Verbrannt, verletzt, entwurzelt: Der unsichtbare Krieg in Israels Kliniken

Verbrannt, verletzt, entwurzelt: Der unsichtbare Krieg in Israels Kliniken


Während Raketen einschlugen und Städte brannten, kämpfte das israelische Gesundheitssystem an einer Front ohne Waffen – mit Verletzten, Traumatisierten und Tausenden Heimatlosen. Die Zahlen offenbaren das stille Leid einer Nation.

Verbrannt, verletzt, entwurzelt: Der unsichtbare Krieg in Israels Kliniken

Manche Schlachten spielen sich nicht auf dem Schlachtfeld ab, sondern zwischen Krankenzimmern, Notaufnahmen und unterirdischen Krankenhausfluren. Zwei Wochen lang, von Beginn der Operation „Rising Lion“ am 13. Juni bis zum Waffenstillstand am Dienstag, stand das israelische Gesundheitssystem unter extremer Belastung – und hielt stand. 

Die nackten Zahlen erzählen eine Geschichte, die wehtut. 3.345 Verletzte wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Davon schweben 23 in Lebensgefahr, mehr als 100 sind mittelschwer verletzt, über 3.000 leicht. Drei Menschen starben trotz aller Bemühungen. Hinzu kommen 144 Menschen, deren Körper unversehrt blieben, deren Psyche jedoch zusammenbrach – Opfer eines Krieges, den sie nicht gesehen, aber tief gespürt haben.

Nichts bringt die Zerbrechlichkeit eines Systems so drastisch zum Ausdruck wie der direkte Raketeneinschlag auf das Soroka Medical Center. Hätte die betroffene Station nicht rechtzeitig evakuiert werden können, hätte es Dutzende Tote gegeben. So aber mussten 78 Patienten in aller Eile in andere Kliniken gebracht werden – ein logistischer Kraftakt unter Bedrohung, ohne Unterbrechung der Versorgung.

Das war kein Einzelfall. Allein während der Operation wurden landesweit über 1.000 geschützte Krankenhausbetten neu eingerichtet, viele in Bunkern oder improvisierten Schutzräumen. Mehr als 10.000 Betten standen insgesamt zur Verfügung – ein Drittel davon unter Sicherheitsvorkehrungen, wie man sie sonst aus Kriegsgebieten kennt. Die medizinischen Teams arbeiteten unter Sirenen, in Gasmasken, und ohne zu wissen, ob ihre eigene Familie gerade in Sicherheit ist.

Während der Raketenangriffe wurden über 11.000 Menschen aus ihren Häusern geholt – viele mit nichts als einem Rucksack. Untergebracht in 97 Aufnahmezentren, meist in Hotels, begannen dort neue Dramen. 17 Städte mussten wegen direkter Einschläge vollständig oder teilweise geräumt werden. Die Evakuierten waren nicht nur entwurzelt – viele waren auch verletzt, krank, psychisch angeschlagen.

Etwa 80 medizinische Fachkräfte besuchten täglich die Unterkünfte, um akute Fälle zu erkennen und zu versorgen. 100 Therapeuten vom nationalen Resilienzzentrum leisteten psychologische Hilfe – ein Tropfen auf dem heißen Stein angesichts zehntausender Betroffener.

Der psychische Notstand zeigt sich auch in den Zahlen: Über 13.000 Anrufe gingen bei den Notrufnummern der Krankenhäuser ein, fast 4.000 bei den Krankenkassen, fast 2.000 weitere in den Resilienzzentren. Die Telefone standen nicht still. Die Angst war überall. Die Regierung reagierte mit Aufklärungskampagnen und prominenten Gesichtern – doch wer den Bomben entkommt, trägt die Explosionen oft ein Leben lang im Inneren.

Trotz des Ausnahmezustands blieb das System funktionsfähig. Operationen wurden verschoben, reguläre Behandlungen reduziert, Telemedizin ausgebaut. Für medizinisches Personal wurden Notunterkünfte organisiert – 3.000 Kinder von Ärztinnen und Pflegern wurden dort betreut, damit ihre Eltern arbeiten konnten, auch während der Angriffe.

Besonders eindrucksvoll: 650 im Ausland tätige Fachkräfte kehrten während der Kämpfe nach Israel zurück – freiwillig. 180 weitere folgten am letzten Tag des Krieges. Sie kamen nicht wegen Ruhm oder Geld, sondern weil ihre Heimat sie brauchte. Diese Rückkehr ist ein leiser Akt von Patriotismus und Menschlichkeit – abseits der Scheinwerfer, aber von unschätzbarem Wert.

Der Waffenstillstand ist eine Erleichterung – aber kein Ende. Tausende Israelis leben weiter in Hotels, ihre Häuser sind zerstört oder nicht sicher genug, um zurückzukehren. Das Gesundheitsministerium plant eine umfassende Aufarbeitung der Abläufe. Doch bis dahin wird improvisiert, geholfen, weitergearbeitet.

Insbesondere das Soroka Medical Center soll umfassend wiederaufgebaut werden. Es steht sinnbildlich für den Mut eines Systems, das trotz Angriffen weitermacht – nicht perfekt, nicht unverwundbar, aber getragen von Menschen, die sich weigern, aufzugeben.

Operation „Rising Lion“ hat Wunden hinterlassen, die nicht in Zahlen zu fassen sind. Der sichtbare Krieg mag geendet haben – doch der unsichtbare Krieg in Körpern, Seelen und Krankenhäusern wird noch lange weitergehen.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot


Mittwoch, 25 Juni 2025

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