Irans Shahed-136 löst neues Drohnen-Wettrüsten aus — billige Präzision bedroht globale SicherheitsarchitekturIrans Shahed-136 löst neues Drohnen-Wettrüsten aus — billige Präzision bedroht globale Sicherheitsarchitektur
Der iranische Marschflugdrohne-Typ Shahed-136 hat die Kriegsführung verändert: sehr hohe Reichweite, hohe Treffergenauigkeit und extrem niedrige Stückkosten. Westliche Staaten eilen hinterher — doch das Aufholen ist teuer, schwer kontrollierbar und birgt neue Risiken.
Der Einsatz und die Massenproduktion der iranischen Drohne Shahed-136 — zuletzt vor allem von Russland systematisch in der Ukraine verwendet — haben ein strategisches Umdenken ausgelöst. Was lange als teure Hochtechnologie galt, ist plötzlich in einer Variante verfügbar, die hohe Reichweite (Berichte sprechen von mehr als 1.500 km), präzise Wirkung auf einzelne Ziele und gleichzeitig Produktionskosten im Bereich von Zehntausenden US-Dollar pro Einheit kombiniert. Das Ergebnis: Staaten und Rüstungsfirmen weltweit starten einen Beschaffungs- und Entwicklungswettlauf um vergleichbare, günstige Marschflugdrohnen — mit tiefen sicherheitspolitischen, ökonomischen und ethischen Implikationen.
Der Shahed-Typ ist kein einzelnes Exotenprodukt mehr, sondern ein taktisches Mittel zur Massenwirkung: In der Ukraine demonstrierten Angriffe mit Dutzenden bis Hunderten solcher Drohnen die Wirksamkeit, Verteidigungssysteme zu überlasten oder gezielte Schäden anzurichten, vor allem, wenn sie in Kombination mit anderen Waffenträgern eingesetzt werden. Seine relative Einfachheit erlaubt die Serienfertigung zu Preisen, die konventionelle Marschflugkörper ökonomisch obsolet erscheinen lassen — für Angreifer wie für Staaten oder nichtstaatliche Akteure, die Zugang zu solchen Systemen erhalten.
Iran entwickelte den Shahed ursprünglich über Jahre und exportierte Varianten bzw. Know-how an Verbündete und Proxy-Gruppen in der Region. Russland wiederum ließ in Kooperation Produktions-linien entstehen und setzte die Drohnen massenhaft in der Ukraine ein — ein Paradebeispiel für Technologie-Transfer und schnelle Militarisierung. Die Folge: Nachfrage und Nachahmungen schossen weltweit in die Höhe. Hersteller in den USA, Europa und Asien präsentieren nun eigene „Shahed-Analoga“, von reinen Übungsdrohnen bis zu hybriden, einsatzfähigen Modellen.
Die Kosten-Schere: Warum der Westen zurückfällt
Eine zentrale Hürde für westliche Hersteller sind die Produktionskosten: Hochentwickelte Drohnen aus Europa oder den USA kosten oft ein Vielfaches — teilweise Millionen pro Stück, wenn komplexe Sensorik, robuste Kommunikation, Gegenmaßnahmen-Resilienz und logistische Infrastruktur mitgerechnet werden. Firmen wie Anduril oder MGI bieten zwar leistungsfähige Systeme, doch die Produktions- und Personal-kosten liegen deutlich höher als bei den iranisch/russischen Varianten. Das macht massenhafte Produktion wirtschaftlich schwierig — genau dort aber liegt die Stärke des Shahed-Konzepts: viele, billige, vergleichsweise präzise Einheiten.
Marktreaktion: Hunderte Projekte, viele Konzepte
Die Industrie reagiert mit einer Flut an Entwicklungsprogrammen: günstige Nachbauten, trainingsfähige „target drones“, Hybridlösungen zwischen Jet-marschflugkörpern und elektrisch angetriebenen UAS, sowie Konzepte für Massenproduktion. Einige Hersteller setzen auf höhere Geschwindigkeit oder bessere Manövrierfähigkeit, andere auf günstige Module, die in großen Stückzahlen montiert werden können. Auch Staaten überlegen, in Reservefertigung zu gehen oder eigene «attraktive» Billigdrohnen zu entwickeln, um taktische Parität zu gewährleisten.
Die sicherheitspolitischen Risiken
Das neue Drohnenparadigma verschiebt die Schwelle zum Einsatz:
-
Eskalationsdynamik: Billige, massenhaft verfügbare Marschflugdrohnen senken die Hemmschwelle für Angriffe über größere Entfernungen — Staaten oder Gruppen können mit überschaubarem Budget weitreichende Wirkung erzielen.
-
Verteidigungskosten explodieren: Abwehrsysteme müssen vervielfacht und technologisch angepasst werden; das treibt Rüstungs- und Betriebskosten in die Höhe.
-
Proliferation: Know-how, Komponenten und ganze Systeme können relativ leicht in andere Regionen gelangen — staatlich oder über Schwarzmärkte.
-
Argument für Präventivpolitik: Staaten sehen sich versucht, Gegenmaßnahmen vorzuziehen (Exportkontrollen, Angriffe auf Produktions- oder Transferwege), was Spannungen verschärft.
Kann der Westen aufholen — und zu welchen Kosten?
Technologisch ist vieles möglich: schnellere Drohnen, bessere Sensorfusion, gesteigerte Überlebensfähigkeit und automatisierte Schwarmtaktiken. Praktisch aber gilt: Massenproduktion im westlichen Kostenrahmen ist teurer — und politische Fragen (Exportregeln, rechtliche Vorgaben, Rüstungsethik) erschweren einen einfachen „Nachbau“. Einige europäische Firmen versuchen dennoch, preiswerte, skalierbare Plattformen zu entwerfen; andere setzen auf qualitative Überlegenheit (höhere Geschwindigkeit, bessere Steuerung, Gegenmaßnahmen). Ob das ausreicht, um die strategische Lücke zu schließen, bleibt offen.
Der Shahed-Effekt zeigt: Militärische Innovation kann aus kleinem Budget große Konsequenzen erzeugen. Die Antwort auf diese Herausforderung erfordert mehr als neue Produkte — sie verlangt politische Koordination (Exportkontrollen, Rüstungskonventionen), Investitionen in trägerübergreifende Abwehr (Radar, Flugabwehr, elektronische Kriegsführung), und diplomatische Initiativen, um die Verbreitung massentauglicher Marschflugdrohnen zu begrenzen. Bis dahin droht eine Welt, in der günstige, präzise Angriffsplattformen die strategische Stabilität weiter unterminieren — und Verteidiger wie Angreifer zu dauerhaft hohen Kosten zwingen.
Zahlen & Beispiele
-
Reichweite: Berichte sprechen von >1.500 km für manche Typen.
-
Unit-Kosten (Schätzungen): Shahed-Varianten: 35.000–60.000 USD; westliche Alternativen oft >50.000–>1.000.000 USD je nach Capability.
-
Taktik: Massengefechtstaktiken (Sättigungsangriffe), Kombination mit Raketen/Täuschungsmanövern.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Fars Media Corporation, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=138324174
Montag, 29 September 2025