Wenn Wissenschaft Täter schützt: Wie die NCA jüdische Opfer unsichtbar macht und Israel zum Schuldigen erklärtWenn Wissenschaft Täter schützt: Wie die NCA jüdische Opfer unsichtbar macht und Israel zum Schuldigen erklärt
Ein Bericht der National Communication Association dreht die Realität universitärer Gewalt auf den Kopf: Jüdische Opfer werden ausgeblendet, antisemitische Angriffe verharmlost – und Israel zur moralischen Hauptgefahr erklärt. Jüdische Organisationen reagieren entsetzt.
Der Abschlussbericht der „Task Force on Academic Freedom and Tenure“ der NCA entwirft ein ideologisch aufgeladenes Bild. Israel wird als „Siedlerkolonie“, „imperialistisch“ und „weiß“ bezeichnet. Antisemitische Vorfälle an Universitäten werden im Bericht nicht als reale Gefahr anerkannt, sondern als angebliche Strategie, um kritische Wissenschaftler zum Schweigen zu bringen. Der Begriff Antisemitismus erscheint darin nicht als Ausdruck erlebter Bedrohung, sondern als Werkzeug eines politischen Machtspiels.
ADL, AJC und das Academic Engagement Network wiesen den Bericht mit ungewöhnlicher Schärfe zurück. Sie sprechen von einem Dokument, das seinen Auftrag verlässt und statt Analyse politische Konstruktionen anbietet. Deutlich erinnern sie daran, dass jüdische Studierende, Lehrende und Mitarbeitende seit Jahren Anfeindungen, Ausschlüsse und Gewalt erleben – dokumentiert durch Videos, Polizeimeldungen und interne Untersuchungen. Diese Realität wird im Bericht schlicht ausgeblendet. Stattdessen entsteht ein Narrativ, das jüdische Menschen zu Tätern macht und ihre Gefährdung relativiert.
Doch für jüdische Organisationen ist das nicht nur ein analytisches Versagen. Es ist eine bewusste moralische Verzerrung: Der Bericht erlaubt nur eine Opfergruppe – und jüdische Menschen gehören ausdrücklich nicht dazu. Ihre Erfahrungen werden entwertet, ihre Verletzlichkeit geleugnet, ihre Bedrohung unsichtbar gemacht.
Wie der Bericht arbeitet – und warum jüdische Organisationen Alarm schlagen
Der Text der Task Force stellt akademische Freiheit in einen Rahmen, der von „Weißsein“, „Siedlerkolonialismus“ und „imperialer Zivilität“ bestimmt sei. In dieser Logik wird jeder, der Israel kritisiert, zum Vertreter einer „dekolonialen Tradition“, die angeblich von „Zionisten“ unterdrückt werde. Antisemitische Übergriffe auf jüdische Studierende erscheinen in diesem Gefüge nicht länger als Bedrohung – sondern als Erfindung einer Gruppe, die ihre Macht sichern wolle.
Dass solche Behauptungen auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden, macht die Kritik jüdischer Verbände deutlich. Ausschlüsse jüdischer Studierender, antisemitische Parolen auf dem Campus, Bedrohungen, Schmierereien und körperliche Angriffe sind keine theoretischen Kategorien, sondern alltägliche Erfahrungen. Der Bericht ignoriert diese Fälle vollständig – ein klassisches Muster der Täter-Opfer-Umkehr.
Und genau darin liegt die gefährlichste Verschiebung: Die NCA klassifiziert antisemitische Angriffe nicht nur als „Missverständnisse“, sondern deutet sie implizit als legitimen Ausdruck „dekolonialer Kritik“. Der moralische Status wird so verschoben, dass Gewalt gegen jüdische Menschen nicht mehr als Unrecht gilt, sondern als verständlicher Bestandteil eines ideologischen Kampfes.
Damit verliert der Bericht jede moralische Bodenhaftung.
