Causa Döpfner

Causa Döpfner


Fall Döpfner: Zwischen Bashing und Orden à la Kohl, Weizsäcker und Merkel

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Von   Lutz-Maria  Haberstroh-Abendroth, Berlin

Dammbruch an allen Fronten, an allen Ecken und Kanten, das Springer-Haus steht Kopf, Berlins Staatsanwaltschaft kommt mit den Aktenzeichen kaum  hinterher,  und Arbeitsrichter (links-grüner Tendenzen stets verdächtig) müssen zwischen zwei Ex-Blutsbrüdern entscheiden: In der Causa um Mathias Döpfner, den „shooting star“ des internationalen Verlagswesens und Hochschul-Professorensohn  aus dem traulichen Bonn („Ich habe nichts geerbt“, so in einem Interview), geht es hoch her. Um seinen Ex-Freund Julian Reichelt, heute Video-Verströmer mit reich-lich Abo-Publikum, nicht weniger:

Springer fordert dessen Millionen-Abfindung zurück, klagt wegen Bruchs des Aufhebungsvertrages und Reichelts offenbar untersagte Abwerbung von Springer-Leuten.

Wahrlich: Drama pur.

Erst die von der ZEIT genüßlich vor ihren 500 000 Abonnenten ausgebreiteten, nächtlichen Sprach-Exzesse von Döpfner (unter der Schlagzeile „Stimmt!“ in der BILD von ihm eingeräumt) – von Trump-und-FDP-Lob bis zu Merkel als „Sargnagel der Demokratie“  bislang unvorstellbare Blendgranaten  im Stil von AfD-Sprech – am Wochenanfang nun die schweren juristischen Konter des Hauses gegen Döpfners Ex-Intimus Julian Reichelt:

 Nur einen Steinwurf vom Springer-Haus entfernt residiert der Ex-Liebling von MD und offenbar Empfänger der Mail-.Nachricht „Noch wach?“ in Berlin-Kreuzberg. Ohnehin Tummelplatz aller  „ bunten Hunde“ der Stadt, von Kreuz-und-Quer-Denkern, von Zeitgeist-Spürnasen und gewieften Medien-Profis.

Wie Reichelt eben.

Ein absolutes Geistes-Kind von Döpfner.

 

Versuchen wir – den Versuch zu wagen, zwischen all den Aufgeregt- und Un-Gereimtheiten, herzhaften Vorwürfen, Billig-Phrasen, Ablenkungs-Manövern und blankem Entsetzen – wahlweise  fassungslosem Kopfschütteln - eine gewisse Linie zu ziehen. 

Kopfschütteln – wie es vermutlich Friede Springer, die 3,1-Milliarden-Vermögenseigentümerin (so eine Schätzung aus 2022) in diesen Tagen rund um den 111.Geburtstag von Axel Springer  heimsucht – die gutbürgerliche Gärtnereibesitzers-Tochter der Familie Riewerts aus dem verträumen Dörfchen  Oldsum auf der Insel Föhr (nach jüngster Touri-Werbung die „friesische Karibik“). So, wie man dort dem Vodoo-Kult frönt, muß ihr das aktuell Erlebte vorkommen: Der wohlerzogenen Tochter aus gutem Hause  und Axel Springers 30 Jahre jüngerer,  fünfter Ehefrau muß  Döpfners mitunter durchaus obszönes Vokabular  ein Gräuel sein.

 Aber ihr sind im Prinzip die Hände gebunden:  Ihr Alles-über-Alles geliebter Zieh-Sohn – tiefenpsychologisch ein äußeres, von ihr vergöttertes Abbild von Axel S. – bekam von ihr, womit der stets hochambitionierte Ex-FAZ-Musikkritiker in seinen kühnsten Karriere-Träumen nicht rechnen konnte: Millionenfache Anteile an der früheren Springer AG, Vollmachten, mit 38 (!) Jahren den Vorstandsposten – eben alles für ihren Mathias D.

