Wenn Influencer zu Brandstiftern werden: Der Fall Guy Christensen und die tödliche Macht des digitalen Antisemitismus

Wenn Influencer zu Brandstiftern werden: Der Fall Guy Christensen und die tödliche Macht des digitalen Antisemitismus


Ein TikTok-Star rechtfertigt einen Doppelmord – und 415.000 Menschen klatschen Beifall.

Wenn Influencer zu Brandstiftern werden: Der Fall Guy Christensen und die tödliche Macht des digitalen Antisemitismus

Die Morde an Yaron Lischinsky und Sarah Milgram waren kaltblütig, geplant – und sie waren ideologisch aufgeladen. Wer kurz nach der Tat „Free, free Palestine“ ruft, tut das nicht aus Verzweiflung, sondern aus Hass. Doch was den Fall noch verstörender macht, ist nicht nur die Tat selbst, sondern die Reaktion darauf. Es sind junge Männer wie Guy Christensen, die solche Gewalt verharmlosen, einordnen, gar „verstehen“ wollen – und damit ein Klima schaffen, in dem Judenhass nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird.

Christensen ist kein militanter Kämpfer. Er ist ein TikTok-Influencer. Ein „unschuldiger“, 18-jähriger Student, wie seine Fans behaupten. Einer, der sich durch Kommentare wie „Google Nakba“ zum Aktivisten wandelte. Und jetzt? Jetzt bezeichnet er Zionismus als „horrifying“, Israel als „Kolonialmacht“ und wirft mit Worten wie „Genozid“ und „Apartheid“ um sich – so leichtfertig wie andere mit Filtern spielen. Seine neunminütige „Analyse“ der Ermordung zweier Juden in Washington D.C. ist kein politischer Kommentar. Es ist eine moralische Bankrotterklärung. Eine Entmenschlichung.

Christensens Erfolg ist ein Symptom. Ein Produkt eines Algorithmus, der Emotionen über Fakten stellt. Laut einer Studie der Northeastern University wird pro-palästinensischer Content auf TikTok im Verhältnis 54 zu 1 gegenüber pro-israelischen Inhalten bevorzugt angezeigt. Das bedeutet nicht weniger als eine digitale Schieflage, eine mediale Verwerfung, die sich in Radikalisierung übersetzt – besonders bei Jugendlichen, die weder den Oslo-Prozess kennen noch die Realität der Hamas-Tunnel jemals gesehen haben.

Die Frage ist nicht, ob Guy Christensen weiß, was er da sagt – sondern ob es ihn überhaupt interessiert. Seine Statements sind selektiv. Er spricht über Hungerstreiks in Gaza, aber nicht über Elkana Bohbot, der im Hamas-Tunnel aus Verzweiflung das Essen verweigert. Er beklagt die „ethnische Säuberung“, aber verliert kein Wort über das Massaker beim Nova-Festival, bei dem über 1.200 Menschen niedergemetzelt wurden – viele von ihnen junge Frauen und Männer, die nichts weiter wollten, als zu tanzen.

Es ist dieser doppelte Standard, der nicht nur ignorant ist, sondern gefährlich. Worte wie „Offener Vollzug“ oder „Todeslager“ in Bezug auf Israel sind nicht bloß überzogen – sie sind eine Verhöhnung der Opfer des Holocaust. Wer wirklich verstehen will, was Genozid bedeutet, sollte nicht „Google Nakba“ eingeben, sondern das jüdische Museum besuchen, das Yaron Lischinsky schützte – bis ihn ein Täter erschoss, der sich von dieser Art Rhetorik ermächtigt fühlte.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei Christensen. Sondern bei allen, die ihm folgen, teilen, feiern. Bei jedem, der auf „Gefällt mir“ klickt, wenn Israel pauschal als Täter dargestellt wird. Und auch bei Plattformen wie TikTok, die durch ihre Algorithmen den Diskurs lenken – und dabei zuschauen, wie sich Judenhass unter dem Deckmantel „Free Palestine“ verbreitet wie ein Virus.

Die Behörden müssen handeln. Es braucht Ermittlungen, nicht nur gegen Täter, sondern auch gegen deren digitale Applaudierer. Redefreiheit endet dort, wo Aufrufe zur Gewalt legitimiert oder durch geschickte Rhetorik salonfähig gemacht werden. Niemand verlangt Zensur – aber Verantwortung. Und genau die fehlt bei Leuten wie Guy Christensen komplett.

Denn Worte töten. Nicht unmittelbar – aber sie schaffen die Grundlage. Die gedankliche Legitimation. Die moralische Grauzone, in der zwei jüdische Leben ausgelöscht werden können – und ein 18-jähriger TikToker in seinem Video ernsthaft fragt, ob sie es „nicht vielleicht verdient“ haben.

Das ist nicht Aufklärung. Das ist Anstiftung.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot


Freitag, 23 Mai 2025

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