Von jüdischer Hanukkah, Beschneidung des Herrn und der Heiligen Vorhaut

Von jüdischer Hanukkah, Beschneidung des Herrn und der Heiligen Vorhaut


Wie das jüdische Lichterfest zu christlichen Weihnachten wurde

Von jüdischer Hanukkah, Beschneidung des Herrn und der Heiligen Vorhaut

Von Dr. Boris Altschüler

Weihnachten ist mit Ostern und Pfingsten eines der drei Hauptfeste des Kirchenjahres. Als kirchlicher Feiertag ist der 25. Dezember seit 336 in Rom belegt. Wie es zu diesem Datum kam, ist ungeklärt. Diskutiert wird u.a. eine Beeinflussung durch den römischen Sonnenkult: Kaiser Aurelian hatte den 25. Dezember 274 als reichsweiten Festtag für Sol Invictus (Mithras) festgelegt. Durch das Schmücken eines Baums zur Wintersonnenwende ehrte man im Mithras-Kult den Sonnengott. Römischer Kaiser Konstantin, der dem Christentum zum Durchbruch verhalf, war ein Mithras Verehrer. In der jüdischen Tradition war es üblich an einigen Festen das Haus mit den Bäumenzweigen zu schmücken, z. B. Tu Bischwat. In nördlichen Gegenden Europas wurden im Winter früh Tannenzweige ins Haus gehängt, um bösen Geistern das Eindringen und Einnisten zu erschweren, gleichzeitig gab das Grün Hoffnung auf die Wiederkehr des Frühlings. Von den Schwarzhäuptern in Riga und Reval wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegen Ende der Weihnachtszeit Tannenbäume auf den Markt getragen, geschmückt und zum Schluss verbrannt. Die Balten-Staaten Estland und Lettland streiten sich heute um die Erfindung des Weihnachtsbaums. Die lettische Hauptstadt Riga feiert in diesem Jahr den 500. Jahrestag, an dem erstmals ein Weihnachtsbaum aufgestellt worden sein soll. Dies rief umgehend einen freundschaftlichen Protest aus Tallinn im benachbarten Estland hervor. Die Esten erinnern daran, dass Tallinn angeblich schon den 569. Jahrestag feiert. Nach Forschern, die Lettlands Anspruch unterstützen, wurde der erste Weihnachtsbaum 1510 in Riga aufgestellt. Es handelte sich demnach um eine Holzpyramide, die als Baum bezeichnet und mit getrockneten Blumen, Früchten, Gemüsen und Spielzeugen geschmückt wurde. Der Baum soll für einen Umzug benutzt und zum Jahresende verbrannt worden sein. Estland behauptet dagegen, die Bürger von Tallinn hätten schon 1441 den ersten Weihnachtsbaum gehabt. Er sei vor dem Rathaus für ein winterliches Tanzritual aufgestellt worden, bevor auch er angezündet worden sei. Die älteste schriftliche Erwähnung eines Weihnachtsbaums wird ins Jahr 1527 datiert. Zu lesen ist in einer Akt der Mainzer Herrscher von „die weiennacht baum“ im Hübnerwald in Stockstadt am Main.

Von Johann Wolfgang von Goethe stammt eine der ersten Erwähnungen des Weihnachtsbaums in der deutschen Literatur. Als in evangelischen Kreisen der Weihnachtsbaum als Christbaum ins Brauchtum übernommen wurde, trat der seinen Siegeszug an. Übrigens, der erste Weihnachtsbaum in Wien wurde 1814 von Fanny von Arnstein, einer aus Berlin stammenden angesehenen jüdischen Gesellschaftsdame, aufgestellt, in deren Haus auch Vertreter des Hochadels ein und aus gingen. 1832 stellte der deutschstämmige Harvard-Professor Karl Follen als erster einen Weihnachtsbaum in seinem Haus in Cambridge (Massachusetts) auf und führte so diesen Brauch in Neuengland ein. Als sich die englische Königin Viktoria 1840 mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha vermählte, kam der Weihnachtsbaum nach London. Auch die Niederlande, Russland, besonders Petersburg und Moskau, wo er allerdings nur in den höchsten Kreisen üblich war, und Italien verdanken ihren Weihnachtsbaum den Deutschen. Auf dem Petersplatz wurde 1982 erstmals auch ein Weihnachtsbaum aufgestellt.

Am Fest der Beschneidung des Herrn (lateinisch Circumcisio Domini), auch Beschneidungsfest (lateinisch Festum circumcisionis) genannt, gedenken mehrere Konfessionen der Beschneidung Jesu acht Tage nach dem Fest seiner Geburt. Das Beschneidungsfest wird am 1. Januar gefeiert, dem Oktavtag von Weihnachten. Dieser Tag bekam mit der Zeit den Namen Silvester. Dass Jesus gemäß jüdischem Brauch (Gen 17,10–14 EU) am achten Lebenstag beschnitten wurde, berichtet der Evangelist Lukas im zweiten Kapitel. Gleichzeitig, und darauf liegt in Lk 2,21 EU das Gewicht, sei ihm der Name Jesus gegeben worden. In Spanien und Gallien bildete sich im Verlauf des 6. Jahrhunderts ein Fest „Beschneidung und Namengebung des Herrn“ heraus, das im 12./13. Jahrhundert auch von Rom übernommen wurde. In der römisch-katholischen Kirche wurde das Fest bis zur Reform von 1969 gefeiert. Der heute übliche Jahresanfang am 1. Januar war im Mittelalter nur einer unter vielen gebräuchlichen. Mediävisten bezeichnen ihn daher als „Zirkumzisionsstil“. In den anglikanischen, orthodoxen, syrisch-orthodoxen und syro-malabarischen Kirchen wird der Beschneidung und der Namensgebung Christi am 1. Januar auch heute noch gedacht, ebenso in einigen altkatholischen und evangelischen Kirchen.