Aber  dieses mutmaßliche  Pech-und-Schwefel-Jahr 2023 für Ansehen, Image und Ruf des Hauses begann eigentlich mit einem positiven medialen Pauken-Schlag:

Vor exakt drei Monaten, am 23.Januar 2023,  führte die gute alte Deutsche Presse-Agentur mit dem Konzern-Herrn ein ausführliches Interview: „Wo steht Springer in fünf Jahren, Herr Döpfner?“, lautete die Schlagzeile. Und der Befragte konnte Zahlen liefern, die dem Laien die Sprache verschlagen:

Zweistelliges Wachstum in Folge, knapp v i e r Milliarden Euro Umsatz (vor 20 Jahren noch 200 Millionen Euro Verlust, wie der Interviewte  beiläufig einflocht), ca. 750 000 Millionen Euro Rein-Gewinn, Nummer 4 in den USA,  3400 Journalisten allein in den Staaten, endloses Wachstum jenseits des Atlantik. Bei Döpfner klang das so: „Von Platz 4 kann man auf 3, von 3 auf 2, vielleicht sogar eines Tages von 2 auf 1.“ Für ihn, den Boss, offenkundig keine Schimäre – sondern gelebte Zukunft in der Neuen Welt.

Ach ja, dann stellten die dpa-ler dem eben 60jährigen „best ager“ noch eine Schlußfrage, die aus heutiger Sicht geradezu prophetisch klingt:

„Gab es schon einmal den Moment, an dem Sie dachten, sich aus dem aktiven Management zurückzuziehen?“

Döpfner entgegnete, fast  staatsmännisch von  der eigenen Mission überzeugt: „Nein, den gab es nicht. Ich habe noch einiges vor.“

Das klingt nach all dem, was seit den Iden des März durch Germaniens Medien-Wald rauscht, leicht bizarr.

Denn logischerweise schwangen Kritiker (hinter vorgehaltener Hand auch im eigenen Haus zu Hause)  bundesweit in den Redaktionsstuben die publizistische Geißel: Aber auch aus dem politischen Raum kamen Einsprüche – von CDU bis Linke. Vor allem Döpfners Bashing der Ostdeutschen als „Kommunisten oder Faschisten“ reizte  gewiß auch Millionen von Ex-DDR-Bürgern, die sich eigentlich „im Westen“ willkommen fühlen müßten/sollten/möchten – wie man will.

Auch die Nachfahren von Rudolf Augstein, mit dem sich Döpfner von Format und Fortune her allenfalls vergleichen ließe, verschossen mächtiges Pulver: Markus Feldenkirchen im  SPIEGEL: „Döpfner gibt einen Stuss von sich, der mit dem Begriff Verschwörungstheorie fast noch geadelt wäre, in Wahrheit aber nur gequirlter Mist ist…auch wer auf großem Fuße steht, kann ein Spatzenhirn haben.“ Die Wortwahl erinnert an Ex-SFB-Intendant Lothar Loewe, der einst Inhalte seines links-dralligen Berlin-Senders als „gequirlte Sch….“ verdammte.

Die Wunde, von den ZEIT-Entblößungen aufgerissen (aus wessen vermutlich noch weiter gefüllter Schatzkiste, wohl?), läßt sich nur schwerlich heilen: Auch wenn Döpfner prompt in der eigenen Hauspostille BILD speziell die Ost-Äußerungen als „Unsinn“ deklarierte

Der Mann  – über die Jahre im Prinzip ein Lieblingskind der Medien: Immer jovial, freundlich, ein Zwei-Meter-Chevalier vom Scheitel bis zur Sohle, charmant, charismatisch, notensicher Klavier spielend, aus dem Stegreif pointierte Reden haltend (was Friede S. besonders an ihm mochte ) – und hoch angesehen. Weltweit – und sensationell nachzulesen – im Einklang mit mächtigen, einflußreichen Gremien und Zirkeln der bürgerlich-westlichen Welt. Nicht nur beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos oder den geheimnisvollen Bilderberg-Konferenzen.

