Missbrauch, Macht und ein Haftbefehl: Wie der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs ins Wanken gerätMissbrauch, Macht und ein Haftbefehl: Wie der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs ins Wanken gerät
Karim Khan steht unter Verdacht – und die Entscheidung gegen Netanyahu wirkt plötzlich nicht mehr neutral
Als der Internationale Strafgerichtshof im Juni 2024 ankündigte, Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant zu beantragen, war das ein politisches Erdbeben. Noch nie zuvor hatte sich der IStGH an einen gewählten Regierungschef eines westlichen Landes gewagt – und das in einem Moment, in dem Israel nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 seine Sicherheitspolitik neu definieren musste. Doch jetzt steht die Integrität der Entscheidung selbst infrage. Denn neue Enthüllungen werfen ein erschütterndes Licht auf den Mann, der sie verkündet hat: Chefankläger Karim Khan.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal war Khan zu dem Zeitpunkt, als er den Haftbefehl gegen israelische Spitzenpolitiker öffentlich machte, selbst Ziel schwerer interner Ermittlungen. Der Vorwurf: wiederholte sexuelle Nötigung einer Mitarbeiterin, die mit ihm auf Dienstreisen war – nach New York, Paris und Den Haag. Die Frau, eine malaysische Juristin, war Khans enge Vertraute, begleitete ihn auf Auslandsreisen und arbeitete direkt mit ihm an Ermittlungen zum Gazakrieg. Nun sagt sie, sie sei von ihm in Hotelzimmern bedrängt, genötigt und zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden. Sie habe geschwiegen – aus Angst vor beruflichen Konsequenzen und wegen der teuren medizinischen Behandlung ihrer Mutter. Ihre Beschwerde wurde im April 2024 formell bei hochrangigen IStGH-Vertretern eingereicht.
Nur wenige Tage später, so berichtet das WSJ, sagte Khan überraschend eine geplante Reise nach Israel und Gaza ab – und kündigte stattdessen den Haftbefehl gegen Netanyahu an. Dass beide Ereignisse so eng beieinanderliegen, lässt nun Fragen aufkommen: Diente die dramatische Wende im Gaza-Verfahren auch dazu, von Khans eigenen Problemen abzulenken? War das Urteil über Israels Regierung wirklich rein juristisch motiviert – oder auch politisch und persönlich?
Die Aussagen der Frau, die inzwischen von der UNO befragt wurde, sind verstörend. Sie beschreibt einen „ständigen Zustand der Bedrängung“, davon, wie Khan sie in Hotelzimmern festhielt, ihr die Hose auszog und sie zum Sex zwang. „Es ist das Gefühl, gefangen zu sein“, sagte sie unter Eid. Sie blieb – auch weil sie an die Ermittlungen gegen Hamas glaubte und sie nicht gefährden wollte. Doch der Preis war hoch.
Karim Khan bestreitet die Vorwürfe vehement. Seine Anwälte sprechen von „haltlosen Anschuldigungen“ und betonen, alle Entscheidungen in seiner Amtsführung basierten ausschließlich auf Beweisen und juristischer Sorgfalt. Doch intern ist der Schaden längst da. Einige Mitarbeiter warnten ihn, die Bekanntgabe des Haftbefehls gegen Netanyahu zu diesem Zeitpunkt sei unklug und könne als Ablenkungsmanöver interpretiert werden. Er ignorierte die Warnungen.
Der IStGH selbst sah nach einer ersten internen Untersuchung keinen Handlungsbedarf – doch die Vereinten Nationen reagierten anders. Ihr Office of Internal Oversight Services eröffnete eine eigene unabhängige Untersuchung. Offenbar gab es Versuche Khans, seine Mitarbeiterin zum Schweigen zu bringen. Er soll ihr gesagt haben: „Denk an die Haftbefehle gegen die Palästinenser. Du schadest der Sache.“ Später kontaktierte die Frau Mitglieder des IStGH-Verwaltungsrats direkt und legte weitere Beweise vor.
Karim Khan weigerte sich, eine Beurlaubung zu akzeptieren. Stattdessen reist er weiter um die Welt, repräsentiert den Gerichtshof, als sei nichts gewesen. Laut IStGH-Statut kann er nur durch eine Mehrheit der 125 Mitgliedsstaaten seines Amtes enthoben werden – ein komplexer und langwieriger Prozess, den bislang niemand angestoßen hat. Doch das Vertrauen bröckelt. Staaten wie Ungarn denken laut über einen Austritt aus dem IStGH nach. Frankreich und Deutschland – bislang überzeugte Unterstützer – äußerten sich nicht eindeutig dazu, ob sie einen Haftbefehl gegen Netanyahu vollstrecken würden.
Die Situation ist explosiv: Ein Gericht, das eigentlich moralische Autorität beansprucht, wird von innen erschüttert. Ein Chefankläger, der den Anspruch auf Gerechtigkeit vor sich herträgt, sieht sich selbst mit schwersten moralischen Vorwürfen konfrontiert. Und ein Haftbefehl gegen Israels Premier, der für viele ohnehin wie eine politische Botschaft anmutete, wirkt nun wie ein Ablenkungsmanöver aus eigennützigen Motiven.
Auch juristisch ist die Grundlage der Anklage umstritten. Zwar gab es israelische Aussagen nach dem 7. Oktober, etwa über eine „totale Belagerung“ des Gazastreifens – doch Israels Regierung betonte stets, es gehe um nationale Sicherheit, nicht um gezielte Angriffe auf Zivilisten. Das Völkerrecht kennt Unterschiede, die in Kriegszeiten entscheidend sind. Doch genau diese Differenzierung scheint beim IStGH nicht stattgefunden zu haben.
Das Vertrauen in internationale Institutionen wie den Strafgerichtshof ist fragil. Wenn sie politisiert wirken, beschädigen sie nicht nur einzelne Verfahren – sondern den gesamten Anspruch auf universelle Gerechtigkeit. Dass ausgerechnet der Fall Israel – ein Land, das nach einem beispiellosen Massaker gezwungen war zu reagieren – zum Prüfstein für die Glaubwürdigkeit des IStGH wird, ist bitter. Und dass ein Mann wie Khan, dem Machtmissbrauch vorgeworfen wird, dabei eine zentrale Rolle spielt, ist ein Skandal, der Konsequenzen haben muss.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von UN International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia - https://www.flickr.com/photos/icty/27396344849/in/photolist-cjmYzY-Katbgj-KACC74-JE9jyg-KACJ9e-KrbxYh-KACCYV-cjfgHq-KACEbz-KACG42-KACFtz-Kat5Cq-uVwtvk-Kat4DS-uSUTE6-JE5oZE-8gGKr4-KACEmp-JE5rmJ-8tck1i-8sWcnS-8teYmS-4Ln8m9-Krbyoq-KACDHR-KtDqZk-tYqk3H-uBhGJ9-Kat77C-JE9kHa-KACC4P-KrbEbC-KataoN-KACHDX-KACGYD-KACCyr-KrbEXh-HJVqRg-uCNExD-91R26j-uCEUnj-91R1VQ-91MU2v-KACEAx-91R1Jy-KACEwz-91R1tN-91R1m1-uCFgKu-8SLV1B, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=115651799
Sonntag, 11 Mai 2025