Mein Vorfahr, der sich in einem Sarg tot stellte, um Aliyah zu machen

Mein Vorfahr, der sich in einem Sarg tot stellte, um Aliyah zu machen


s geht die Geschichte um, dass mein Urururgroßvater Mordechai Schmuel Yanovsky in den Hafen von Jaffa mit einem Sarg sich tot stellend einfuhr, seine Frau, meine Urururgroßmutter Taibe Leah spielte die trauernde Witwe. Laut meiner heute 96-jährigen Cousine zweiten Grades kam unser Vorfahr durch und durch israelisch, unser Vorfahr kam in einem Sarg ins Heilige Land, weil die Türken jüdischen Männern es nicht erlaubten nach Israel einzureisen.

Mein Vorfahr, der sich in einem Sarg tot stellte, um Aliyah zu machen

Von Varda Meyers-Epstein (Judean Rose), Elder of Ziyon

Ich erwähnte das gegenüber einer israelischen Zeitgenossin, der spottete: „Von sowas habe ich nie gehört. Viele jüdische Männer kamen im 19. Jahrhundert offen nach Israel, als unser Land von den osmanischen Türken besetzt war.“

„Entweder stimmt die Geschichte nicht – oder es muss einen anderen Grund dafür geben, der mir nicht bekannt ist.“

Ich war durchaus bereit zu akzeptieren, was sie sagte und auf sich beruhen zu lassen. So viele unserer Geschichten, die der ein oder andere Verwandte über unsere Familie erzählte, hat sich als ausgeschmückt oder schwer zu verifizieren herausgestellt. Wenn ich Leute von Mordechai Schmuel erzähle, der den Toten spielte um nach Israel einzureisen, dann lachen sie unweigerlich, stellen sich ihn als eine Art Springteufel vor, der aus der Kiste kommt, um zu sehen ob die Küste frei war. Das lässt mich glauben, dass die Geschichte erfunden ist. Denn sie scheint wirklich lächerlich. Dennoch wäre es schön darin irgendwo ein Körnchen Wahrheit zu finden – und vielleicht habe ich das.

In Old Yishuv: Palestine at the End of the Ottoman Period (Der alte Jischuw: Palästina am Ende der Osmanenzeit) schreibt die Historikerin Margalit Shilo über die Überzahl an Frauen, besonders Witwen, im damaligen Palästina:

Bevölkerungszählungen der Juden in Palästina am Ende der Osmanenzeit offenbaren, dass die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung weiblich war. Der Demograf und Statistiker Uziel Schmelz fasste die aus verschiedenen Zählungen des 19. Jahrhunderts zusammen: „1839 waren 49 Prozent aller jüdischen [erwachsenen] Frauen [in Jerusalem] Witwen und 1866 waren es 36 Prozent. … Es gab einen beträchtlichen Frauenüberschuss in der Erwachsenen-Bevölkerung [Jerusalems].“ Laut der Berechnungen von Schmelz auf Grundlage einer Schätzung von 1905 betrug die Zahl jüdischer Frauen ab 60 zweimal so viel wie der der gleichen Gruppe von Männern. Schmelz schreibt das zwei Faktoren zu: a) als Witwen konnten jüdische Frauen zum ersten Mal entscheiden, was sie mit ihrem Leben Anfangen; und b) die Sterblichkeit der Männer infolge ihres höheren Altes als Ehemänner im Vergleich zu ihren Frauen und der höheren Lebenserwartung der Frauen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Abnahme bei der Zahl der Witwen.

Mit der Art der Einreise meines Urururgroßvaters ins Land im Hinterkopf fragte ich mich, ob all diese Frauen in der Volkszählung wirklich Witwen waren. Könnte es sein, dass sie sich als Witwen registrieren ließen, aber in Wirklichkeit alle Ehemänner hatten, die sich tot gestellt hatten, um ins Land Israel zu kommen, damit die Türken das nicht wussten? Das scheint unwahrscheinlich.

