Juden und Araber gemeinsam gegen die Nazis

Juden und Araber gemeinsam gegen die Nazis


Die ersten drei Jahre des Zweiten Weltkriegs kämpften, aßen, trainierten Juden und Araber gemeinsam, wurden gemeinsam gefangen genommen und töteten gemeinsam, sagt Professor Mustafa Abbasi. Während diese Brüderlichkeit nach dem Krieg versandete, `gibt sie uns einen Silberstreif der Hoffnung für die Zukunft´.

Juden und Araber gemeinsam gegen die Nazis

Von Nadav Shragain, Israel haYom

Eines Tages entdeckte Professor Mustafa Abbasi aus dem Dorf Jisch in Obergaliläla völlig zufällig ein Familiengeheimnis. Abbasi hatte sich laut gewundert, wieso fünf Jahre zwischen dem Geburtsdatum seiner Mutter und dem ihrer jüngeren Schwester lagen. Dann hörte er zum ersten Mal, dass sein Großvater, Said Abbasi, fünf lange Jahre weg von Zuhause verbracht hatte, weil er im Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger in der britischen Armee diente, an der Seite jüdischer Freiwilliger gegen die Nazis kämpfte.

Erst später, nachdem er Forscher geworden war und sich in das Thema vertiefte, erfuhr Abbasi, wie weit verbreitet das Phänomen gewesen war: Tausende Araber und Juden aus dem Mandat Palästina hatten Seite an Seite gegen die Naziplage gekämpft.

Radwan Said aus Kafr Kana erzählte Abbasi, dass er als Scharfschütze gedient und bei Kämpfen in Italien drei Nazisoldaten getötet hatte.

Abbasi sprach mit den Ältesten in seinem Heimatdorf Jisch. Einer, Zaki Jubran, bekämpfte die Nazis zusammen mit seinem Bruder.

Abbasi sollte schließlich Listen mit mehr und mehr Arabern entdecken, die als Freiwillige der britischen Armee an der Seite von Juden kämpften – aus Jaffa, Jerusalem, Safed, Jenin und Nablus. Allein Tiberias, eine Stadt, in der Juden und Araber viele Jahren lang friedlich miteinander lebten, stellte hunderte arabischer Freiwilliger. Hunderte arabische Kämpfer verloren ihr Leben. Andere wurden gefangen genommen. Und noch mehr sind mehr als 70 Jahre danach immer noch vermisst.

Das ist eine historisch Episode, die selten diskutiert wird. Sie passt nicht in die verschiedenen Narrative zur Geschichte des jüdisch-arabischen Konflikts vor oder nach den Kriegsjahren. Abbasis Forschung offenbart, dass dies sicher kein vorübergehendes „Phänomen“ war. Er schreibt über den gemeinsamen jüdisch-arabischen Kriegsdienst in einem ausführlichen Artikel der jüngsten Ausgabe von Katedra, dem ältesten akademischen Journal zu Land of Israel-Studien, veröffentlicht von Yad Izhak Ben-Zvi. Er könnte daraus vielleicht ein Buch machen.

Insgesamt dienten rund 12.000 Araber aus dem Mandat Palästina während des Zweiten Weltkriegs freiwillig in der britischen Armee, etwa die Hälfte der Anzahl der jüdischen Freiwilligen, die sich anschlossen. Hunderte palästinensischer Kämpfer wurden gefangen genommen. Ungefähr 300 fielen im Kampf. Die Beziehungen zwischen den jüdischen und arabischen Freiwilligen waren zumeist gut. Die Führer des jüdischen Jischuw, Chaim Weizmann und David Ben-Gurion, ließen schließlich die jüdischen Freiwilligen aus der gemischten Einheit nehmen, um die berühmte Jüdische Brigade zu bilden, die dann später eine entscheidende militärische Grundlage für den Unabhängigkeitskrieg von 1948 bot. Die Führern hatte die Vorstellung nie gemocht, dass Juden und Araber aus dem Mandat Palästina gemeinsam dienten und es gab zudem auf der arabischen Seite reichlich Leute, die dagegen waren.

Zur damaligen Zeit war die arabische Bevölkerung im vorstaatlichen Israel gespalten zwischen den Husseinis unter dem Großmufti Haddsch Amin al-Husseini – einem Partner der Nazis – und dem Naschaschibi-Clan, der offen die Briten unterstütze und gute Beziehungen zur jüdischen Bevölkerung unterhielt. Die Jahre der arabischen Revolte (1936 – 1939), die al-Husseini nur wenige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg anführte, machten es den Arabern nicht leicht sich für die britische Armee zu melden.

