seine eigenen Werte für innenpolitisches Theater in Washington zu opfern.
Dass Donald Trump auf Eskalation setzt, überrascht niemanden mehr. Dass Europa dies erneut stoisch hinnimmt – das sollte uns alle beunruhigen. Denn wenn Guantánamo zurückkehrt, kehrt auch der Geist eines Systems zurück, das wir längst hinter uns glaubten. Nur dieses Mal trifft es nicht irgendwelche Namenlosen. Es trifft uns.
Autor: Redaktion
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Donnerstag, 12 Juni 2025