Interview: Der Iran nähert sich dem atomaren Durchbruch

Interview: Der Iran nähert sich dem atomaren Durchbruch


Der Präsident des MiddleEast Forums, Prof. Dr. Daniel Pipes, im Interview zur atomaren Bedrohung durch die Islamische Republik Iran.

Interview: Der Iran nähert sich dem atomaren Durchbruch

Global Review: Hat Putin das Gentleman's Agreement mit Netanyahu aufgekündigt, das der israelischen Luftwaffe eine fast freie Hand gegen iranische Aktivposten in Syrien gewährte?

Daniel Pipes: Es haben sich Gerüchte über eine solche Veränderung verbreitet, aber bisher hat der Kreml das nicht bestätigt. Ich finde es schwer mir vorzustellen, dass Moskau Israel wegen Syrien herausfordern will, für das es zweitrangiges Interesse hat, während es für Israel eine Priorität darstellt. Die Russen werden nicht für Assad und Khamenei in eine Konfrontation abgleiten.

GR: Ist Chinas 25-jährige, $400 Millionen Dollar-Vereinbarung mit dem Iran etwas Handfestes?

DP: Die Unterzeichnung von Vereinbarungen mit großen Versprechen und riesigen Summen ist viel einfacher als sie auch zu erfüllen. Jede Seite hat Anreize diese Partnerschaft zu verkünden, aber sie umzusetzen wird etwas ganz anderes werden; denken Sie nur an die Herausforderungen, denen der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor im Umfang von $62 Milliarden gegenüber sieht.

GR: Die Spannungen zwischen Israel und dem Iran nehmen zu: Der Hamas-Krieg, die Raketen schießende Hisbollah, Irans neuer Führer, Irans Drohnenangriffe auf Israelis gehörende Schiffe, das Drängen des Iran in seinem Atomanreicherungsprogramm. In Reaktion warnt Israel die Hisbollah und den Iran, während es die Administration Biden drängt ihre Politik zu verschärfen. Wohin führt das Ihrer Meinung nach?

DP: Zu dem, was in letzter Zeit als Schattenkrieg bezeichnet wird. Ich erwarte, dass das noch lange weiter geht, außer und bis die Israelis erwarten, dass ein nuklearer Durchbruch des Iran unmittelbar bevorsteht; an diesem Punkt wird es wahrscheinlich den Schatten verlassen.

GR: Israels Verteidigungsminister Benny Gantz erklärte am 4. August: "Der Iran hat alle Richtlinien verletzt, die im JCPOA festgelegt wurden und befindet sich etwa 10 Wochen vor der Beschaffung von waffenfähigem Material, das für Atomwaffen benötigt wird." Kommen wir jetzt in eine Krise?

DP: Das ist ein Wendepunkt, aber wohl keiner, der Israel zum Handeln provoziert; das wird vermutlich bis kurz vor einen atomaren Durchbruch dauern, der von Simon Henderson als der Moment definiert wird, "wenn ein Staat Atomwaffenfähigkeit als vollendete Tatsache erreicht, bevor er von diplomatischem Druck oder militärischem Handeln aufgehalten werden kann".

GR: Kann Israel die Atomanlagen des Iran ohne politische und militärische Unterstützung durch die USA angreifen?

DP: Eine Reihe Studien kamen von 2007 bis 2013 zu dem Schluss, dass Israels Streitkräfte schweren Schaden anrichten könnten, während sie auch zu dem Schluss kommen, dass sie die Infrastruktur nicht komplett ausschalten würden, wie sie es 1981 im Irak und 2007 in Syrien machten. Seit diesen Studien hat sich viel geändert, aber soweit ich es sagen kann, bleibt die Machtbalance grundsätzlich gleich. Daher ja, die israelischen Streitkräfte können wahrscheinlich diese Anlagen auf eigene Faust angreifen.