 

Gleichzeitig scheint die von mir hinzugezogene Freundin, die sagte, meine Familiengeschichte sie „falsch“ sich der Tatsache nicht bewusst zu sein, dass die Türken 1881 beschlossen gegen jüdische Zuwanderung zu sein, wozu sie die Unterstützung von Zar Alexander II. hatten. In Ottoman Policy and Restrictions on Jewish Settlement in Palestine: 1881-1908: Part I schreibt Neville J. Mandel (Hervorhebung hinzugefügt):

Periodisierung in der Geschichte ist willkürlich, aber für die Juden des zaristischen Russlands, bereits eine unglückliche Gemeinschaft, leitete die Ermordung von Zar Alexander II. 1881 eine neue schmerzhafte Ära ein. Den Pogromen nach seinem Tod folgten die berüchtigten „Mai-Gesetze“ von 1882, die die wirtschaftliche Diskriminierung der Juden verstärkte. Die körperliche wie intellektuelle Diskriminierung Aufregung in der jüdischen Gemeinschaft nahm zu. Viele fingen an wegzugehen – hauptsächlich nach Amerika – und nicht wenige begannen ernsthaft über jüdischen Nationalismus nachzudenken, mit dem Ergebnis, dass die Bewegung „Die Zion lieben“ gewann an Boden. Einige von ihnen, ob aus Gründen rein physischer Sicherheit oder aus Nationalismus oder einer Kombination von beidem, dachten daran ein Zuhause im Osmanischen Reich zu finden. Die Hohe Pforte war über diese Tendenzen und ihre ansteckenden Auswirkungen auf andere Juden, besonders in Österreich-Ungarn, bestens informiert. Außerdem beschloss die Pforte im Herbst 1881 gegen jüdische Siedlung in Palästina zu sein, einige Monate bevor der Zustrom von Juden in diese Richtung in Gang begann…

Bei näherer Betrachtung war die Kenntnis der Pforte zu den Trends unter den Juden in Osteuropa war nicht so überraschend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Angesichts der aggressiven Absichten Russlands und Österreich-Ungarns das 19. Jahrhundert hindurch hatte die Pforte guten Grund zu versuchen über die Ereignisse dieser rivalisierenden Reiche auf dem Laufenden zu bleiben. So berichteten seine diplomatischen Vertreter in St. Petersburg und Wien unter anderem regelmäßig über jüdische Angelegenheiten und es gibt sogar eine Akte in den Verzeichnissen des osmanischen Außenministeriums unter dem Eintrag Russland mit dem Titel „Lage [der] Juden; Frage ihrer Einwanderung in die Türkei: 1881“.

Darüber hinaus hatte es in der Sache einige direkte Ansprachen bei der Hohen Pforte gegeben. 1879 hatte Laurence Oliphant, ein englischer Schriftsteller, Reisender und Mystiker, einen Plan eingereicht, wie die Juden auf der östlichen Seite des Jordan angesiedelt werden könnten. 1881 schickte eine Gruppe englischer und deutscher Geschäftsleute einen Repräsentanten, um mit der Regierung über eine Genehmigung zu verhandeln eine Eisenbahn von Smyrna nach Bagdad zu bauen; sie schlugen vor an der Strecke Juden anzusiedeln. Ihr Repräsentant traf den Außenminister, der laut Berichten von Reuters jüdische Zuwanderung ins Reich befürwortete. Der Ministerrat dachte über die Frage nach und im November 1881 wurde verkündet:

[Jüdische] Zuwanderer werden in der Lage sein sich in verstreuten Gruppen überall im Reich niederzulassen und osmanische Untertanen zu werden, außer in Palästina. Mit der zunehmenden Zahl von russischen Juden, die im osmanischen Generalkonsulat von Odessa Visa für die Einreise nach Palästina beantragen, wurde ein paar Monate später, am 28. April 1882, die folgende Mitteilung vor seinem Büro angebracht:

Die osmanische Regierung informiert alle [Juden], die in die Türkei immigrieren wollen, dass ihnen nicht erlaubt ist sich in Palästina niederzulassen. Sie dürfen in die anderen Provinzen [des Reichs] einwandern und sich nach Belieben niederlassen, vorausgesetzt, dass sie osmanische Untertanen werden und die Verpflichtung akzeptieren die Gesetze des Reichs einzuhalten.