Abbasi glaubt, die arabischen Freiwilligen waren keine Überraschung.

„Etwa 60% [der Araber] unterstützten die Briten und waren Gegner der Husseinis. Ein großer Teil war pro-jüdisch und pro-britisch und sogar bereit zu Kompromissen und dafür den Teilungsplan zu akzeptieren. Im Gegensatz zu dem, was uns fälschlich in der Schule gelehrt wird, verehrten nicht alle von ihnen den Mufti Husseini. Tatsächlich war es die jüdische Seite, die versuchte und schließlich Erfolg damit hatte die Partnerschaft aufzubrechen, weil die zionistische Bewegung eine stärkere nationale Agenda hatte. Ben-Gurion und seine Freunde forderten eine jüdische Streitkraft, die unter einem jüdischen Symbol und einer jüdischen Flagge kämpft und nicht in gemischten Einheiten und die bekamen sie schließlich“, sagt Abbasi.

Das Middle East Command

Abbasis Arbeit demonstriert, dass viele Freiwillige von finanzieller Not motiviert waren. In der ersten Hälfte des Jahres 1940 wurde die Hilfstruppe gegründet, die als „grabende Streitkraft“ bekannt war. Die Grabenden arbeiteten zumeist unter dem Kommando von Major Henry Cater. In den Zügen gab es sowohl Araber als auch Juden. Die Kommandeure waren Briten. Eine britische Propaganda-Kampagne, die die Zunahme der Zahl arabischer Freiwilliger zum Ziel hatte, zeigte die Vorsteher arabischer Orte und Dorfführer. In Abu Dis, Hebron, Jenin, Kafr Qaddum und Jerusalem wurden Kundgebungen veranstaltet. Der bekannte ägyptische Autor Abbas Mahmud Al-Aqqad sagte in einer Sendung von Radio Palestine: „Der Krieg findet zwischen den von England repräsentierten menschlichen, erhabenen Werten und den von den Nazis repräsentierten Mächten der Dunkelheit statt.“

Am 2. April 1941 versammelten sich 6.000 Menschen im Hule-Tal. Die Konferenz wurde vom Führer des Tals, Kamal Hussein al-Youssef, organisiert und der Bürgermeister von Safed, Zai Kaddoura, nahm daran teil. Nach einem Festmahl stimmten die Würdenträger des Hule-Tals zu jungen Arabern zu erlauben sich in der britischen Armee zu verpflichten und applaudierten König George VI.

In den ersten Monaten des Jahres 1942, als sich die Lage der Alliierten an der Nordafrika-Front verschlechterte, begannen die britischen Behörden auch arabische Frauen anzuwerben. Im Mai 1942 wurde eine weitere große Konferenz veranstaltet, diesmal in Tulkarem und der Bürgermeister erinnerte die Anwesenden daran, wie brutal die Italiener – die mit den Nazis verbündet waren – die Libyer behandelten.

Abbas stellte fest, dass die meisten arabischen Freiwilligen junge Leute aus Dörfern waren. Einwohner der Städte, die sich einer höheren Lebensqualität erfreuten, waren weniger begeistert von Militärdienst in einem fernen Land. Trotzdem meldeten sich einige „Stadt-Jungs“. Zu diesen gehörten hunderte Dock-Arbeiter aus Jaffa, die ihre Arbeit verloren, als der Handel während der arabischen Revolte abnahm.

Auf der von Abbasi gefunden Liste der Vermissten und Toten stehen die Namen vieler prominenter städtischer Araber-Familien. Obwohl viele Freiwillige durch Geld motiviert waren, gab es solche, die aus ideologischen Gründen anmusterten, weil sie gegen das Nazi-Ideal einer Herrenrasse waren und an die Briten und ihre Werte glaubten.

„Die meisten jungen Leute, die in die Armee gingen, kamen aus der städtischen Oberklasse und waren gebildete Leute, beeinflusst von britischer Bildung und Kultur. … Als die Italiener Tel Aviv und Jaffa und Haifa bombardierten, wurden hunderte getötet, Juden wie Araber“, vermerkt Abbasi.

