Die schweigenden Zuschauer im Krieg gegen die Juden

Die schweigenden Zuschauer im Krieg gegen die Juden


ngst, Feigheit – oder stille Zustimmung - ist exakt der Weg, auf dem Hitler triumphierte

Die schweigenden Zuschauer im Krieg gegen die Juden

VPhyllis Chesler, FrontPageMag

Erkennbar jüdische Zivilisten werden auf den Straßen Europas und Nordamerikas geschlagen. Das erinnert mich an das, was in Deutschland Mitte der 30-er Jahre geschah, wie es von Erik Larson in seinem Buch „In The Garden of the Beasts: Love, Terror, and an American Family in Hitler’s Berlin“ aus dem Jahr 2011 dokumentiert wird.

Außerdem werden jüdische Studenten und jüdische Professoren oft vom Campus und aus akademischen Verbänden getrieben oder gezwungen den gefährlich unangenehmen Spießrutenlauf antiisraelischer/propalästinensischer Demonstrationen (Israel Apartheid Week) und BDS-Resolutionen zugunsten des Boykotts eines einzigen Landes durchzumachen (Israel).

Als ich 2003 „The New Anti-Semitism“ veröffentlichte, erhielt ich viele Briefe jüdischer Professoren, die bereits damit kämpften wegen ihrer auf Fakten beruhenden proisraelischen Ansichten bestraft und ausgegrenzt zu werden. Freie Meinungsäußerung wurde denen mit antiisraelischen Ansichten gewährt, nicht denen, die es wagten den jüdischen Staat zu verteidigen. Mit ihrer Erlaubnis übergab ich diese Briefe der Bildlungsredakteurin der New York Times, der sehr daran interessiert war einen Artikel darüber zu schreiben. Leider, nicht überraschend, wurde sie „von höchster Ebene gestoppt“. Derselben Redakteurin wurde auch nicht erlaubt mein Buch zu rezensieren. Seitdem habe ich bis zur Erschöpfung zahllose Artikel darüber geschrieben, wie die westliche Intelligenzija die Juden einmal mehr verraten hat.

Wichtiger ist: Eine Reihe wichtiger Bücher zu diesem Thema begann zu erscheinen, darunter „The Uncivil University: Intolerance on College Campuses“ von Aryeh Kaufmann Weinberg, Gary A. Tobin und Jenna Ferer (2009), Nora Golds Roman Fields of Exile (2014) und als jüngestes Anti-Zionism on Campus: The University, Free Speech and BDS, herausgegeben von Andrew Pessin und Droon S. Ben Atar (2018) sowie Israel Denial: Anti-Zionism, Anti-Semitism and the Faculty Campaign Against the Jewish State von Carl Nelson (2019). Ich habe zudem in zahllosen Artikeln und einer neuen Ausgabe von The New Anti-Semitsm weiter über dieses Phänomen geschrieben.

Ich bin nicht sicher, wie erfolgreich irgendeiner von uns darin gewesen ist diese Blockade des kognitiven Krieges zu durchbrechen. Linda Sarsour, inzwischen keine führende Frauenrechtlerin mehr, heute die propalästinensische Aktivistin, die sie immer war, tritt weiter an Universitäten im ganzen Land auf, wie zahllose andere, die ihre Ansichten teilen.

Diesen antisemitischen/antizionistischen Ansturm gibt es auch online, in privaten Gruppen, die anderen akademischen Themen gewidmet sind (Psychologie, Geschichte des Feminismus), wo niemand ein besonderer Experte für Nahost-Themen ist. Das hält die vergiftete Propaganda nicht davon ab aufzutauchen.

In meiner Zeit habe ich zwei Online-Gruppen verlassen und wurde aus einer dritten zwangsweise entfernt. Immer, jedes Mal wurde um dasselbe gestritten. Ein Erguss rohen Antisemitismus/Antizionismus, dem gestattet wurde den Austausch zu beherrschen – oder ein unverarbeitetes Stück propalästinensischer und proislamistischer Propaganda, das statt unserer üblichen Diskussion einen Ehrenplatz einnahm. Eine andere, kenntnisreichere oder positivere Sicht auf Israel oder eine kritische Sicht des Islam zu vertreten, selbst in Sachen Frauenrechte, wurde immer als Gedankenverbrechen interpretiert, kriminell, Hochverrat und als Beweis für Rassismus, Islamophobie und rechten Konservatismus.