Die ausdrückliche Ausnahme Palästinas hatten die Juden nicht erwartet. Für sie schien es schwer zu glauben, dass die osmanische Regierung mit ihrer Geschichte der Gastfreundschaft gegenüber den Juden seit ihrer Vertreibung aus Spanien im 15. Jahrhundert den Juden jetzt verbieten würden sich in Palästina niederzulassen. Als das in Odessa verkündet wurde, befand sich Laurence Oliphant im Auftrag des Mansion House Committee in Osteuropa; das war eine britische Organisation, die sich mit Hilfe für die verfolgten Juden aus Russland und Rumänien kümmerte. Die Juden, die er traf, überzeugten ihn nach Konstantinopel zu reisen um mehr über die Politik der Pforte herauszufinden und, wenn möglich, die Erlaubnis zu erhalten, dass sich zahlreiche Juden in Palästina niederlassen können. Gleichzeitig, wenn auch unabhängig von Oliphant, wurde das Zentralbüro einer der ersten Gruppen der „Liebhaber Zions“ von Odessa nach Konstantinopel verlegt, in der Hoffnung eine Bewilligung für Land in Palästina für dreihundert Siedler zu erhalten. Dann kam Anfang Juni Jacob Rosenfeld, der Herausgeber von Razsvet (einer jüdischen Zeitung in St. Petersburg, die mit den „Liebhabern Zions“ sympathisierte) nach Konstantinopel, um die Lage ebenfalls zu untersuchen.

In Konstantinopel fand Oliphant rund zweihundert jüdische Flüchtlinge vor. Er entdeckte auch, dass sie bei der Einreise ins Reich verpflichtet waren die osmanische Nationalität anzunehmen und erklärte nicht nur, dass sie die Gesetze des Reichs vorbehaltlos anerkennen, sondern auch, dass sie sich nicht in Palästina niederlassen würden. Oliphant wandte sich an den amerikanischen Minister an der Pforte, um herauszufinden, ob er bereit sein würde zu versuchen die Situation zu klären. Als General Wallace sagte, er könnte das nur tun, wenn eine Anfrage von den Juden selbst käme, schickte Oliphant ein Telegramm an Juden, die er in Bukarest getroffen hatte und so beeilte sich eine weitere Delegation, die nach Konstantinopel eilte, um Erlaubnis für Juden sich Palästina niederzulassen.

General Wallace traf sich am 6. Juni mit dieser Delegation und ein paar Tage später sprach er mit dem osmanischen Außenminister, der bestätigt, was bereits bekannt war. Es lief alle auf dasselbe hinaus. Eingewanderte Juden waren im Reich willkommen, aber nicht in Palästina; sie konnten sich in kleinen Gruppen niederlassen, vorausgesetzt (a) sie geben ihre ausländische Nationalität auf und wurden osmanische Untertanen und (b) sie strebten keinerlei Sonderprivilegien an, sondern gaben sich damit zufrieden an die bestehenden Gesetze gebunden zu sein.

Auftritt Herzl:

Die osmanische Politik bleibt die 1880-er Jahre hindurch und die erste Hälfte der 1890-er Jahre konstant und bis Theodor Herzls berühmten, im Februar 1896 veröffentlichten Broschüre „Der Judenstaat“ wahrscheinlich keiner grundsätzlichen Überprüfung unterzogen. In dieser Broschüre brachte Herzl den jüdischen nationalen Bestrebungen konkreter Ausdruck, und argumentierte (wie im Titel angedeutet), dass das „jüdische Problem“ nur durch Gründung eines jüdischen Staates gelöst werden könne, möglicherweise in Palästina, aber auch eventuell woanders, in dem Juden in Freiheit und Würde leben konnten. Diese Broschüre führte direkt zur Bildung der zionistischen Bewegung 1897 mit Herzl an der Spitze.