Abbasi hat auch entdeckt, dass mehrere Dutzend Juden und Araber zusammen an der Seite tausender britischer und ägyptischer Soldaten im Juli 1942 in der ersten Schlacht von El-Alamein kämpften. Die britische Achte Armee schaffte es den Vormarsch der Streitkräfte von General Erwin Rommel aufzuhalten und fügte ihnen schwere Verluste zu. Ein paar der Freiwilligen nahm auch an der alliierten Invasion in der Normandie im Sommer 1944 teil.

Juden und Araber aus dem Mandat Palästina kämpften gemeinsam in Italien und Griechenland gegen die Nazis. Sie dienten in Transport-, Logistik-, medizinischen und Ingenieurseinheiten. Am 6. August informierte der britische Kriegsminister Anthony Eden das Parlament darüber, dass die britische Armee innerhalb ihrer Infanterie eine arabische und dann eine jüdische Brigade aufstellen würde.

Als der Januar 1942 anbrach, hatte das Infanteriekorps 18 Züge, sieben arabische (einen aus Transjordanien) und 11 jüdische. Es gab insgesamt 4.041 arabische und 10.000 jüdische Freiwillige aus Palästina in der britischen Infanterie. Mitglieder des 401. Zugs nahmen an Befestigungsarbeiten teil und legten Eisenbahnschienen in Frankreich, womit sie halfen die deutschen Truppen aufzuhalten. Zu diesem Zug gehörten 250 Araber und 450 Juden. Als sie nach Palästina zurückkehrten, wurden sie vom Hochkommissar als Helden willkommen geheißen.

Juden und Araber dienten auch gemeinsam in der Einheit des Middle East Commando, zu dem 240 Juden und 120 Araber gehörten, in einem Team unter britischen Kommandeuren. Die Freiwilligen dieser Einheit wurden strapaziösem physischen Training und langen Märschen unter schwierigen Bedingungen unterzogen. Ende 1940 nahmen Mitglieder der Einheit am ersten britischen Angriff in der westlichen Wüste teil und durchbrachen die italienischen Linien in Bardia an der ägyptisch-libyschen Grenze. Im Winter 1941 kämpfte die Einheit erbitterte Schlachten gegen die Italiener.

Fast 200 arabische Frauen aus Palästina dienten im Women’s Auxiliary Corps und in der Women’s Auxiliary Air Force. Die für die Zuweisung der jüdischen und arabischen Aufgaben für die Frauen zuständige Person war Audrey Cheety, die gewarnt wurde, sie habe einen gefährlichen Job übernommen. Insgesamt 60 Frauen durchliefen die Grundausbildung. Nur vier waren Araberinnen, aber Cheety schaffte es sie in die Offiziersausbildung zu bringen, nachdem sie palästinensische Frauenorganisationen so ausschimpfte, dass sie die Kriegsanstrengungen unterstützten.

Die Zeitung „Falastin“ hängte sich ebenfalls in die Kriegsanstrengungen hinein und veröffentlichte Artikel und Bilder von weiblichen Freiwilligen in Uniform, so Rahel Schaherazade aus Jerusalem. Die meisten weiblichen arabischen Freiwilligen kamen aus Städten.

Eine der bemerkenswerten weiblichen Freiwilligen war Anastasia (Asia) Halabi, die als Fahrerin diente und dann Offizierin wurde. Sie war die Schwester der Jerusalemer Künstlerin Sophie Halabi. Die Mutter der Schwestern war Russin und ihr Vater war Araber. Nach 1948 diente sie weiter als Verbindungsoffizierin zwischen der jordanischen Armee und der UNO in Jerusalem.

Dass Araber und Juden eng zusammen dienten, führte zu einem ironischen Fehler, der ein paar Jahre später in Ha’aretz berichtet wurde. Schahab Hajaj, eine Araberin, die in die britische Armee eintrat, wurde von den Deutschen gefangen genommen und starb 1943. Bis heute wird Hajaj auf dem Herzl-Berg in Jerusalem als gefallener israelischer Soldatin gedacht. Jemand nahm an, dass sie Jüdin war.

Gefragt, ob es möglich ist, dass nach dem Krieg dieselben Juden und Araber, die als Kameraden mit den Briten gekämpft hatten, einander im Unabhängigkeitskrieg von 1948 bekämpft haben könnten, sagt Abbasi: „Das ist definitiv möglich.“

„Eine Menge arabischer Freiwilliger schloss sich später der jordanischen Legion an. Die Jordanische Legion, wissen wir, kämpfte 1948 gegen die Juden“, sagt er.

