„Unsere Zeit läuft ab“ – Die letzten Zeugen des Holocaust mahnen eindringlich zur Erinnerung

„Unsere Zeit läuft ab“ – Die letzten Zeugen des Holocaust mahnen eindringlich zur Erinnerung


Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird die Welt 70 Prozent der Holocaust-Überlebenden verlieren – und mit ihnen einen Teil der Wahrheit, die nur sie erzählen können

„Unsere Zeit läuft ab“ – Die letzten Zeugen des Holocaust mahnen eindringlich zur Erinnerung

Sie tragen Erinnerungen, die kein Geschichtsbuch in dieser Tiefe festhalten kann. Ihre Stimmen sind rau, langsam geworden, oft gebrochen – aber sie klingen lauter denn je. Die Holocaust-Überlebenden, die letzten lebenden Zeugen einer beispiellosen Menschheitskatastrophe, verschwinden. Nach neuen Projektionen der Claims Conference wird die Welt in den nächsten zehn Jahren 70 Prozent von ihnen verlieren. In 15 Jahren sind es 90 Prozent. Bis 2040, so der Bericht „Vanishing Witnesses“, werden noch rund 21.300 Überlebende weltweit am Leben sein.

Die Zahlen sind schockierend – nicht nur, weil sie ein biologisches Ende ankündigen, sondern weil sie uns zwingen, eine Frage zu stellen, die wir allzu lange verdrängt haben: Was bleibt, wenn die Stimmen der Überlebenden verstummen?

Pinchas Gutter, einer der letzten noch lebenden Teilnehmer des Warschauer Ghetto-Aufstands, bringt es auf den Punkt: „Wir haben ein Stück Geschichte, das nur wir erzählen können.“ Seine Worte sind mehr als ein Appell. Sie sind ein Vermächtnis. Ein letzter Versuch, das kollektive Gedächtnis gegen das Vergessen zu wappnen. Denn wenn wir die Überlebenden verlieren, verlieren wir mehr als nur Zeitzeugen – wir verlieren das menschliche Gesicht der Shoah.

Schon heute sind 98 Prozent der Überlebenden über 80 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liegt bei 87 Jahren, über 1.400 von ihnen sind sogar älter als 100. Sie leben über den Globus verteilt, vor allem in Israel, den USA, der ehemaligen Sowjetunion und Westeuropa. Die Claims Conference hat die Daten von über 250.000 betreuten Überlebenden ausgewertet – und die Prognose ist eindeutig: In Israel werden innerhalb von fünf Jahren 40 Prozent der Überlebenden nicht mehr am Leben sein. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wird die Hälfte in dieser Zeit sterben.

Die meisten dieser Menschen waren Kinder, als sie befreit wurden – aus Ghettos, Lagern, auf der Flucht oder im Versteck. Heute sind sie hochbetagt, oft pflegebedürftig, körperlich geschwächt. Doch ihr Erinnern ist ungebrochen. Die 109-jährige Malka Schmulovitz sagt: „Die Tatsache, dass ich noch lebe, zeigt: Unsere Zeit läuft ab. Unsere Geschichten müssen gehört werden.“

Es ist keine Frage der Ehre mehr, Überlebenden zuzuhören – es ist ein letzter Auftrag. In Schulen, in Kirchen, in Parlamenten. Was jetzt nicht bewahrt wird, ist für immer verloren. Und was wir nicht hören, das werden unsere Kinder nicht wissen.

Gideon Taylor, Präsident der Claims Conference, ruft unmissverständlich zum Handeln auf: „Jetzt ist der Moment. Nicht morgen. Nicht in einem Jahr. Jetzt müssen wir ihnen zuhören.“

Denn wenn wir ihre Geschichten nicht weitertragen, wird irgendwann nur noch das Schweigen bleiben.


Autor: Redaktion
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Dienstag, 22 April 2025

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