Ein Phantomstaat vor Gericht: Israel ringt mit dem Weltstrafgericht um seine SouveränitätEin Phantomstaat vor Gericht: Israel ringt mit dem Weltstrafgericht um seine Souveränität
Die dritte juristische Konfrontation mit dem IStGH ist mehr als ein Rechtsstreit – sie ist ein Angriff auf Israels Selbstbestimmung, getragen von der Fiktion eines „Staates Palästina“. Doch Jerusalem gibt nicht klein bei.
Die Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) geht in die nächste, vielleicht entscheidende Runde. In einem zermürbenden juristischen Gefecht ringt der jüdische Staat um seine politische und rechtliche Existenzberechtigung auf internationaler Bühne. Es geht um mehr als juristische Spitzfindigkeiten – es geht darum, ob ein imaginärer „Staat Palästina“ als Vehikel dienen darf, um israelische Spitzenpolitiker wie Premierminister Benjamin Netanjahu oder Ex-Verteidigungsminister Joav Gallant vor ein Tribunal in Den Haag zu zerren.
Der Vorwurf: angebliche Kriegsverbrechen. Die Grundlage: ein Gebilde, das in keinem einzigen UNO-Gremium über echte Souveränität verfügt, keine definierbaren Grenzen kennt und spätestens seit dem brutalen Hamas-Überfall vom 7. Oktober auch die Kontrolle über den Gazastreifen eingebüßt hat.
Eine juristische Atempause für Israel
Am 24. April 2025 erlebte Israel einen seltenen Lichtblick: Die Berufungskammer des IStGH entschied, dass das Strafgericht zunächst eingehender prüfen müsse, ob es überhaupt die Zuständigkeit besitzt, gegen Israelis zu ermitteln. Eine Entscheidung, die das Verfahren zwar nicht stoppt, aber für Israel wertvolle Zeit und neue Argumentationsmöglichkeiten schafft.
Damit ist die juristische Schlacht um die Existenz eines „Staates Palästina“ erneut entbrannt – nach zwei vorherigen Etappensiegen für die palästinensische Seite in den Jahren 2021 und 2024. Nun bekommt Israel bis zum 1. August Zeit, weitere Schriftsätze einzureichen, um das Verfahren zu kippen. Der Vorwurf: Das Gericht stütze sich auf politische Konstrukte statt auf völkerrechtlich belastbare Realitäten.
Wer gibt einem „Staat Palästina“ Rechtshoheit?
Im Zentrum steht die Frage, ob die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) überhaupt befugt ist, dem IStGH Zuständigkeit über israelische Staatsbürger zu übertragen. Israel verweist auf die Oslo-Verträge aus den 1990er Jahren, die ausdrücklich festlegen, dass Streitigkeiten zwischen Israel und den Palästinensern bilateral geklärt werden müssen – nicht über internationale Gerichte, solange es keinen endgültigen Statusvertrag gibt.
Zudem argumentiert Israel, dass die PA schon aus praktischer Sicht kein funktionierender Staat sei. Weder verfügt sie über klare, anerkannte Grenzen, noch über Gewaltmonopol in weiten Teilen ihres Territoriums. Die Kontrolle über den Gazastreifen liegt seit Jahren bei der Terrororganisation Hamas, seit 2023 zudem inmitten eines 20-monatigen Krieges mit Israel. Auch die Westbank ist von wachsender Anarchie betroffen, interne Machtkämpfe schwächen die Autorität von Ramallah.
Dennoch halten IStGH-Ermittler an der Konstruktion fest, dass „Palästina“ Vertragsstaat des Römischen Statuts sei – ein Schritt, den Israel niemals anerkannt hat.
Ein Gericht in der Krise – mit doppelter Führung
Inmitten dieses juristischen Gefechts wurde die Lage noch komplexer: Chefankläger Karim Khan zog sich Mitte Mai wegen schwerer Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen eine Mitarbeiterin vorläufig aus dem Amt zurück. Doch statt Klarheit über die Nachfolge zu schaffen, ernannte die IStGH-Versammlung gleich zwei Stellvertreter zur kommissarischen Leitung – Mame Mandiaye Niang (Senegal) und Nazhat Shameem Khan (Fidschi).
Letztere führt seitdem die Ermittlungen gegen Israel weiter. Sie unterzeichnete auch den letzten Schriftsatz vom 2. Juli – eine klare Ansage: Der Rückzug Khans ändert nichts an der Zielrichtung des Verfahrens. Das Damoklesschwert der Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant bleibt bestehen.
Wer ist als Nächster im Visier Den Haags?
Nach Recherchen des Wall Street Journal erwog Khan vor seinem Rückzug sogar, auch Finanzminister Bezalel Smotrich und Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir anzuklagen – wegen ihrer Unterstützung jüdischer Gemeinden in Judäa und Samaria und angeblicher Duldung von Gewalt jüdischer Extremisten. Ein Vorstoß, der nicht zuletzt durch politische Erwägungen motiviert gewesen sein könnte: Während die westliche Welt Netanjahu und Gallant zum Teil noch Rückendeckung gewährt, herrscht internationaler Konsens über die Ablehnung des Siedlungsbaus.
Ob Khans Stellvertreterin den Mut hat, neue Verfahren zu eröffnen, ist fraglich. Der IStGH steht selbst unter Druck: Die Regierung Trump hat Sanktionen gegen das Gericht verhängt, ein Dutzend Mitarbeiter soll wegen der Strafmaßnahmen bereits gekündigt haben.
Was jetzt auf dem Spiel steht
Die Entscheidung des Vorgerichts wird diesmal nicht Jahre auf sich warten lassen. Schon in wenigen Monaten könnte klar sein, ob Den Haag seine Zuständigkeit aufrechterhält – oder ob Israels Einwände endlich ernst genommen werden. Das Ergebnis wird weitreichende Folgen haben. Nicht nur für Netanjahu und Gallant, sondern für Israels gesamten Umgang mit internationalen Institutionen.
Ein negatives Urteil würde dem Narrativ eines palästinensischen „Staats“, der juristisch gegen Israel vorgehen kann, gefährliche Legitimität verleihen. Ein positives Urteil hingegen könnte zum Präzedenzfall werden – ein Hoffnungsschimmer für alle Staaten, die sich gegen eine ideologisch getriebene Internationalisierung innerstaatlicher Konflikte wehren.
Eines aber ist schon jetzt klar: Israel lässt sich nicht kampflos kriminalisieren. Die Schlacht vor dem Strafgericht ist auch ein Kampf um die Würde eines Staates, der sich trotz aller Kritik nicht aus der Gemeinschaft der Völker ausgrenzen lässt – und das Recht verteidigt, sich selbst zu verteidigen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von justflix - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119867103
Donnerstag, 10 Juli 2025