Es wird allgemein nicht gewürdigt, dass Herzl ein Jahr vor dem ersten zionistischen Kongress die Hohe Pforte auf sich und seine Ideen aufmerksam machte. Er machte das, indem er im Juni 1896 nach Konstantinopel reiste und Kontakt nicht nur mit mehreren ranghohen Personen aufnahm, sondern auch über einen Vermittler mit dem Sultan. Da sie eine eindrucksvolle Ignoranz der osmanischen Befindlichkeiten zeigten, waren Herzls Ideen nicht darauf angelegt bei der Pforte Anklang zu finden. In einer Zeit, als der Zugriff der Regierung auf ihre verbliebenen Gebiete auf dem Balkan alles andere als gesichert war und der Sultan von den Jungtürken mi Ausland wegen der „Zerstückelung“ des Reichs angegriffen wurde, bat Herzl darum, dass Palästina mit offiziellem Segen in Form dessen, was er eine „Charta“ nannte, den Juden eingeräumt werden sollte. Und in einer Zeit, in der die Regierung mehr als genug mit starker Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zu tun hatte, darunter der Kontrolle seiner öffentlichen Schulden seit 1881, hoffte Herzl, dass sein jüdischer Staat den Schutz der Großmächte genießen würde. Im Tausch für Palästina bot er schwammig an ‚die gesamten Finanzen der Türkei‘ für ‚Seine Majestät, den Sultan zu ordnen‘.

„Seine Majestät, der Sultan“ war eine rätselhafte Person, Abdulhamid II., der 1876 an die Macht kam. Seine Präsenz und Persönlichkeit können nicht ignoriert werden, denn obwohl der Ministerrat sich ab 1881 mit der Frage der jüdischen Siedlung in Palästina beschäftigte, wurden Macht und Politik im osmanischen Reich mehr und mehr von Abdulhamid bis zur Jungtürken-Revolution von 1908 beeinflusst und später komplett kontrolliert. Abdulhamid wusste wahrscheinlich schon sehr früh vom zunehmenden Zustrom jüdischer Immigranten nach Palästina. Entsprechend seinem Charakter scheint seine Haltung eine von Argwohn und Ambivalenz gewesen zu sein. 1881 wurde von ihm berichtet, er befürworte den anglo-deutschen Vorschlag Juden entlang der vorgeschlagenen Eisenbahnlinie von Smyrna nach Bagdad anzusiedeln; und er soll gesagt haben, er habe die rumänische Delegation empfangen, die im folgenden Sommer nach Konstantinopel kam (allerdings sind die Belege dafür schwach).

1891 sagte er allerdings der militärischen Beraterkommission im Yildiz-Palast:

Diesen Juden den Status [osmanischer] Untertanen zu verleihen und sie anzusiedeln, ist höchst schädlich; und da es in der Zukunft das Thema einer jüdischen Regierung aufwerfen könnte, ist es zwingend erforderlich sie nicht zu akzeptieren.

Und 1892 sagte der osmanische Hochkommissar in Ägypten dem britischen Generalkonsul Sir Evelyn Baring, dass der Sultan von einem Versucht beunruhigt war Juden an der Ostküste des Golfs von Aqaba anzusiedeln. Aber im folgenden Jahr scheint Abdulhamid die Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben Juden zu erlauben sich anderswo niederzulassen, denn er sagte dem Haham Baschi (dem Oberrabbiner des Reichs), er sei bereit russischen und anderen unterdrückten Juden Zuflucht im Reich anzubieten, insbesondere in Ostanatolien, damit sie ihm zusammen mit osmanischen Juden eine Streitmacht von 100.000 Soldaten zur Verfügung stellen könnten, die der Vierten Armee angeschlossen werden sollten. Dieser Vorschlag wird vom Haram Baschi und seiner Rabbinerrat begrüßt, aber daraus wurde nichts, denn laut des türkischen (jüdischen) Historikers Abraham Galante hielt der Ministerrat ihn für unklug – vermutlich aus den oben umrissenen Gründen.

