One-Way-Ticket nach Ruanda

One-Way-Ticket nach Ruanda


Großbritannien schiebt ab heute illegal eingereiste Migranten nach Ruanda ab. Das Aufnahmeland bekommt dafür zunächst 120 Millionen Pfund (144 Mio. Euro).

One-Way-Ticket nach Ruanda

Von Claudio Casula

Die Vereinbarung mit dem ostafrikanischen Land sieht vor, dass illegal in Großbritannien angekommene Menschen ausgeflogen werden und im 6.500 Kilometer entfernten Ruanda Asyl beantragen können. Zuletzt hatten immer mehr illegale Migranten versucht, das Vereinigte Königreich über den Ärmelkanal oder in Lastwagen versteckt zu erreichen. Die Kosten für das Asylsystem betragen jährlich 1,5 Milliarden Pfund, allein die Unterbringung wohnungsloser Migranten in Hotels verschlingt jeden Tag 4,7 Millionen. Premierminister Boris Johnson sagte:

„Unser Mitgefühl mag unendlich sein, aber unsere Fähigkeit, Menschen zu helfen, ist es nicht. Wir können vom britischen Steuerzahler nicht verlangen, dass er einen Blankoscheck ausstellt, um die Kosten für jeden zu decken, der hierherkommen und leben möchte.“

Da Großbritannien durch den Brexit nicht mehr die Möglichkeit hat, von dem Dublin-Abkommen Gebrauch zu machen, kann es Migranten nicht mehr in die Ankunftsländer wie etwa Italien zurückzuschicken. Im Wahlkampf hatte Johnson daher versprochen, das Geschäftsmodell der „üblen Menschenschmuggler“ zu zerstören. Zwar protestieren erwartungsgemäß Zuwanderungslobbyisten und selbst ernannte Menschenrechtler gegen das Vorhaben, doch stellte der Premierminister klar: „Ruanda hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert, es ist ein ganz anderes Land, als es einmal war.“

Ruanda bietet den Abgeschobenen dauerhafte Bleibe im Land an. So sagte Außenminister Vincent Biruta, es gehe darum, sicherzustellen, „dass die Menschen geschützt und respektiert werden und die Möglichkeit haben, ihre eigenen Ambitionen zu verwirklichen und sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden.“ 

Beispiel Israel

Tatsächlich hat das ostafrikanische Land in den vergangenen Jahren mehr als 130.000 Flüchtlinge aus Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen und Afghanistan aufgenommen. Inspiriert mag Johnson von den Israelis worden sein, die zwischen 2014 und 2017 etwa 4.000 Migranten, vorwiegend aus dem Sudan und Eritrea, nach Ruanda und Uganda abgeschoben hatten. Sie waren vor die Wahl gestellt worden, entweder in ihre Heimat zurückzukehren, 3.500 Dollar und ein One-Way-Flugticket zu akzeptieren oder in den Knast zu wandern. Allerdings blieben die wenigsten Migranten in Afrika, die allermeisten versuchten, nach Europa zu gelangen.

Jetzt lässt sich das Vereinigte Königreich 120 Millionen Pfund kosten, die unerwünschten Dauergäste wieder loszuwerden. Offiziell bekommt Kigali das Geld für „wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum“. Von der Ausschaffung betroffen sind zunächst vor allem illegale Migranten, die sich seit Jahresbeginn im Land aufhalten und „mit illegalen, gefährlichen und unnötigen Methoden“ dorthin gelangt sind. Für jeden Einzelnen müssen nun 20.000 bis 30.000 Pfund ausgegeben werden, was allerdings deutlich weniger ist, als man für sie aufbringen müsste, wenn sie dauerhaft in UK blieben – von anderen Problemen, die mitunter durch illegale Einwanderung entstehen, nicht zu reden.

Das von London und Kigali vereinbarte Projekt soll über fünf Jahre laufen, wobei geplant ist, im vierten Jahr über eine Verlängerung zu verhandeln. Mit – auch juristischem – Widerstand von Aktivisten, die eben mit dem Versuch scheiterten, den ersten Abschiebeflug durch ein Gericht verhindern zu lassen, ist unterdessen zu rechnen. Gleichwohl befindet sich auch Dänemark schon länger in Verhandlungen mit Ruanda, um ein ähnliches Abkommen zu schließen. Wenn nicht Nancy Faeser vorher in Kopenhagen vorstellig wird, um den Dänen ihr Problem abzunehmen. Anders als der britische wird der deutsche Steuerzahler ja nicht gefragt, ob er Lust hat, für die dauerhafte Bleibe illegaler Migranten einen Blankoscheck auszustellen.

 


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Cooperazione, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Dienstag, 14 Juni 2022

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