Wenn ein Bürgermeister in Schweigen flüchtet: Antisemitische Einschüchterung vor New Yorker Synagoge und die gefährliche Doppelmoral der StadtspitzeWenn ein Bürgermeister in Schweigen flüchtet: Antisemitische Einschüchterung vor New Yorker Synagoge und die gefährliche Doppelmoral der Stadtspitze
Vor einer traditionsreichen Synagoge brüllen Aktivisten „globalize the intifada“ und „death to the IDF“. Doch der künftige Bürgermeister Zohran Mamdani relativiert – und spricht von „Missbrauch heiliger Räume“. Für viele jüdische New Yorker ist dies ein Wendepunkt.
Die Bilder aus Manhattan sind schwer zu übersehen – und noch schwerer zu ertragen. Rund zweihundert radikale Aktivisten stehen dicht gedrängt vor der Park East Synagogue, einem Haus, dessen Rabbiner die Schrecken der Pogrome von 1938 als Kind überlebte. Statt Respekt oder Zurückhaltung hallten Rufe durch die Straße, die jüdischen New Yorker seit Oktober 2023 viel zu vertraut geworden sind: „Globalize the intifada“, „Death to the IDF“ und rohe Beleidigungen, die eindeutig jüdische Besucherinnen und Besucher trafen. Die Polizei hielt Gruppen auseinander, stoppte das Szenario aber nicht.
Man könnte erwarten, dass ein Bürgermeister in Wartestellung klare Worte findet. Doch Zohran Mamdani, dessen pro-palästinische Positionen seit Jahren bekannt sind, tat genau das Gegenteil. In einer Erklärung ließ er über seine Sprecherin mitteilen, er „verurteile die Sprache“ – um dann im gleichen Atemzug zu suggerieren, dass das eigentliche Problem nicht die Demonstrierenden seien, sondern die Veranstaltung selbst. Ein Treffen des israelischen Einwanderungsnetzwerks Nefesh B’Nefesh in einer Synagoge, so Mamdani, stelle eine „Nutzung eines heiligen Raumes für Aktivitäten dar, die internationales Recht verletzen“.
Eine Formulierung, die viele jüdische New Yorker fassungslos zurückließ. Denn Mamdani bot keinerlei Erklärung, auf welches „internationale Recht“ er sich bezieht, und wich jeder klaren Verurteilung antisemitischer Hetze aus. Dass dieselbe Person wenige Wochen zuvor eine Swastika an einer Jeschiwa als „bösartige antisemitische Attacke“ bezeichnete, macht die Diskrepanz nur noch größer. Wenn Juden wegen ihrer religiösen Identität und möglicher Auswanderungspläne bedroht werden, bleibt die Empörung aus.
Gleichzeitig verurteilten prominente jüdische Stimmen die Geschehnisse deutlich: Der New Yorker Comptroller-elect Mark Levine sprach von „unerträglicher Einschüchterung“, die UJA-Federation nannte die Slogans „klare Aufrufe zur Gewalt“, und Gemeindevorstände der Park East warfen der Polizei vor, die Demonstrierenden nicht einmal auf die Parallelstraßen verwiesen zu haben – obwohl der Protest lange im Voraus angemeldet war.
Die Veranstalter von Nefesh B’Nefesh, seit zwei Jahrzehnten aktiv in der Beratung nordamerikanischer Juden über mögliche Auswanderung, wurden von den Demonstranten pauschal als „Siedler-Rekrutierer“ diffamiert. Eine radikale Verzerrung, die sich seit Jahren in bestimmten politischen Milieus festsetzt: Für manche Aktivisten gilt jeder Jude, der nach Israel übersiedelt, automatisch als „Siedler“ und damit als legitimes Angriffsziel. Dieser Logik zufolge werden mehrere zehntausend zivile Einwanderer aus Nordamerika zu Komplizen eines Verbrechens erklärt, das nur in der Vorstellung der Protestierenden existiert.
In dieser Rhetorik steckt eine gefährliche Radikalisierung. Sie schafft ein Klima, in dem jüdische Institutionen nicht mehr einfach Orte des Gebets sind, sondern Kulisse für Feindbilder, und in dem Synagogen zu „politischen Arenen“ erklärt werden – ganz gleich, ob die Gemeinde das will oder nicht. Für viele Betroffene war der Satz eines Demonstranten der erschreckendste: „We need to make them scared.“ Ein Satz, der alles sagt über die Intention solcher Proteste.
Dass Mamdani auf diesen offensichtlichen Einschüchterungsversuch nicht direkt eingeht, sondern stattdessen die Veranstaltung problematisiert, lässt einen dunklen Schatten auf seine zukünftige Amtsführung fallen. Bürgermeister Eric Adams, der sich derzeit auf Auslandsreise befindet, fand die deutlichsten Worte: „Heute ist es eine Synagoge, morgen eine Kirche oder Moschee. Wir dürfen diese Stadt nicht radikalen Kräften überlassen.“
Für jüdische New Yorker bleibt diese Nacht ein Menetekel. Ein Warnsignal dafür, wie schnell moralische Maßstäbe verschoben werden können, wenn sich politische Loyalitäten mit ideologischen Projektionen überschneiden. Und eine Erinnerung daran, dass Antisemitismus im Gewand politischer Parolen nicht weniger gefährlich ist als der offene Hass, den man aus der Vergangenheit kennt.
Es bleibt die zentrale Frage, die Mamdani bislang unbeantwortet lässt: Wenn eine Synagoge nicht mehr als sicherer Raum anerkannt wird, sondern als Ort, dessen Nutzung kommentiert und delegitimiert werden darf – wohin soll jüdisches Leben dann ausweichen?
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Bingjiefu He - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=166035777
Samstag, 22 November 2025