Wie Israels Angriff auf Iran Pakistans gefährlichste Bruchlinie destabilisiertWie Israels Angriff auf Iran Pakistans gefährlichste Bruchlinie destabilisiert
Pakistans Angst vor einem brennenden Grenzstreifen wächst – während Iran ins Wanken gerät, bereiten sich alte Feinde auf neue Allianzen vor.
Der israelische Schlag gegen die iranischen Machtzentren hat nicht nur Teheran erschüttert. Er lässt nun auch eine Region beben, die seit Jahrzehnten ein Pulverfass ist: die Grenzregion zwischen Iran und Pakistan. Während Israels Militärkampagne gegen die Quds-Einheiten der Revolutionsgarden in Teheran weiterläuft, kehren pakistanische Pilger hastig über die staubige Grenzstation Taftan in ihre Heimat zurück – inmitten wachsender Unruhe, bewaffneter Gruppen und zersetzter Loyalitäten.
Pakistans mächtigster Mann, Armeechef Asim Munir, traf sich am Mittwoch mit US-Präsident Donald Trump in Washington. Munir warnte eindringlich vor dem, was viele in Islamabad längst befürchten: Ein zerfallender Iran könnte die 900 Kilometer lange Grenze in ein Einfallstor für Terror und Separatismus verwandeln. Schon jetzt operieren islamistische und separatistische Gruppen auf beiden Seiten der Linie, darunter die sunnitisch-extremistische Jaish al-Adl, die den Angriff Israels offen begrüßt und als Chance zum Aufstand feiert.
Dass Pakistan angesichts dieser Gemengelage alarmiert ist, verwundert nicht. Seine ohnehin fragile Südwestgrenze grenzt an das von den Taliban regierte Afghanistan und den Erzfeind Indien – zwei Nachbarn, die mehr Spannungsfeld als Stabilitätsfaktor darstellen. Eine zusätzliche Frontlinie, diesmal gegen ein destabilisiertes Iran, wäre strategisch wie sicherheitspolitisch kaum zu verkraften. Ein hochrangiger pakistanischer Diplomat brachte es auf den Punkt: „Das gefährdet unsere gesamte regionale Sicherheitsarchitektur.“
Die Ironie liegt in der Dynamik, die nun sichtbar wird. Noch vor wenigen Monaten hatten Iran und Pakistan sich gegenseitig mit Luftangriffen überzogen – beide beschuldigten sich, aufständische Baluchen zu unterstützen. Doch die israelischen Angriffe haben die tektonischen Platten verschoben. Pakistan, das Teherans Atomanlagen nie als akute Bedrohung wahrgenommen hat, verurteilt die israelischen Angriffe scharf. Für Islamabad ist weniger das iranische Atomprogramm das Problem, sondern das Signal, das von Tel Avivs Vorgehen ausgeht: Atomwaffen sind keine absolute Versicherung mehr.
Vor diesem Hintergrund wird auch Indiens auffälliges Schweigen zum israelischen Angriff zum strategischen Fragezeichen. Indien, enger Partner Israels und geopolitischer Rivale Pakistans, hat keine Kritik geäußert – eine Tatsache, die in Islamabad mit Sorge registriert wird. Während also Pakistan und Iran gezwungenermaßen neue diplomatische Brücken bauen, wächst die Angst, dass dieser Prozess von nicht-staatlichen Akteuren sabotiert wird.
Denn in den ausgedörrten Hügeln Belutschistans – auf beiden Seiten der Grenze – gären alte Träume neu: die Vision eines Groß-Belutschistan, eines eigenen Staates für das entrechtete Volk der Belutschen, die seit Jahrzehnten Diskriminierung und Vernachlässigung erleben. Diese Bewegung ist ein Sammelbecken für Islamisten, Nationalisten, Separatisten – ein brodelndes Gebräu, das gerade jetzt explosiv wird. Wie Analystin Simbal Khan in Islamabad warnt: „Wenn der iranische Staat zerfällt, werden diese Gruppen gemeinsam kämpfen. Die Fragmentierung ist da.“
Auch China schaut mit wachsender Unruhe auf die Region. In Belutschistan investiert Peking Milliarden in Infrastruktur, allen voran in den strategisch wichtigen Hafen von Gwadar. Doch schon mehrfach wurden chinesische Arbeiter und Projekte von aufständischen Gruppen attackiert. Ein Sicherheitsvakuum entlang der iranisch-pakistanischen Grenze würde nicht nur die chinesischen Pläne torpedieren, sondern auch das Vertrauen in Pekings geopolitischen Einfluss schwächen.
Teheran wiederum sieht sich von allen Seiten bedroht – und verdächtigt Pakistan, die USA, die Golfstaaten und Israel gleichermaßen, anti-iranische Gruppen zu unterstützen. Eine Analyse, die durchaus auf den Punkt bringt, wie fragmentiert und manipulativ die Machtspiele in der Region geworden sind.
Israels gezielte Tötung iranischer Kommandeure – so erfolgreich sie militärisch sein mag – entfaltet nun eine ungewollte Nebenwirkung: Sie destabilisiert einen ohnehin brüchigen Grenzraum, in dem jeder lokale Konflikt jederzeit internationale Dimensionen annehmen kann. Und genau das ist es, was Pakistan fürchtet. Nicht nur wegen der Sicherheitslage vor Ort, sondern weil sich ein Paradigmenwechsel abzeichnet: Die Unantastbarkeit nationaler Souveränität, gerade im Kontext von Atomwaffen, scheint ausgehöhlt.
In dieser neuen Realität kämpfen nicht nur Staaten um Einfluss. Auch Milizen, Minderheiten und Extremisten wittern Morgenluft. Die israelischen Bomben auf Teheran hallen also weit über die Wüste hinaus – bis in die Seelen von Menschen, die seit Jahrzehnten zwischen den Fronten leben. Und deren Leben nun erneut in Brand gesetzt wird.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Faiqah A Jabbar - Own work, CC BY-SA 4.0, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=78913778
Freitag, 20 Juni 2025