New Yorks gefährlicher Balanceakt: Wenn Pensionsgelder zur Waffe gegen Israel werdenNew Yorks gefährlicher Balanceakt: Wenn Pensionsgelder zur Waffe gegen Israel werden
Ein Bürgermeister mit BDS-Sympathien, zwei einflussreiche Pensionsfonds und Millioneninvestitionen in israelische Firmen: In New York droht ein Konflikt zwischen Moralrhetorik und ökonomischer Realität.
Die Wahlen in New York könnten für Israels internationale Position ungeahnte Folgen haben. Sollte der linke Demokrat Zohran Mamdani, ein erklärter Unterstützer der BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions), ins Bürgermeisteramt gewählt werden, steht plötzlich eine Frage im Raum, die über Stadtpolitik hinausreicht: Könnte Amerikas größte Metropole beginnen, sich wirtschaftlich von Israel zu lösen?
Während Beobachter zunächst abwinkten – „Er hat keine Mehrheiten dafür“, sagte der künftige Stadtkämmerer Mark Levine –, zeigt eine genauere Analyse, dass dies nur bedingt stimmt. Zwei der fünf öffentlichen Pensionsfonds New Yorks – die Teachers’ Retirement System (TRS) und die Board of Education Retirement System (BERS) – liegen in entscheidenden Teilen unter Kontrolle des Bürgermeisters. Das bedeutet: Mit der richtigen Besetzung der Verwaltungsgremien ließe sich dort ein Beschluss zur Desinvestition israelischer Anlagen durchaus durchsetzen.
Für die Aktivistin Leah Plasse, Sozialarbeiterin und Mitorganisatorin der Gruppe NYC Educators for Palestine, ist das eine Hoffnung. Sie fordert seit zwei Jahren, die Pensionsgelder der Lehrkräfte aus israelischen Unternehmen abzuziehen. Die Fonds halten nach Angaben der Finanzverwaltung rund 315 Millionen Dollar in israelischen Vermögenswerten, darunter Anleihen, Technologiefirmen und Energiekonzerne. Für Plasse ist das nicht nur eine politische, sondern eine moralische Angelegenheit: „Wir finanzieren Genozid. Das widerspricht meinem Glauben.“
BDS als moralische Rhetorik mit ökonomischer Sprengkraft
Hinter dieser Kampagne steht das weltweite BDS-Netzwerk, das nicht nur zum Boykott israelischer Staatsanleihen aufruft, sondern zum kompletten Rückzug aus allen Geschäften mit israelischen und israelverbundenen Unternehmen. Damit ginge es nicht mehr nur um politische Symbolik, sondern um den Entzug realer Kapitalströme – ein gefährlicher Präzedenzfall in einem globalen Finanzzentrum wie New York.
Für Israel wäre ein solcher Schritt nicht wirtschaftlich katastrophal, aber politisch verheerend: Wenn eine westliche Millionenmetropole unter moralischem Vorwand ökonomische Distanz zu Israel übt, könnte das andere Städte und Universitäten ermutigen, ähnliche Wege zu gehen. Es wäre ein Schritt in Richtung institutioneller Normalisierung von Antiisraelismus – verpackt in die Sprache von Menschenrechten und Ethik.
Die Machtmechanik der Fonds
Das System der Pensionsfonds in New York ist komplex: Jeder der fünf Fonds hat ein eigenes Leitungsgremium, das über Investitionen entscheidet. In der TRS reichen vier Stimmen von sieben Mitgliedern aus, um eine Resolution zu beschließen – drei dieser Sitze sind direkt vom Bürgermeister besetzt. Der Rest wird von der Lehrergewerkschaft und dem Stadtkämmerer gestellt.
Die BERS wiederum zählt 28 Mitglieder, von denen 15 direkt oder indirekt durch den Bürgermeister ernannt werden. Das genügt, um Mehrheiten zu organisieren, wenn politische Loyalität und Aktivismus zusammentreffen.
Damit könnte ein ideologisch motivierter Bürgermeister zumindest zwei der fünf Fonds politisch instrumentalisieren – auch wenn er die Kontrolle über die Polizeifonds oder Feuerwehrpensionen nicht hätte.
Ökonomische Vernunft gegen ideologische Kampagne
Mark Levine, selbst Jude und künftiger Stadtkämmerer, lehnt ein solches Vorgehen strikt ab. Er hat angekündigt, wieder in Israel-Bonds investieren zu wollen, die als solide, stabile und inflationssichere Anlagen gelten. Seine Haltung ist nüchtern: „Diese Investments sind seit Jahrzehnten verlässlich und sicher. Es geht nicht um Politik, sondern um Rendite.“
Doch Mamdani, der sich öffentlich gegen Israel positioniert, vermeidet klare Aussagen. Er spricht von „einer neuen ethischen Finanzpolitik“, schweigt aber zu der Frage, ob er BDS-Vorhaben aktiv unterstützen würde. Seine Unterstützer interpretieren das Schweigen als taktische Offenheit.
Die Gefahr liegt nicht im offenen Angriff, sondern im schleichenden Wandel: Wenn sich unter dem Vorwand moralischer Verantwortung wirtschaftliche Entscheidungen gegen Israel richten, verändert sich das Klima, in dem amerikanische Institutionen über jüdische Belange sprechen. Schon jetzt wird an Universitäten und in Gewerkschaften mit Begriffen wie „Zionismus“, „Kolonialismus“ und „Menschenrechtsverletzungen“ jongliert – Vokabeln, die oft nur verschleierte Feindbilder transportieren.
Doppelmoral als politische Strategie
Während Aktivisten die israelische Armee als Unterdrückungsinstrument brandmarken, schweigen sie zu Investitionen in autoritäre Staaten wie Katar oder China, die Menschenrechte in Serie verletzen. Das zeigt: Der moralische Maßstab ist selektiv – und zielt ausschließlich auf den jüdischen Staat.
Diese selektive Empörung ist der Nährboden, auf dem Antisemitismus in neuem Gewand gedeiht. Unter Begriffen wie „Solidarität mit Palästina“ oder „sozial gerechtes Investieren“ wird ein politisches Klima geschaffen, das Antizionismus salonfähig macht.
Der Konflikt, der über New York hinausreicht
Die Entwicklung in New York ist ein Mikrokosmos für den globalen Kulturkampf um Israel. Hier prallen zwei Verständnisse aufeinander: das des freiheitlichen Pluralismus, der Investitionsentscheidungen nach Stabilität und Rechtstreue trifft – und das einer aktivistischen Moralpolitik, die politische Identität über wirtschaftliche Vernunft stellt.
Ob Mamdani am Ende seine BDS-Agenda tatsächlich umsetzen kann, bleibt offen. Aber der Diskurs selbst verschiebt bereits die Grenzen des Sagbaren: Wenn in einer amerikanischen Großstadt darüber diskutiert wird, ob jüdische Unternehmen „moralisch vertretbare Investments“ seien, ist die rote Linie längst überschritten.
New York war stets Symbol für Vielfalt, Weltoffenheit und jüdisches Leben. Dass ausgerechnet dort ein Bürgermeister in Aussicht steht, der die Trennung zwischen legitimer Kritik und delegitimierender Feindseligkeit verwischt, sollte nicht nur jüdische Bürger alarmieren. Es betrifft die demokratische Kultur insgesamt. Denn wer Kapital moralisch selektiert, beginnt unweigerlich, Menschen zu selektieren.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Fotografía oficial de la Presidencia de Colombia - https://www.flickr.com/photos/197399771@N06/54813693354/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=175883442
Dienstag, 04 November 2025