GR: Würde die US-Administration einen israelischen Angriffe (so wie 1981) verurteilen oder sich auf die Seite ihres Verbündeten stellen (wie 2007).

DP: Wie 1981 erwarte ich öffentliche Empörung und private Zufriedenheit.

GR: Wie würde Teheran auf einen israelischen Angriff reagieren?

DP: Anders als die Regierungen des Irak und Syriens würde es wahrscheinlich zurückschlagen, besonders, weil es bereits schätzungsweise 140.000 Raketen und Flugkörper im Libanon hat. Die einzige Frage lautet, würde die Hisbollah diesen selbstmörderischen Angriff mitmachen? Ich bin nicht sicher, dass sie das machen würde.

GR: Können Moskau und Beijing mit einem nuklearen Iran leben?

DP: Ihre Handeln legt nahe, dass sie das können. Sie scheinen anzunehmen, dass ein atomar bewaffneter Iran heute und in Zukunft nur für die Amerikaner ein Problem bleiben wird, nicht für die Russen und die Chinesen. Das ist eine sehr merkwürdige Annahme und das doppelt, wenn man sich daran erinnert, wie der Iran 1979 die Seiten wechselte.

GR: Kann Washington mit einem atomaren Iran leben?

DP: Jeder der vier letzten US-Präsidenten, davon zwei Republikaner und zwei Demokraten, hat gesagt, dass er das nicht kann. Was das in der Praxis bedeutet, ist nicht ausgetestet worden und wird es wohl auch nicht, weil das Problem wahrscheinlich zur Erledigung durch die Israelis ausgesourct werden kann.

GR: Kann Biden einen neuen Deal unter den aktuellen Bedingungen des Iran akzeptieren?

DP: Teherans Forderungen sind für die amerikanische Regierung aktuell inakzeptabel. Das könnte sich ändern, aber ich bezweifle das.

GR: Sollte die Administration Biden zur Politik Trumps des maximalen Drucks und der Abraham-Vereinbarungen zurückkehren?

DP: Ausdrücklich ja. Nur weil Demokraten Trump hassen, heißt das nicht, dass sie all seine Politik zurückweisen sollten. Einiges davon war ausgezeichnet.

GR: Würde ein atomarer Iran die Aufmerksamkeit der Amerikaner von der asiatischen Achse ablenken?

DP: Würde es, so wie der übrige Tumult im Nahen Osten, einschließlich weit verbreiteter Anarchie, türkischer Kriegslust, palästinensischen Irredentismus und fortgesetztem Jihadismus.

GR: Nimmt westliche Gegnerschaft zum Iran-Deal, dem JCPOA, zu? Zur Organisation United Against Nuclear Iran z.B. gehören der ehemalige Senator Joe Lieberman sowie August Hanning, der ehemalige Direktor von Deutschlands Bundesnachrichtendienst (BND).

DP: Ja, es gibt eine ziemlich übliche Auffassung, dass "wir nicht mehr 2015 haben", besonders wegen der vielen aggressiven Handlungen des Iran seitdem und weil die Sonnenuntergangs-Bestimmungen weit enger sind.

GR: Warum ist die Europäische Union, angeführt von Deutschland, so weich gegenüber dem Iran?

DP: Diese Weichheit ist das Ergebnis einer Mischung aus "Venus-Mentalität", die Europa seit 1945 beherrscht hat, und einem Focus auf wirtschaftlichen Nutzen. Die Verwandlung der Europäer von Welteroberern und Weltkriegs-Produzenten in ein weitgehend kleinlautes, zaghaftes und schuldbeladenes Volk ist erstaunlich. Das Fehlen militärischer Kraft, technischer Kreativität und wirtschaftlicher Dynamik lassen Europa weiter und weiter von seiner fünf Jahrhunderte anhaltenden globalen Dominanz zurückfallen.

 

Übersetzt von H. Eiteneier


Autor: Prof. Daniel Pipes
Bild Quelle:


Dienstag, 17 August 2021

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