Dem zu begegnen war immer ernüchternd, machte wütend, demoralisierte und manchmal war es sogar traumatisch. Aber was meine Aufmerksamkeit am meisten anzog, war entweder (wenn das auftrat), dass viele sich dem anschlossen und eins drauflegten oder etwas weit Unheilvolleres: das Schweigen, das völlige Schweigen der Dabeistehenden.

Vor kurzem erlebte ich unerwartet online wieder eine antisemitische Tirade. Ich entschied mich sie einem meiner Schabbat-Gäste zu erzählen, einer 92-jährigen Überlebenden von drei Arbeitslagern der Zeit des Holocaust. Ich wollte ihre Ansicht dazu wissen.

Luna Kaufman ist eine erstaunlich schöne und distinguierte polnisch-amerikanische Jüdin. Sie ging mit dem „polnischen Papst“ (Johannes Paul II.) zur Schule, hat sich interreligiöser Arbeit verschrieben, ist zudem Musikwissenschaftlerin – und glaubt, dass alle wichtigen Dinge äußerst komplex sind.

Ich erzählte ihr von einer Frau, einer frühen Feministin, die ich niemals getroffen habe und die gerade zum ersten Mal Polen besucht hatte, um mit ihren polnischen Wurzeln in Kontakt zu treten. Sie schwärmte online vom polnischen Volk. Eine Frau aus der Gruppe (nicht ich) sagte, dass die Polen, so charmant sie auch sind, einst Juden ermordeten und dass man auch das erwähnen sollte. Es herrschte Stunden lang Stille. Ich wollte diese einzelne Stimme nicht alleine stehen lassen, daher schlug ich einige Bücher über antijüdische Pogrome und Massaker in Polen vor, um ein ausgewogeneres Bild der Polen zu entwickeln. Warum nicht Anna Bikont zu dem lesen, was in Jedwabner geschah oder Jan T. Gross?

Die Frau antwortete: „Ich wusste, es würde nicht lange dauern, bis ich von dir höre, ich habe nur darauf gewartet.“ Und dann ließ sie dreckigen Judenhass raus. „Solange dein Autor das nicht untermauert, ist das Verleumdung. Wo sind die Berichte darüber, die Fotos, die Verhaftungen, die Polizeiberichte, die Sterbeeinträge? Die Juden haben die Rolle der Polen im Holocaust aufgeblasen; mindestens einhundert Polen starben beim Versuch Juden zu retten – was ist mit denen? Ich habe die Nase voll von Juden, die immer noch bestimmte Länder verleumden, um finanzielle Entschädigungen zu bekommen.“

Und dann schreibt sie, es ist unfassbar: „Mein letzter Freund war Jude… Es gibt keine natürliche Animositäten z wischen polnischen Arbeitern und jüdischen Arbeitern. Gäbe es Bitterkeit zwischen Juden und Polen, dann meinem Gefühl nach aufgrund von Klassen, NICHT aufgrund von Religion. Arme Juden wurden genauso von REICHEN JUDEN im Stich gelassen wie von reichen Polen. Arme Juden in den USA wurden genauso von Kapitalisten unterdrückt (in Pelzfabriken) wie arme polnische Arbeiter. Sei nicht naiv, Phyllis. Es gibt viele Tricks, die sie anwenden, wenn sie eine Sache publizieren.“

Sich auf Klassenkampf und Klassensolidarität zu berufen hatte Erfolg. Die erste Frau, die sich äußerte, sagte, vielleicht sollte sie „ihren Groll fallen lassen“.

Was diese Frau schrieb, war roh, scharf und missgünstig, eine Funktion neu gefundenen Stolzes, der leicht verletzt wird. Es war zudem absolut ignorant.

