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Australiens Premier verweigert staatliche Untersuchung zum Terroranschlag von Bondi

Australiens Premier verweigert staatliche Untersuchung zum Terroranschlag von Bondi


Eine Wochen nach dem antisemitischen Terroranschlag von Bondi Beach entscheidet sich Australiens Regierung gegen maximale Transparenz. Premierminister Anthony Albanese setzt auf eine interne Prüfung statt auf eine unabhängige staatliche Untersuchung. In der jüdischen Gemeinschaft und im Parlament wächst die Wut.

Australiens Premier verweigert staatliche Untersuchung zum Terroranschlag von Bondi

Australien steht unter Schock. Fünfzehn Tote, Dutzende Verletzte, ein Anschlag mitten in Sydney, verübt während Chanukka, mit klarer jihadistischer Motivation. Doch statt einer umfassenden staatlichen Untersuchung, wie sie das australische Recht für nationale Katastrophen vorsieht, wählt die Regierung einen anderen Weg. Anthony Albanese lehnt eine Royal Commission ab und ordnet stattdessen eine begrenzte Überprüfung durch das eigene Regierungsapparat an.

Diese Entscheidung ist politisch brisant und gesellschaftlich explosiv. Denn eine Royal Commission gilt in Australien als stärkstes Instrument demokratischer Aufarbeitung. Sie ist unabhängig, mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und dient genau einem Zweck: dem Staat selbst unbequeme Fragen zu stellen. Genau dieses Instrument will der Premier nun nicht einsetzen.

Eine Regierung, die sich selbst untersucht

Die von Albanese angeordnete Prüfung wird vom Büro des Premierministers und des Kabinetts geleitet. Sie soll klären, ob föderale Sicherheits und Nachrichtendienste ausreichend aufgestellt sind, um die Bevölkerung zu schützen. Geleitet wird sie von Dennis Richardson, einem erfahrenen ehemaligen Verteidigungsbeamten. Die Ergebnisse sollen erst im April 2026 veröffentlicht werden.

Formal klingt das nach Verantwortungsbewusstsein. Politisch jedoch wirkt es wie ein Rückzug. Eine Untersuchung ohne richterliche Unabhängigkeit, ohne öffentliche Anhörungen, ohne Zeugenvorladungen. Kritiker sprechen offen davon, dass hier die Regierung sich selbst kontrolliert. In einem Land, das Transparenz und Rechenschaft als demokratische Grundpfeiler versteht, ist das ein fatales Signal.

Der Anschlag von Bondi Beach war kein isoliertes Gewaltverbrechen. Er war ein gezielter Terrorakt, inspiriert vom sogenannten Islamischen Staat, verübt von einem Vater und seinem Sohn. Der Täterhintergrund, die Sicherheitslücken, mögliche Versäumnisse der Behörden all das verlangt nach vollständiger Offenlegung. Stattdessen bleibt vieles im Dunkeln.

Jüdische Gemeinschaft und Opposition reagieren mit Entsetzen

Besonders scharf fällt die Reaktion der jüdischen Gemeinschaft aus. Alex Ryvchin, Vorsitzender des Exekutivrats der australischen Juden, spricht von massiven Versäumnissen auf höchster Ebene. Die Verantwortung beginne nicht bei einzelnen Beamten, sondern bei der politischen Führung selbst. In Gesprächen mit Medien schildert er eine Gemeinschaft, die sich im Stich gelassen fühlt.

Auch im Parlament wächst der Druck. Die unabhängige Abgeordnete Allegra Spender fordert eine wirklich unabhängige Untersuchung mit vergleichbaren Befugnissen wie eine Royal Commission. Ihre Begründung ist klar und schwer zu widerlegen: Eine interne Prüfung kann niemals das Vertrauen schaffen, das eine Gesellschaft nach einem solchen Trauma braucht.

Oppositionsführerin Susan Ley geht noch weiter. Sie verlangt eine föderale staatliche Untersuchung, die nicht nur den Anschlag selbst, sondern auch den zunehmenden Antisemitismus in Australien, die Effektivität der Terrorabwehr und politische Fehlentscheidungen in den Fokus nimmt. James Paterson, ein führender Sicherheitspolitiker der Opposition, nennt die Entscheidung des Premierministers offen absurd. Ein so begrenzter Ansatz sei der schwerste Terroranschlag der australischen Geschichte schlicht nicht würdig.

Mehr als eine Sicherheitsfrage

Was sich hier abzeichnet, ist mehr als ein Streit über Untersuchungsformate. Es geht um das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, um Vertrauen, um das Gefühl von Sicherheit. Für die jüdische Gemeinschaft in Australien ist der Anschlag von Bondi ein traumatischer Einschnitt. Er reiht sich ein in eine wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle, die seit dem 7. Oktober weltweit zunehmen.

Eine Royal Commission hätte ein klares Signal gesetzt: Der Staat nimmt den Schutz seiner Minderheiten ernst und ist bereit, eigene Fehler schonungslos offenzulegen. Die Entscheidung dagegen wird nun als politisches Kalkül gelesen. Als Versuch, Kontrolle zu behalten, statt Verantwortung zu teilen.

Australien steht damit an einem Scheideweg. Die Frage ist nicht nur, ob Sicherheitsstrukturen verbessert werden. Die entscheidende Frage lautet, ob die Regierung bereit ist, sich dem öffentlichen Urteil zu stellen. Vertrauen lässt sich nicht verordnen. Es entsteht durch Offenheit, Konsequenz und den Mut zur Selbstkritik.

Der Anschlag von Bondi Beach verlangt genau das. Alles andere wirkt wie ein Rückzug vor der eigenen Verantwortung.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Australian Government - This photo is the same work as (https://www.transparency.gov.au/sites/default/files/styles/content_full_width/public/content_images/anthony_albanese_desk-1-1666573342750.jpg?itok=fjdZqXRH), which was published by the Australian Government under the CC-BY-4.0 licence on the web page https://www.transparency.gov.au/annual-reports/department-prime-minister-and-cabinet/reporting-year/2021-22-10 (copyright info), CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=118269502


Sonntag, 21 Dezember 2025

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