80 Jahre danach: Israel gedenkt der Schoah – und der Preis des Vergessens

80 Jahre danach: Israel gedenkt der Schoah – und der Preis des Vergessens


Israel gedenkt der Schoah – und fragt sich, ob das „Nie wieder“ noch gilt

80 Jahre danach: Israel gedenkt der Schoah – und der Preis des Vergessens

Acht Jahrzehnte nach dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte bleibt Israel nicht nur ein Ort des Erinnerns – sondern ein Ort des Mahnens. In der Nacht zu Donnerstag begann im Gedenkzentrum Yad Vashem in Jerusalem die zentrale Zeremonie zum 80. Jahrestag des Holocaust. Sirenen heulen, das Leben steht still – für eine Minute scheint der Schmerz der Geschichte alles zu durchdringen. Doch in diesem Jahr ist etwas anders: Der Schmerz ist nicht nur vergangen, er ist gegenwärtig.

Während Präsident Isaac Herzog und Premierminister Benjamin Netanjahu auf der Bühne sprechen, während Psalmen rezitiert und Namen verlesen werden, denkt ein ganzes Land auch an andere Namen: Omri. Almog. Yossi. Menschen, die am 7. Oktober 2023 aus ihren Häusern gezerrt und nach Gaza verschleppt wurden. Viele von ihnen leben noch – in Käfigen, Tunneln, Kellern. Und ihre Familien durchleben einen Albtraum, der im Schatten des Gedenkens kaum zu ertragen ist.

„Mein Mann ist seit eineinhalb Jahren in Geiselhaft“, sagte Lishay Miran-Lavi, Ehefrau des entführten Omri Miran, am Mittwoch in der Knesset. „Unsere Kinder zünden eine Kerze für einen Vater an, der noch lebt – aber niemand holt ihn.“ Am Vorabend des Holocaust-Gedenktages sprach sie vom neuen Holocaust. Von einem, der sich mitten im jüdischen Staat abspielte – während die Welt zusah.

 

Die zentrale Zeremonie in Yad Vashem stand unter dem Motto „Aus der Tiefe – die Qual der Befreiung“. Die tiefere Ironie dieses Mottos entging keinem: Denn die Befreiung, die einst das Ende von Auschwitz markierte, bleibt heute für 59 israelische Geiseln ein ferner Traum. „Nie wieder“? Es klang in dieser Nacht wie eine bittere Erinnerung daran, dass Worte nicht schützen.

Der Holocaust-Gedenktag ist für Israel heilig. Doch in diesem Jahr wirkt er wie ein Weckruf. Nicht nur zum Gedenken an die sechs Millionen Ermordeten – sondern zum Erwachen angesichts der Gleichgültigkeit gegenüber den heutigen jüdischen Opfern. Wenn jüdische Kinder heute in Videos den US-Präsidenten um Hilfe bitten, ihren Vater aus der Geiselhaft zu befreien – dann ist das nicht Vergangenheit. Dann ist das Gegenwart.

Die Welt schaut heute auf Yad Vashem. Auf die gelben Sterne, die Namen auf den Steinen, die alten Männer mit den tätowierten Nummern auf dem Arm. Aber der Blick darf nicht dort enden. Wer der Geschichte wirklich gedenken will, muss den Blick auch auf die Tunnel unter Gaza richten. Auf die Familien, die nicht schlafen können. Auf die Kinder, die keine Geburtstage feiern wollen, weil ihr Vater nicht da ist.

Die Shoah hat uns gelehrt, dass Schweigen tötet. Auch 80 Jahre später gilt das noch immer.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von David Shankbone - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3271889


Mittwoch, 23 April 2025

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