Ihn zudem im selben Atemzug mit Richard von Weizsäcker, Helmut Kohl und Angela Merkel zu wissen,   überrascht immerhin:

Aber „B`nai B`rith, die internationale große Gemeinschaft der jüdischen Welt mit rund 500 000 Mitgliedern in rund 60 Staaten,  zeichnete Döpfner bereits 2014 – also keineswegs in seinem Macht-Zenit – mit dem „Europe Award of Merit“ aus. Weizsäcker bekam diese äußerst seltene Ehrung 1991, also in seinem siebenten Bundespräsidenten-Jahr, Kanzler Helmut Kohl 1996 und Angela Merkel 2008.

Was für ein erlauchtes Trio – durch den Rheinländer D. zum wahren deutschen Quartett erhoben – „german spirit“, à la bonheur.

Meine Güte.

Diese hervorgehobene Ehrung - ein untrügliches Gespür für Döpfners  heraufziehende  Bedeutung, den visionären Aufsteiger - eine eindrucksvolle Geste gegenüber Axel Springer, dem Israel-Freund und Verteidiger der jüdischen Welt? Vielleicht beides – jedenfalls steht Döpfner hier in einer fast historischen Reihe – im jugendlichen Alter von 51 Jahren!

Und über fehlende Verteidiger in der aktuellen mißlichen Lage kann sich der Potsdam-Freund – Liebhaber des damals recht heruntergekommenen Charmes der Hohenzollern-Residenz zu Nach-Wende-Zeiten – nicht beklagen.

Wenn er nächtens am Ufer des romantischen Heiligen Sees mitten in der Parklandschaft von „potztupimi“ an seinem Schreibtisch sitzt, kann Döpfner in Ruhe lesen, was seine Befürworter zu Papier bringen:

Darunter beispielsweise Jan Fleischhauer (Focus), selbst 30 Jahre beim SPIEGEL. Er notierte streitbar:  „Darf man Ostdeutsche als Faschisten und intolerante Muslime als Gesocks bezeichnen? Natürlich darf man das. Es ist ungerecht, es ist unmanierlich, aber solange man damit nicht an die Öffentlichkeit tritt, liegt kein Grund für irgendwas vor. Wie heißt es so schön: Die Gedanken sind frei. Private Mails und Textnachrichten sind es auch.“

Und weiter: Döpfner sei eben „kein so beherrschter Mensch wie seine Journalistenkollegen.“ Er habe, wie man spätestens jetzt wisse, „ein überraschend entflammbares Temperament, das sich gelegentlich auch in Flüchen und Schimpfkanonaden entlade“.

Und Gabor Steingart,selbst 20 Jahre beim SPIEGEL, heute Betreiber von PIONEER (Minderheits-Gesellschafter Axel Springer), vergleicht Döpfner mit seinem Ex-Chef Rudolf Augstein: „Er ist nicht minder ruppig und nicht minder eindeutig gewesen.Er hätte in einem wie Döpfner nicht den Aussätzigen gesehen, sondern den Bruder im Geiste.“

Wir können nicht wissen, ob der Medien-Pionier damit Recht hat. Aber Steingart treibt es noch weiter: „Döpfners Texte, auch seine SMS-Prosa, lesen sich würziger und kantiger als viele deutsche Leitartikel.“ Dies wüßten die „Verfasser labriger Texte sehr genau“. Deshalb werde Döpfner gehaßt: „Seine Nudel ist al dente. Ihre hängt schlapp und schläfrig über der Gabel.“

Soweit soviel Feinsinn auf Küchen-Niveau.

Auf den Punkt brachte es vielleicht Hajo Schumacher, die Edel-Feder der einst zu Springer gehörenden BERLINER MORGENPOST: Er fragte sich: „Möglich, dass Döpfner zum Opfer seines Machthungers geworden ist. Psychologen bewerten Macht als eine tückische Droge, die bei übermäßigem Gebrauch die Persönlichkeit verändert. Die Forschung weiß: Je mehr Macht jemand hat, desto weniger schert er sich um soziale Normen und Gesetze.“

Punkt. Nun wissen wir es.

Aber kommen wir zum Finale.

