Washington spielt mit dem Feuer – und Israel soll die Rechnung zahlenWashington spielt mit dem Feuer – und Israel soll die Rechnung zahlen
Die USA treiben im UN-Sicherheitsrat eine Formulierung voran, die Palästinensern den Weg zur Staatlichkeit ebnen soll. Israel stemmt sich gegen diesen diplomatischen Sog – und sieht genau, wer wirklich profitieren würde. Während Jerusalem versucht, gefährliche Passagen abzumildern, hofft die Regierung insgeheim, dass Ramallah selbst zum Stolperstein der amerikanischen Initiative wird.
Die diplomatische Kulisse wirkt vertraut, fast wie ein Déjà-vu aus vergangenen Jahrzehnten: Washington formuliert Resolutionen, die internationale Partner freundlich nicken, und Israel bleibt das Land, das nüchtern berechnet, welche Realität am Boden daraus entstehen würde. Am Montag soll die neue Resolution der USA zur Zukunft Gazas vor den UN-Sicherheitsrat kommen – und erneut steht im Zentrum ein Satz, der für Israel keine diplomatische Nuance ist, sondern eine existentielle Frage.
Die Formulierung, die den Palästinensern „einen glaubwürdigen Pfad zu Selbstbestimmung und Staatlichkeit“ eröffnet, ist das Herzstück der amerikanischen Initiative. Hinter dieser Wortwahl verbirgt sich eine strategische Weichenstellung: Die USA, gemeinsam mit Katar, Ägypten, Saudi-Arabien und weiteren Partnern, schaffen in der Resolution eine Grundlage, die langfristig als internationaler Hebel genutzt werden könnte – längst nicht nur unter Präsident Donald Trump, sondern vor allem durch mögliche künftige Regierungen in Washington oder europäischen Hauptstädten.
In Jerusalem ist man sich der Tragweite bewusst. Die Regierung versucht seit Tagen, im Stillen die schärfsten Passagen zu entschärfen. Nicht, weil Israel sich einer politischen Zukunftsdebatte verschließt – sondern weil jeder Verweis auf eine vorweggenommene Staatlichkeit in der Region ein Signal aussendet, das nicht missverstanden werden kann: Die internationale Gemeinschaft soll entscheiden, wer zwischen Mittelmeer und Jordan herrscht, nicht die Staaten und Gesellschaften, die es unmittelbar betrifft.
Gleichzeitig befindet sich Premierminister Benjamin Netanjahu in einer politischen Lage, in der jede diplomatische Regung unter Beobachtung steht. Seine Koalitionspartner reagierten auffallend aggressiv auf das amerikanische Papier. Wirtschaftsminister Bezalel Smotrich sprach von „einem gefährlichen Abriss des israelischen Widerstands gegen ein Terrorregime“. Abgeordnete warnten vor einem „strategischen Einbruch“ und verlangten, Jerusalem müsse ein unmissverständliches Veto einlegen.
Doch Netanjahu verwies auf die Realität, die viele seiner Kritiker gern ausblenden: Israel hat bereits im Rahmen des amerikanischen Gaza-Plans zugestimmt, die Möglichkeit einer palästinensischen Selbstverwaltung auf lange Sicht zu prüfen – unter Bedingungen, die sich in der Praxis als nahezu unerfüllbar erwiesen haben. Denn der Plan verlangt tiefgreifende Reformen innerhalb der palästinensischen Führung, einen Abbau von Korruption, die Abkehr von Terrorfinanzierung, ein Ende der sogenannten „Märtyrerrenten“ und eine Kooperation mit regionalen Akteuren, die bislang jede politische Verantwortung scheuen.
Die Regierung in Jerusalem weiß, dass genau dieser Punkt zum entscheidenden Stolperstein werden kann. Seit Tagen betonen israelische Beamte, dass die USA zwar eine normative Kulisse geschaffen haben, die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde jedoch kaum bereit oder in der Lage sein werden, die Bedingungen zu erfüllen. In vertraulichen Gesprächen sagen Regierungsvertreter offen, man hoffe, dass die PA selbst die Resolution ablehnen oder torpedieren werde. Nicht aus Böswilligkeit – sondern weil die Realität der Region seit Jahren zeigt, dass jede „palästinensische Einheit“ zur Fassade gerät, sobald Verantwortung, Sicherheit oder Verwaltung im Spiel sind.
Jerusalem fürchtet weniger die unmittelbare Wirkung der Resolution unter Präsident Trump, sondern die langfristige Dynamik: Ein Dokument, das heute als „Schritt zur Stabilisierung“ verkauft wird, könnte in zwei oder fünf Jahren als völkerrechtliche Grundlage dienen, um Israel diplomatisch in eine Position zu drängen, die es sicherheitspolitisch nicht überleben kann. Schon jetzt ist klar, dass internationale Akteure versuchen werden, diese Resolution als moralischen Imperativ zu lesen, selbst wenn die Realität vor Ort – Terror, Militärstrukturen, fehlende Regierungsfähigkeit – diametral dagegensteht.
Die israelische Führung hat ihre Position heute klar erneuert. Netanjahu formulierte es unmissverständlich: Die Ablehnung eines palästinensischen Staates westlich des Jordan sei „fest, klar und unverändert“. Nicht aus ideologischer Sturheit, sondern aus den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre – einer Realität, in der jede internationale Geste der Hoffnung sofort von Terrororganisationen instrumentalisiert wurde.
In den diplomatischen Kreisen Jerusalems spricht man mittlerweile offen von einem „Strategiegefälle“ zwischen Israel und den USA. Washington versucht, die Region durch politische Architektur zu befrieden, während Israel auf die harten Strukturen blickt: Raketen, Tunnel, Milizen, Stellvertreterarmeen und eine palästinensische Führung, die weder demokratische Legitimation noch Gewaltmonopol besitzt.
Die Regierung setzt im Moment auf zwei parallele Linien: maximaler Druck hinter den Kulissen, um den Text abzumildern – und die stille Erwartung, dass Ramallah selbst den Plan zu Fall bringt. Sollte die Resolution jedoch unverändert durch den Sicherheitsrat gehen, wäre sie weit mehr als ein Papier: Sie könnte zum politischen Werkzeug einer Zukunft werden, in der Israel gezwungen wäre, seine Existenzbedingungen gegen eine internationale Welle moralischer Forderungen zu verteidigen.
In Jerusalem ist man vorbereitet. Und entschlossen. Die Region hat schon oft gesehen, wohin friedenspolitische Abkürzungen führen. Israel weigert sich, diesen Fehler ein weiteres Mal zu machen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By The White House - https://www.flickr.com/photos/202101414@N05/54822870395/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=177564471
Montag, 17 November 2025