1896 traf Theodor Herzl Philipp Michael de Newlinski, einen polnischen Aristokraten, der einmal in der österreichisch-ungarischen Botschaft in Konstantinopel gearbeitet hatte und von Abdulhamid für diplomatischer Sonderaufträge beschäftigt wurde. In Juni reiste Herzl mit Newlinski nach Konstantinopel. In dem Zug stellte Newlinski Herzl Tevflk Pasa (dem osmanischen Botschafter in Belgrad), Karatodori Pasa und Ziya Pasa (beide als „Elder Statesmen“ beschrieben) vor, die nach der Krönung von Zar Nikolaus II. nach Konstantinopel zurückkehrten. Herzl erklärte Ziya Pasa sein Projekt, der zustimmte, dass die „Vorteile in Geld und Presseunterstützung, die Sie zusichern, sehr groß sind“. Aber er warte: „Niemand wird mit Ihnen ins Gespräch kommen wollen, wenn Sie ein unabhängiges Palästina fordern.“

Einen Tag nach der Ankunft von Herzl und Newlinski in Konstantinopel sagte Abdulhamid letzterem:

Wenn Herr Herzl ein so guter Freund von Ihnen ist, wie sie der meinige sind, dann rat ich ihm in dieser Sache keine weiteren Schritte zu unternehmen. Ich kann keinen Zentimeter Land verkaufen, denn es gehört mir nicht, sondern meinem Volk. Mein Volk hat dieses Reich über Kampf mit seinem Blut gewonnen und es mit seinem Blut gedüngt. Wir werden es wieder mit unserem Blut bedecken, bevor wir erlauben, dass es uns entrissen wird. Die Männer zweier meiner Regimenter aus Syrien und Palästina ließen sich einer nach dem anderen bei Plevna töten. Keiner von ihnen gab nach; sie alle gaben auf diesem Schlachtfeld ihr Leben. Das türkische Reich gehört nicht mir, sondern dem türkischen Volk. Ich kann keinen Teil davon weggeben. Lass die Juden ihre Milliarden sparen. Wenn mein Reich geteilt wird, können sie Palästina umsonst bekommen. Aber nur unsere Leiche wird geteilt. Ich werde einer Vivisektion nicht zustimmen.

Am 29. Juni 1882 segelte die erste winzige Gruppe „Liebhaber Zions“, ganze 14 Personen, von Konstantinopel nach Jaffa. Am selben Tag telegrafierte die Pforte dem Mutasarrif von Jerusalem den Befehl, keine russischen, rumänischen oder bulgarischen Juden in Jaffa oder Haifa an Land gehen zu lassen; solche Juden sollten keinen Fuß in die vier sogenannten „Heiligen Städte“ Palästinas setzen (Jerusalem, Hebron, Safed und Tiberias) und sollten auf dem Schiff, auf dem sie kamen, zu einem anderen osmanischen Hafen weiterfahren.

Dieses Verbot stand im Widerspruch zu einer der Kapitulationen mit Russland, die seinen Untertanen uneingeschränktes Reisen durch das osmanische Reich (außer Arabien) zusicherte. Als der Mutasarrif Klarstellung aus Konstantinopel erlangen wollte, wurde ihm befohlen alle Juden zu vertreiben, die sich innerhalb der letzten vier Monate im Mutasarriflik niedergelassen hatten, nur jüdische Pilger und Geschäftsleute eine kurze Zeit dort bleiben zu lassen und zu verhindern, dass andere Juden (z.B. voraussichtliche Siedler) an Land gehen. Ähnliche Anweisungen wurden bald im Vilayet Sam (das den nördlichen Teil Palästinas umfasste) erhalten und durchgesetzt. Die Bestimmungen dieser und folgender Anweisungen machten klar, dass die Pforte in erster Linie damit beschäftigt war keine russischen Juden in Palästina siedeln zu lassen. Juden aus anderen Ländern kamen in viel kleinerer Zahl und waren entsprechend weniger besorgniserregend.