Antisemitische Denkmuster in scheinbar akademischer Sprache
Besonders schwer wiegt die Darstellung, „mächtige zionistische Spender“ würden Universitäten kontrollieren und kritische Stimmen verfolgen. Diese Formulierung bedient ein jahrhundertealtes Stereotyp über jüdischen Einfluss und vermeintliche Netzwerke – nun verpackt in den Vokabeln akademischer Theorie. Jüdische Organisationen warnen, dass solche Aussagen gefährlich sind, weil sie antisemitische Trope akademisch salonfähig machen.
Noch weiter geht die Behauptung, Israel betreibe eine „genozidale Kampagne“ gegen palästinensische Universitäten. Diese Formulierung entwertet nicht nur den Begriff Völkermord, sondern verwandelt die notwendige Analyse israelischer Sicherheitspolitik in moralische Verdammung. Auch die Klage des Berichts, Höflichkeit und professioneller Diskurs seien Ausdruck „weißer Kultur“, widerspricht jeder Verantwortung, wissenschaftliche Debatten ohne Entmenschlichung zu führen.
Eine Organisation, die Entmenschlichung anklagt – und selbst entmenschlicht
Besonders irritierend ist, dass die NCA im Januar 2025 eine eigene Resolution veröffentlichte, in der sie die „Entmenschlichung von Palästinensern“ verurteilt. Darin fordert sie Schutz palästinensischer Studierender, Rücknahme politischer Entscheidungen und Forschungsförderung für Analysen „dehumanisierender Sprache“.
Doch dieselbe Organisation, die sich öffentlich als moralische Instanz präsentiert, verwendet in ihren eigenen Texten Formulierungen, die Israelis und jüdische Menschen entmenschlichen und delegitimieren. Begriffe wie „weiße Zionisten“, „Siedlerkolonialismus“, „organisierte zionistische Angriffe“ und „genozidale Politik“ tauchen in NCA-Kontexten regelmäßig auf und zeichnen ein Bild, das Juden nicht als Menschen mit Rechten, sondern als Projektionsfläche ideologischer Feindbilder erscheinen lässt.
Die Doppelmoral ist offensichtlich:
Schutz für die einen, Abwertung für die anderen – und das unter dem Banner moralischer Überlegenheit.
Für jüdische Organisationen ist klar, dass hier nicht Wissenschaft spricht, sondern Aktivismus, der seine Ziele über die Erfahrungen realer Menschen stellt.
Warum jüdische Organisationen den Bericht zurückweisen
ADL, AJC und AEN kritisieren, dass der Bericht die Probleme, die er zu analysieren vorgibt, selbst verschärft: Statt akademische Freiheit zu schützen, schafft er ein ideologisch geschlossenes Weltbild. Antisemitismus wird nicht als reale Gefahr begriffen, sondern als angebliche Strategie jüdischer Menschen. Der Bericht verschiebt Verantwortung, verkehrt Opfer und Täter und macht universitäre Räume für jüdische Studierende noch unsicherer.
Anstatt ein Werkzeug wissenschaftlicher Klarheit zu sein, verbreitet dieser Bericht politische Narrative, die historische Muster antijüdischer Feindbilder aufgreifen und unter dem Deckmantel akademischer Sprache legitimieren. Die Forderung, Druck auf israelische Institutionen auszuüben, widerspricht dem Prinzip offener Wissenschaft und führt in die Richtung akademischer Abschottung und moralischer Vorverurteilung.
Was auf dem Spiel steht
Die Frage, wie akademische Freiheit geschützt werden kann, bleibt wichtig. Doch dieser Bericht trägt nicht dazu bei. Er ersetzt Analyse durch Ideologie, Fakten durch Konstruktionen und gefährdet jüdisches Leben dort, wo Schutz geboten wäre. Eine Organisation, die Entmenschlichung verurteilen will, muss mit der eigenen Sprache beginnen.
Wenn sie das nicht tut, verliert sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit – sie beschädigt das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen insgesamt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By AgnosticPreachersKid - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4112859
Dienstag, 02 Dezember 2025