Vielleicht hilft es, sich die nächtliche Situation bei den vermutlich weit vor Tau und Tag hastig ins Smartphone getippten Nachrichten vorzustellen -  getreu Heinrich Heines Reim „Mitternacht zog näher schon, in stiller Ruh lag Babylon“. Wobei Döpfners Babylon um die Ecke von Berlin liegt, im strahlend-schönen Potsdam. „Noch wach?“ betitelte  Benjamin von Stuckrad-Barre seinen soeben erschienenen Roman – eine kaum verhüllte Story rund um die Springerschen Eruptionen der Gegenwart. Des Vorsitzenden  eng vertrauter Ex-Spezi – unvergeßlich seine Texte für Döpfners grandiose Idee einer Revue zum 100.Geburtstag Springers 2012 mit Herbert Knaup als Verleger, Opern-Diva  Leslie Malton als seine Frau Friede und zwei gewiß auskömmlich dotierten Solo-Auftritten von Udo Lindenberg und Max Raabe.

Stellen wir uns bildlich vor – wie ein Video, die neue Sprache des Journalismus, ginge es nur nach Döpfner.

Der Hüne  in seiner Villa am Potsdamer Heiligen See – am selben Ufersaum residiert  Günther Jauch in seinem rötlichen Beton-Neubau,  früher auch Mode-Papst Wolfgang Joop (zu DDR-Zeiten die britische Militärmission) und so mancher extrem vermögende Auch-Neu-Anrainer und Zuwanderer aus allen deutschen Gauen in  der vor Historie überbordenden alten Monarchie-Metropole: Döpfners  Blick geht durch die Schatten der Nacht hinüber zum Marmorpalais, einst Sitz von des Alten Fritzen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. – zu Ost-Zeiten Armee-Museum der DDR mit russischen Panzern vor der Tür, heute womöglich im Ukraine-Einsatz…

„Im Kreml brennt noch Licht“, dichtete einst SED-Lyriker  Erich Weinert -  auf Stalin bezogen. Nun leuchten – um im Bild zu bleiben – einige Lichter vom Palais hinüber in Döpfners  Arbeits-Salon. Nur wenige hundert Meter entfernt residierte  einst die Mätresse des Königs, die „Schöne Wilhelmine“, die ihrem Liebhaber sechs Kinder gebar. Sie bekam vom König, zur „Gräfin von Lichtenau“ erhoben,  das gleichnamige Palais, ebenfalls nahe dem Seeufer hinter der Gotischen Bibliothek, deren Millionen-Sanierung einst der spendable, von Bundeshilfe ernährte Senat von Eberhard Diepgen zur 1000-Jahr-Feier Potsdams 1993 der brandenburgischen Hauptstadt schenkte.

Das waren noch Zeiten.

Manch Preußisches, viel Gesamt-Deutsches, aber noch wesentlich mehr Welt-Weites – all dies mag Döpfner durch den Intellektuellen-Kopf gegangen sein, wenn er seine Mails hinaus  in den geliebten digitalen Äther simste -  Gedankenblitze, Momentaufnahmen der gefühlten Wirklichkeit.

Auch in knappsten  Kurz-News macht sich die semantische Provokation gut – welcher Journalist wüßte das nicht.

Auf manche seiner rasanten Sätze angesprochen (oder besser auf Neu-Deutsch „angemailt“) hätte er vielleicht bißwütig geantwortet:

„F… you, eh…“

Denn ein Schuß von Jugend-Sprache kommt immer gut.

Noch wach, lieber Leser?

Na, hoffentlich.

 

(PS: Am kommenden Dienstag trifft sich die gesamte Springer-Elite in Washington – sicherlich nicht, um Joe Bidens Präsidenten-Kandidatur zu kommentieren. Man will über „Künstliche Intelligenz“ (KI) und ähnliche moderne Zwangs-Themen reden – aber dies bleibt kein Kaffeekränzchen. In Berlin ist zuviel geschehen, zu vieles ungesagt, zu vieles offen – eine gewisse Munterkeit dürfte dem Meeting eigen sein – mal sehr verkürzt.)


Autor: Redaktion
Bild Quelle: usbotschaftberlin, Public domain, via Wikimedia Commons


Donnerstag, 27 April 2023

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