Was aber meine Aufmerksamkeit hatte, war wie still die Online-Gruppe wurde, dass niemand diese Große Lüge in Frage stellen oder umdrehen und damit riskieren wollte drangsaliert zu werden. Diese Art Ängstlichkeit, Feigheit, Vermeidung von befürchteter Bestrafung – oder stiller Zustimmung – ist genau das, was Hitler triumphieren ließ.

Luna nickte ernst und sagte nichts. Wir saßen eine Minute in Stille. Dann stimmte sie meinen Beobachtungen und Sorgen zu. Ich fuhr fort:

„Vielleicht haben viele Mitglieder der Online-Gruppe diesen Austausch komplett verpasst. Vielleicht lasen sie das erst Wochen später, wenn überhaupt und hatten das Gefühl es sei zu spät um zu kommentieren, die Gruppe war weiter gezogen. Jeder redete bereits über anderes. Zwei Frauen schrieben mir privat, in Sicherheit, vorsichtig, aber sagten ihre Meinung zu diesem Thema nicht öffentlich, so dass alle es lesen konnten. Privat fragte ich eine Frau:

Was hätte Flo Kennedy (eine prominente afro-amerikanische Feministin) gesagt, wenn eine andere Feministin behauptet hätte, die Sklaverei habe es nicht gegeben oder wenn doch, dann hätte es nicht viel davon gegeben und dass mindestens 100 Weiße dabei gestorben seien schwarze Sklaven zu retten und überhaupt, Schwarze übertreiben heute das Ausmaß der Sklaverei, um Entschädigungen zu bekommen?“

Ihre Antwort: Flo hätte ihnen gründlich die Meinung gesagt und wäre ihrer Wege gegangen. Was wiederum nicht immer gut ist, wenn man mit geschätzten Kollegen in Kontakt bleiben und „Bescheid wissen“ will. Das ist die Gefahr dabei, wenn proisraelische oder israelische Professoren nicht eingeladen werden zu sprechen – oder wenn sie das nur unter extremer Feindseligkeit und Schikane tun können; wenn ihre Aufsätze von akademischen Zeitschriften nicht angenommen werden, ihre Projekte nicht finanziert werden usw.

Dann erzählte mir Luna eine Geschichte:

„Weißt du, Juden waren auch brutal anderen Juden gegenüber, die unter ihrer Knute standen. So schien es mir, als ich eine Jugendliche in den Lagern war. Ein Mann, ein Jude, wurde damit beauftragt zu selektieren, wer nach Auschwitz gehen würde. Ich hasste ihn. Aber er sagte mir, er wisse, wer ohnehin sterben würde und das seien die, die er versuchte auszusuchen.

Dennoch war das immer noch eine furchtbare Aufgabe, die er mit viel Elan durchführte. Aber es war kompliziert. Derselbe Kapo hatte die Aufsicht über die Baracken, wo die Kranken gelagert wurden. Das ‚Krankenhaus‘. Ich war dort, ich war ziemlich krank. Als die Russen kamen, um uns zu befreien, wusste er, dass man jeden töten würde, der krank war oder im Sterben lag. Er eilte herein und warf mich aus der Baracke. Das rettete mir das Leben. Als er dann wegen seiner Verbrechen vor Gericht gestellt wurde, weigerte ich mich gegen ihn auszusagen. Sie henkten ihn trotzdem.“

Und so ist es: Es ist kompliziert.

Welche brauchbaren Schlüsse kann ich daraus ziehen, wenn überhaupt? Dass eine dieser schweigenden Zuschauer-Frauen eines Tages einen Juden auf der Flucht verstecken könnte? Oder dass diese Frau mit polnisch-christlichen Vorfahren eines Tages ihre ignoranten und hasserfüllten Worte bereuen und versuchen könnte sie wiedergutzumachen? Ich weiß nicht mehr, wie ich mich zu denen stellen soll, mit denen ich einst ehrenvoll im Kampf eines anderen Krieges diente – die aber jetzt im Krieg gegen die Juden meine Gegner sind.

 

Übersetzt von Heplev - Unter den Augen der Polizei zeigen Teilnehmer des sog. "Quds-Marsches§ in Berlin den Nazi-Gruß.


Autor: Heplev
Bild Quelle: H. Raak / haOlam.de


Mittwoch, 16 September 2020