Unregelmäßigkeiten ließen nicht lange auf sich warten. Einige russische Juden beantragten Visa für Konstantinopel, wo sie Genehmigungen bekamen innerhalb des Osmanischen Reiches zu reisen. So kamen sie zwar mit gültigen Papieren in Palästina an, aber als potenzielle Siedler wurde ihnen die Einreise verweigert. Das führte zu Beschwerden, und Ende 1882 wurde das Polizeiministerium in Konstantinopel vom Ministerrat angewiesen keine Reisegenehmigungen mehr an russische Juden auszugeben, bis die Regierung in der Sache entscheidet. Der für diese Anweisung genannte Grund lautete, die jüdischen Immigranten würden die oberste von ihnen erwartete Verpflichtung nicht erfüllen, heißt: osmanische Untertanen zu werden. Im Frühjahr 1883 wurde berichtet, dass ein komplettes Verbot für die Einreise aller Juden für Beirut und Haifa verhängt wurde. Hingegen war es für Juden aus anderen Ländern als Russland oder Rumänien weiterhin möglich in Jaffa anzulanden. Und selbst im Fall von russischen und rumänischen Juden wurde Pilgern und Geschäftsleuten die Anlandung erlaubt.

Aber der Mutasarrif von Jerusalem scheint erkannt zu haben, dass es nicht mit den wahren Absichten der Pforte übereinstimmte diese Juden zuzulassen, die behaupteten, sie kämen um Gebete zu verrichten oder Geschäfte zu machen, sich in Wirklichkeit aber niederlassen wollen. Er wandte sich daher um Rat an Konstantinopel. Es entstand eine Korrespondenz; das Innen- und das Außenministerium konferierten; die Meinungen der Rechtsberater der Pforte wurden eingeholt; und er Staatsrat beriet im März 1884 zum Thema. Nach einem weiteren Austausch mit Jerusalem wurde beschlossen Palästina für alle jüdischen Geschäftsleute zu sperren, mit der Begründung, dass die Kapitulationen, die den Europäern freien Handel innerhalb des osmanischen Reichs erlaubten, sich ausschließlich auf „für Handel geeignete“ Bereiche erstreckten – der Staatsrat betrachtete Palästina nicht als einen solchen Bereich.

Fortan konnten nur noch jüdische Pilger nach Palästina einreisen. Ihre Reisepässe mussten von osmanischen Konsuln im Ausland ordnungsgemäß mit einem Visum versehen werden; bei der Ankunft mussten sie eine Kaution aushändigen, die ihre Ausreise garantiert und sie mussten nach dreißig Tagen ausreisen.

Bei all dem war die Rolle der Mächte entscheidend. Damit die Einreisebeschränkungen effektiv sein konnten, mussten sie von den Mächten akzeptiert werden, deren Staatsangehörigen davon betroffen waren. Und im Großen und Ganzen akzeptierten die Mächte sie nicht, weil sie darauf bedacht waren ihre im Rahmen der Kapitulationen gewährten Privilegien erhalten wollten (die, wie bereits erwähnt, die Pforte einzuschränken versuchte).

Es gab natürlich gewissen Unterschied in den von den verschiedenen Mächten übernommenen Mächte, in gewissen Maß abhängig vom Zustand ihrer Beziehungen zum osmanischen Reich. Ab den 1880-er Jahren versuchte Deutschland z.B. sich mit dem osmanischen Reich anzufreunden und neigte gelegentlich dazu sich den Einreisebeschränkungen zu fügen. Aber im Allgemeinen lehnten die Mächte es ab ihnen zuzustimmen und so waren sie 1888, nach Einnahme einer festen Haltung in der Lage der Pforte ein Zugeständnis abzuringen die es Juden erlaubte sich in Palästina niederzulassen, vorausgesetzte, sie kamen einzeln, nicht massenhaft.

Es gibt zu dieser faszinierenden Geschichte weit mehr, als von Mandel ausgeführt wurde, aber auf halbem Weg durch seinen Vortrag der Fakten, glaube ich, habe ich die Antwort für mein Familienrätsel gefunden. Mordechai Schmuel und Taibe Leah verließen Litauern, das damals Teil des Russischen Reichs war, mit dem Ziel Palästina. Mordechai Schmuel gehörte der Händlerschicht an, was bedeutet, er wurde als gut situiert betrachtet. Die Absicht der beiden, die mit mehreren Kindern angekommen waren, bestand darin Aliyah zu machen: sich auf Dauer in Eretz Yisrael niederzulassen.

