Wie Muslime aufholen könnenWie Muslime aufholen können
Eine Trommelfeuer an Statistiken macht deutlich, dass zeitgenössische Muslime hinter andere Völker zurückgefallen sind, ob nun beim Thema Gesundheit oder Korruption, Lebensdauer, Bildung, Menschenrechte, persönliche Sicherheit, Einkommen oder Macht. Aber warum? Es gibt vier miteinander konkurrierende Erklärungen, die jede einiges an Auswirkungen mit sich bringt.
Von Prof. Daniel Pipes. Washington Times
Erstens: Die globale Linke und die Islamisten geben westlichem Imperialismus die Schuld. Für sie folgen die Beschwernisse von heute zwangsläufig den zwei Jahrhunderten nach 1760, als fast alle Muslime unter die Kontrolle von 16 mehrheitlich christlichen Staaten kamen (Großbritannien, Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Deutschland, Österreich, Italien, Griechenland, Russland, Äthiopien, die Philippinen und die Vereinigten Staaten).
Die Anschuldigung ignoriert allerdings zwei Fakten. Erstens hinkten Muslime lange vor 1760 in diesen Indizes einem Großteil der Welt hinterher – was zu erklären hilft, warum sie überhaupt unter christliche Kontrolle gerieten. Zweitens endete westliche Kontrolle vor rund sieben Jahrzehnten, was jede Menge Zeit bot um aufzublühen und Erfolg zu haben, wie es so viele nichtmuslimische Völker taten; vergleichen Sie Singapur mit Malaysia, Indien mit Pakistan, Israel mit den Palästinensern oder Nord- mit Süd-Zypern.
Zweitens: Dem Islam gegenüber feindselige Analysten neigen dazu die Religion für muslimische Beschwernisse verantwortlich zu machen. Sie schreiben die mittelalterlichen Erfolge der Muslime der Aneignung der Beiträge von gewaltsam unterworfenen Kulturen zu – den Römern, den Griechen, den Iraniern – und stellen damit den Islam als einen verdummenden Einfluss dar, der Auswendiglernen fördert, Fatalismus einprägt und Fanatismus ausbrütet. Aber auch das ist unlogisch: Wenn der Islam Muslimen erlaubte erfolgreich von anderen Zivilisationen zu übernehmen, wie kann er dann heute ähnliches Entleihen verbieten?
Ich persönlich trete für eine dritte Erklärung ein: dass mehrere Faktoren – besonders die Ablehnung originellen Denkens und die mongolische Invasion – den Niedergang der islamischen mittelalterlichen islamischen Zivilisation auslöste, gerade zu der Zeit, als Europa loslegte. Dann vereitelten eine ätzende gegenseitige Geringschätzung und Feindseligkeit, dass die Muslime von Christen lernten. Wäre die Moderne in China erfunden worden, wären die Muslime heute weit fortgeschrittener.
Diese wettstreitenden Interpretationen fallen einem ein, wenn man Islam, Authoritarianism, and Underdevelopment: A Global and Historical Comparison (Cambridge University Press, 2019)[*] liest, ein Buch, das eine wichtige vierte Erklärung anbietet. Ahmet T. Kuru, Professor für Politikwissenschaften an der San Diego State University, argumentiert, dass zu enge Beziehungen zwischen religiöser und politischer Obrigkeit während der letzten tausend Jahre die muslimische Kreativität unterdrückte und dass diese Koalition aufgebrochen werden muss, damit Muslime voranpreschen können. Seine These verdient ernsthaft über sie nachzudenken. (Die folgenden Zitate entstammen einer Inhaltsangabe seines Buches.)
Kuru erinnert zunächst daran, dass "ein gewisser Grad an Trennung zwischen der Ulema (den religiösen Führern, die das islamische Wissen, Bildung und Recht repräsentieren) und politischen Herrschern" das muslimische Goldene Zeitalter vom achten bis elften Jahrhundert kennzeichnete, als Muslime einen Reichtum und Macht genossen, die sie an die Spitze der Zivilisation setzten. Insbesondere "arbeitete die überwältigende Mehrheit der Ulema und ihrer Familien in Jobs, die nicht zur Regierung gehörten, vor allem im Handel". Die sich daraus ergebende religiöse und philosophische Vielfalt macht die frühen muslimischen Gesellschaften dynamisch.
Mitte des elften Jahrhunderts entstand "die Allianz aus Ulema und Staat im heutigen Zentralasien, dem Iran und dem Irak". Sie verbreitete sich dann nach Syrien, Ägypten und darüber hinaus, was die Ausgrenzung der intellektuellen und wirtschaftlichen Klassen verursachte. Im Gegenzug führte das zu einem Rückgang der muslimischen wissenschaftlichen Produktivität und der wirtschaftlichen Dynamik.
Beispielsweise entwickelten die Europäer um 1440 die Druckerpresse, aber es dauerte noch fast drei Jahrhunderte, bis Muslime ein Buch in arabischer Schrift druckten. Diese extreme Verzögerung folgte dem Fehlen der Abwesenheit "einer intellektuellen Klasse, die die wissenschaftliche Bedeutung der Druckerpresse würdigen konnte und einer kaufmännischen Klasse, die die finanziellen Möglichkeiten des Druck-Kapitalismus verstanden. Die Militärkommandeure in muslimischen Imperien sahen den Wert der Druckerpresse nicht und die Ulema betrachtete sie als Bedrohung ihres Monopols auf Bildung." Als Ergebnis druckten die europäischen Pressen im 18. Jahrhundert 20.000 Bücher für jedes einzelne, das im osmanischen Reich gedruckt wurde. Selbst heute machen arabische Bücher gerade einmal 1,1 Prozent der weltweiten Produktion aus.
Reformen des 19. Jahrhunderts gingen die Allianz aus Ulema und Staat nicht an und so schlugen sie fehl. Nachfolgenden Bemühungen erging es aufgrund einer Kombination aus militärisch geführter Expansion der Staatsmacht, Ausbreitung radikaler Ideologien und unserer säkularer Führer sogar noch schlimmer. Dann verhinderten unverhältnismäßige Kohlenwasserstoff-Einkommen "die Demokratisierung und schufen Rentenstaaten".
Im Blick voraus bietet Kuru den Muslimen vier ausgezeichnete Empfehlungen: Räumt die Probleme von Autoritarismus und Unterentwicklung ein; schiebt weder dem Imperialismus noch dem Islam die Schuld dafür zu; konzentriert euch auf den Schaden, den die Allianz aus Ulema und Staat bei Intellektuellen und Unternehmern anrichtet; und entwickelt Ideen für "wirtschaftliche Umstrukturierung auf der Grundlage produktiver Systeme, die Unternehmertum fördern."
Werden die Muslime diesen weisen Rat beherzigen? Die Geschichte legt leider nahe, dass sie das nicht tun werden.Daniel
Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
© 2022 by Daniel Pipes. Alle Rechte vorbehalten. - Übersetzt von H. Eiteneier
Autor: Prof. Daniel Pipes
Bild Quelle: © Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Montag, 01 August 2022