Imam-Aufruf zum Boykott: Wie ein „Interfaith“-Treffen in New York zum offenen Angriff auf jüdische Studierende wurdeImam-Aufruf zum Boykott: Wie ein „Interfaith“-Treffen in New York zum offenen Angriff auf jüdische Studierende wurde
An einer US-Universität sollte der Dialog zwischen Religionen gestärkt werden – stattdessen hetzte ein Imam gegen die Anwesenheit eines Juden und verließ mit rund hundert Studierenden den Raum. Der Vorfall zeigt, wie normalisiert antisemitische Ausgrenzung in akademischen Räumen geworden ist.
Eigentlich sollte an der City College of New York ein ruhiges Gespräch über Glauben, Vielfalt und gegenseitigen Respekt stattfinden. Ein Interfaith-Treffen, organisiert vom Büro für studentische Integration, gedacht als Ort, an dem Studierende verschiedener Traditionen einander begegnen. Doch die Veranstaltung endete in einem verstörenden Moment, der offenlegte, wie tief der Hass gegen Juden inzwischen in Teile des akademischen Alltags eingesickert ist.
Während der Veranstaltung erhob sich ein junger muslimischer Sprecher, der sich selbst als Imam bezeichnete. Er sprach von religiöser Würde und „stolzer Haltung“, bevor er jene Worte aussprach, die den Raum schlagartig teilten. Er sei „nicht bereit, neben einem Zionisten zu sitzen“, erklärte er vor Publikum, und rief anschließend alle anwesenden Muslime auf, mit ihm den Raum zu verlassen. Rund hundert Studierende folgten seinem Aufruf.
Damit verwandelte sich ein Treffen, das ein Raum für Anerkennung und Austausch sein sollte, in eine Demonstration der kollektiven Ausgrenzung. Der anwesende Hillel-Direktor – der Vertreter einer der ältesten jüdischen Campusorganisationen der USA – blieb zurück, während sich eine Menschenmenge gegen ihn positionierte, schlicht weil er Jude ist.
Offener Antisemitismus im Gewand moralischer Überlegenheit
Der Imam begründete seine Aktion mit den Worten, „sein Volk werde in Gaza getötet“, und daher könne er die Anwesenheit eines Zionisten nicht dulden. Diese Logik ist nicht neu: Sie spiegelt das Muster wider, das weltweit zu beobachten ist – politische Narrative werden benutzt, um Juden kollektiv zu entmenschlichen, zu beschämen und aus der Gemeinschaft auszuschließen. Unterschiedliche Meinungen gelten dann nicht mehr, sondern nur noch die Zugehörigkeit zu einer angeblichen Gruppe, die pauschal verantwortlich gemacht werden soll.
Der Schritt war jedoch nicht nur eine persönliche Provokation. Er war eine Botschaft: Ein Jude, auch wenn er schweigt, darf nicht Teil des Gesprächs sein. Aus der Perspektive der Betroffenen war es ein Akt der Einschüchterung, nicht der Diskussion.
Breite Verurteilung – und die Frage nach Konsequenzen
Jüdische Organisationen reagierten sofort und unmissverständlich. Der Leiter der Anti-Defamation League in New York sprach von „einer widerlichen Demonstration blanken Antisemitismus“. Der Nexus Project, ein progressiver jüdischer Thinktank, verurteilte den Vorfall als klaren Angriff auf das Fundament des Zusammenlebens an amerikanischen Hochschulen.
Auch in der Politik blieb das Ereignis nicht ohne Echo. Die Gouverneurin des Bundesstaates nannte den Vorfall „Antisemitismus, schlicht und einfach“. Sogar das US-Justizministerium kündigte an, die Angelegenheit zu prüfen. In einer Zeit, in der Universitäten im ganzen Land mit stark wachsendem Judenhass konfrontiert sind, hat dieser Fall Wirkung weit über New York hinaus.
Der Sprecher selbst wurde inzwischen identifiziert: ein Masterstudent, der an derselben Universität Psychologie studiert und sich als zukünftiger Arzt beschreibt. Dass gerade ein angehender Heilberufler offen zur Ausgrenzung einer Minderheit aufruft, macht den Vorfall noch besorgniserregender.
Jüdische Studierende zwischen Alltag und Abwehrhaltung
Nach dem Vorfall äußerte eine jüdische Studentin einen Satz, der viel über die heutige Lage verrät: „Du bist schockiert? Wir nicht. Wir sind es gewohnt.“ Diese Normalisierung von Feindseligkeit – das stille Einrechnen von Angriffen im Alltag – trifft jüdische Studierende heute an vielen Hochschulen.
Sie müssen ihre Veranstaltungen verlegen, Eingänge wechseln, den Namen ihrer Organisation im Flyer verkleinern, und immer wieder miterleben, wie Ausgrenzung in politischen Slogans verpackt wird.
Ein Moment, der mehr zeigt als nur eine Szene
Der Vorfall an der City College of New York steht für eine Entwicklung, die weit größer ist als ein einzelnes Ereignis. Er zeigt, wie brüchig die Idee von akademischem Austausch geworden ist. Wer Juden aus einem Raum drängt, zerstört nicht nur das Gespräch – er zerstört die Grundlage des Dialogs selbst.
Es ist eine Mahnung, dass interreligiöse Arbeit nicht naiv sein darf. Sie muss klar benennen, dass echter Austausch nur dort möglich ist, wo das Menschsein jedes Einzelnen geachtet wird – ohne Vorbedingungen, ohne Ausschluss, ohne die Logik des Kollektivurteils.
Antisemitismus beginnt oft mit Worten. In diesem Fall waren es nur wenige Sätze, die reichten, um hundert Menschen zum Gehen zu bewegen. Die Botschaft aber bleibt im Raum: Die Verantwortung, dem entgegenzutreten, ist größer geworden – und dringender denn je.
Autor: Redaktion
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Freitag, 21 November 2025