 

Hätte er sich als wegen Geschäften in Palästina erklärt, wäre mein Vorfahr Mordechai Schmuel Yanovsky nach 30 Tagen gejagt und ausgewiesen worden. Um zur Beerdigung im Land anzukommen hingegen wäre wahrscheinlich nicht als „Besiedlung“ betrachtet worden. Daher macht der Trick Sinn sich tot zu stellen und seine Frau die trauernde Witwe spielen zu lassen.

Ich habe keine Aufzeichnungen anderer jüdischer Männer gefunden, die sich tot stellten, um dorthin zu kommen, was heute der Staat Israel ist. Es weckt allerdings mein Interesse, dass es im alten Jischuw so viele Witwen gab. Ist es möglich, dass die Frauen die Existenz ihrer Männer versteckt haben, um zu verhindern, dass sie ausgewiesen wurden?

Letztlich scheitere die Aliyah meiner Urururgroßeltern. Mordechai Schmuel und Taibe Leah blieben bei Verwandten in Jerusalem, während ihr Bauernhaus auf Land in der ziemlich neuen Stadt Petach Tikva gebaut wurde. Die 1878 gegründete Stadt war das erste modern jüdische Landwirtschaftszentrum im osmanischen „Südsyrien“.

Eines Tages machte sich Schmuel von Jerusalem aus auf den Weg die Fortschritte beim Bau in Petach Tikva zu prüfen. Auf dieser Reise wurde mein Vorfahr von drei arabischen Schlägern angegriffen, bewusstlos geprügelt und als tot liegengelassen. Sie stellten enttäuscht fest, dass er nur ein paar Gebetsriemen und kaum Geld dabei hatte. Mein Urururgroßvater hatte es nicht für nötig befunden Vorkehrungen über eine einfache Reise mit Übernachtung zu treffen.

 

Als Mordechai Schmuel drei Tage später in einem Krankenhaus in Jaffa aufwachte, dachte er für sich: „Das ist ein irrer Ort. Ich bringe meine Familie zurück nach Litauen.“

Mein israelischer Cousin berichtet, dass ein Großvater Nachum Schlomo, der allen Cousins als der „Saba aus Jerusalem“ bekannt war, es ablehnte mit der Familie und seinem Vater zurückzukehren; er hoffte, seine Meinung zu ändern, drohte für ihn Schiva zu sitzen. Sie versöhnten sich und in hohem Alter kehrten Mordechai Schmuel und Taibe Leah schließlich zurück, leben bei Schlomos Familie, so dass sie bei ihrem Tod auf dem Ölberg beerdigt werden konnten. Diesmal blieb Mordechai Schmuel tot.

Aber hier bin ich heute, seine Urururenkelin, die in einem geschäftigen jüdischen Staat lebt, tief verwurzelt in Israel. Ich musste mich nie tot stellen, in einem Sarg verstecken oder Ausreden erfinden, um Aliyah zu machen. Es gab keine Türken, die mich aufhielten.

 

Heute gibt es die Osmanen nicht mehr. Aber die Juden sind jetzt fest im Land verankert. Trotz all der üblen Leute, die uns gern ins Meer treiben und unser Land stehlen wollen. Es macht Spaß zu sehen, wie am Mund schäumen, wenn sie sehen, dass sie ihren Willen nicht bekommen und Israel einmal mehr judenrein machen können, wie es die eigentlich unter den Türken gedacht war.

Mit anderen Worten: Ihr werdet mich nicht dabei erwischen, das sich mich in einem Sarg tot stelle. Ich bin hier in Israel, laut und stolz.

Zweifellos staunten Mordechai Schmuel und Taibe Leah Yanovsky über mein großes Glück. Eine von ihrem Blut in Eretz Yisrael, nicht hier, um Tod vorzutäuschen oder in hohem Alter zu kommen, um zu sterben, sondern im Heiligen Land zu leben und weitere Generationen aufzuziehen, das jetzt ein souveräner jüdischer Staat ist.


Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht.

Autor: Heplev
Bild Quelle: Ynhockey, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Montag, 07 August 2023

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