Abbasi betont jedoch, dass er keine Belege gefunden hat, dass das tatsächlich geschah, abgesehen von Geschichten, die er hörte, allerdings nicht aus erster Hand.

Ein anderer Historiker, Prof. Mustafa Kabha, zitiert Forschung der libanesischen Historikerin Bian Nowihad al-Hut in ihrem Buch „The Palestinians – a People Dispersed“ [Die Palästinenser – ein zerstreutes Volk]. Al-Hut gründete ihre Ergebnisse auf Forschung, die die Palästinensische Befreiungsorganisation durchführte. Sie zählte drei arabische und eine aus Juden und Arabern bestehende Kommando-Einheiten, die mit den alliierten Streitkräften in Frankreich kämpften.

Abbasi sagte, obwohl er sich der persönlichen Seite des Themas bewusst ist, ist das nicht der Grund, dass er es erforscht.

„Das ist ein weit verbreitetes Phänomen, bei dem Juden und Araber sich auf derselben Seite stehend fanden. In unserem Land suchen die Leute immer nach Gründen sich zu trennen und Konflikt zwischen Juden und Arabern zu schüren. Ich glaube, dass Geschichte Menschen einander näher bringen kann, gemeinsame Kapitel ausfindig machen, Ereignisse, die uns verbinden. Auch die gibt es.

Es sind leider nicht viele. Aber es gibt sie und ich dachte, dass nichts mehr verbinden könnte, als diese Partnerschaft und das Band der Kameradschaft. Dieses Kapitel der Geschichte hat einen Auftrag – Herzen zu öffnen und nicht nur Kämpfe und Feindschaft zu begehren. Bei allem nötigen Respekt für die nationalen Narrative: Menschen sind wichtiger“, sagt Abbasi.

„Wir treffen uns an diesem historischen Punkt. In den ersten drei Jahren des Zweiten Weltkriegs kämpften, aßen, trainierten Juden und Araber miteinander, wurden gemeinsam gefangen genommen und töteten gemeinsam. Das gibt uns einen Silberstreif der Hoffnung für die Zukunft. Es sind Begebenheiten gutnachbarlicher Beziehungen, gemeinsamer Geschäftsprojekte, gemischter Städte und als Historiker, Muslim und arabischer Bürger des Staates Israel bin ich froh, dass ich das Privileg hatte eine dieser Zeiten offenzulegen. Natürlich fordert es mehr, tiefer gehende Forschung.“

In der Tat ist der Reichtum der Forschung zur Zeit des britischen Mandats, die tausenden Freiwilligen aus Palästina – Juden und Araber, die in gemischten Einheiten und in getrennten dienten – fast völlig vergessen worden. In seiner Arbeit zitiert Abbasi aus den Tagebüchern des Journalisten und Pädagogen Taher al-Fatiani und des Jerusalemer Schriftstellers Subhi Guscha, der die Gefühle der arabischen Gesellschaft und die Streitigkeiten aufzeichnete, die innerhalb dieser wegen des freiwilligen Dienstes in der britischen Armee und des Kämpfens an der Seite von Juden tobten.

Prof. Yoav Gelber hat festgestellt, dass nach dem Fall von Kreta und Griechenland im April 1941 1.600 Soldaten aus Palästina gefangen genommen wurden, darunter 400 Araber. Yitzhak Ben-Aharon, damals ein Führer der Arbeitspartei, gehörte dazu. Später sollte Ben-Aharon die Geschichte zu erzählen, wie die Juden und Araber sich in den Gefangenenlagern zusammenschlossen. Yosef Almogi, ein ehemaliger Minister, beschreibt in seinen Memoiren die ungewöhnliche „Zusammengehörigkeit“, die zwischen den Gefangenen erzwungen wurde.

Abbasis Forschung endet mit einer weniger positiven Anmerkung. Die positive Atmosphäre, sagt er, „und die zeitweilige Nähe zwischen den Briten und den Arabern und zwischen den Arabern und den Juden hörte auf. Die schwierigen Zeiten, die unmittelbar nach dem Krieg begannen, haben dieses besondere Kapitel in der Geschichte des Landes vergessen lassen.

 

Übersetzt von Heplev - Foto: Arabische Einwohner Jerusalems versammeln sich für eine Einschreibung ins Militär vor der Altstadt


Autor: Heplev
Bild Quelle: Libary of Congress


Freitag, 23 August 2019