Die römisch-katholische Kirche begeht seit der erneuerten Grundordnung des Kirchenjahres von 1969 den 1. Januar als Oktavtag von Weihnachten und Hochfest der Gottesmutter Maria, das Tagesevangelium ist, weiterhin Lukas 2,16–21 (Beschneidung Jesu). In der außerordentlichen Form des römischen Ritus besteht das Fest noch heute. Am Fest der Beschneidung des Herrn (lateinisch Circumcisio Domini), auch Beschneidungsfest (lateinisch Festum circumcisionis) genannt, gedenken mehrere Konfessionen der Beschneidung Jesu acht Tage nach dem Beschneidung Christi Fest seiner Geburt. In Spanien und Gallien bildete sich im Verlauf des 6. Jahrhunderts ein Fest „Beschneidung und Namengebung des Herrn“ heraus, das im 12./13. Jahrhundert auch von Rom übernommen wurde. In der römisch-katholischen Kirche wurde das Fest bis zur Reform von 1969 gefeiert.

In der Rangliste der Vorhaut-Reliquien ist Antwerpen nach Calcata vermutlich auf Platz zwei zu setzen. Ab dem Jahr 1112 oder 1114 ist die Anwesenheit eines »Sanctum Praeputium« in der flandrischen Stadt verbrieft. Gottfried von Bouillon (um 1060-1100), Heerführer beim Ersten Kreuzzug soll nach der Eroberung Jerusalems die Reliquie erworben haben. Nicht nur am 1. Januar und nicht nur in Antwerpen, sondern an mehr als einem Dutzend Orten in Europa wurden im reliquienseligen Mittelalter einst Vorhäute Jesu verehrt. Dass es sich bei den meisten um fromme Fälschungen gehandelt haben muss, liegt auf der Hand. Doch die Sehnsucht der Menschen nach einer echten, wahrhaftigen Reliquie vom echten, wahrhaftigen Körper Jesu war groß. Und die Vorhaut des Heilands war nun einmal die einzige Leibreliquie, die es dem biblischen Zeugnis zufolge nach der Himmelfahrt Christi auf Erden geben konnte.

Am intensivsten war die Vorhautverehrung in Frankreich (wo man sich auch im Besitz einiger Nabelschnüre des Heilands glaubte). »Praeputia Christi« gab es in Besançon, Boulogne, Compiègne, Conques, Fécamp, Langres, Le Puy, Coulombs, Metz, Nancy und Paris, doch die berühmteste nannte die Abtei von Charroux bei Poitiers ihr Eigen. Karl der Große höchstpersönlich soll sie den Mönchen von Charroux vermacht haben sehr zum Verdruss der Römer, die dasselbe von ihrer noch älteren Vorhaut behaupteten. Auch im spanischen Santiago de Compostela zog es Jakobspilger aus ganz Europa vor den Vorhaut-Altar: Dabei wären deutsche Pilger schon in Hildesheim fündig geworden. (Eine Windel Jesu wird im Aachener Dom übrigens bis heute verehrt.)

Das Problem der Vorhaut-Vielzahl hat sich quasi von selbst erledigt: Die meisten der heiligen Vorhäute sind den Wirren von Reformation und Französischer Revolution zum Opfer gefallen. Beim »Sacco di Roma«, der bis heute traumatisch nachwirkenden, katastrophalen Plünderung Roms im Mai 1527 durch deutsche Landsknechte und spanische Söldner, wurden auch die Sancta Sanctororum geplündert. Die Legende will, dass der deutsche Landsknecht, der die Vorhaut Jesu stahl, später 45 Kilometer nördlich von Rom in Calcata festgenommen wurde. In seinem Kerker habe der Landsknecht das juwelenbesetzte Reliquiar samt Vorhaut versteckt, wo es erst 1557 wiederentdeckt worden sei. Calcata war seither das letzte aktive Zentrum der Vorhaut-Verehrung in Europa. Jährlich am 1. Januar wurde in dem malerischen Bergdorf das »Sanctum Praeputium« bei einer Prozession gezeigt. Doch kurz vor der Prozession des Jahres 1984 hatte der Dorfpfarrer von Calcata eine schockierende Nachricht für seine Gemeinde: Die Prozession müsse ausfallen, die Reliquie sei spurlos verschwunden. Nur ein schnöder Diebstahl? Ging es nur um das kostbare Reliquiar? Die Sache ist ein bis heute ungelöster Kriminalfall geblieben und hat Verschwörungstheorien ausgelöst. Nicht wenige in Calcata sind überzeugt, der Vatikan selbst stecke hinter dem Verschwinden der Vorhaut. Im Februar 1900 erließ der Vatikan schließlich ein Dekret, das es Katholiken bei Strafe verbietet, über die Heilige Vorhaut zu schreiben oder zu sprechen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist aus dem katholischen Feiertagskalender sogar jegliche Erinnerung an die »Circumcisio Domini« am 1. Januar verschwunden. Statt über die Erinnerung an die Beschneidung Jesu dessen jüdische Wurzeln hervorzuheben, entschied sich die katholische Kirche in ihrem Ringen mit der Moderne dafür, die Marienverehrung zu stärken. Der 1. Januar ist für Katholiken heute das «Hochfest der Gottesmutter Maria».

 

Aschkenasim, 2018, Nr. 8 / Foto: "Beschneidung des Herrn" Kirchdorfer Marienaltar


Autor: Dr. Boris Altschüle
Bild Quelle: Foto: Christoph Waghubinger (Lewenstein) [CC BY-SA 3.0 at (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/deed.en)]


Sonntag, 22 Dezember 2019