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Nach Chanukka-Brandanschlag erklärt Polizei, es gebe keine Hinweise auf weitere Gefahr

Nach Chanukka-Brandanschlag erklärt Polizei, es gebe keine Hinweise auf weitere Gefahr


Ein gezielter Brandanschlag auf ein offen jüdisches Symbol erschüttert Melbourne. Die Polizei benennt einen Tatverdächtigen und spricht von fehlenden Hinweisen auf weitere Risiken. Doch diese Einschätzung fällt nur Tage nach dem tödlichen Angriff von Bondi Beach und trifft auf eine jüdische Gemeinschaft, die längst im Alarmzustand lebt.

Nach Chanukka-Brandanschlag erklärt Polizei, es gebe keine Hinweise auf weitere Gefahr

Nach dem Brandanschlag auf ein mit Chanukka-Symbolen geschmücktes Fahrzeug im Osten von Melbourne hat die Polizei des Bundesstaates Victoria einen Tatverdächtigen benannt und zugleich erklärt, es gebe derzeit keine konkreten Hinweise auf eine weitergehende Gefahr. Diese Aussage steht nun im Mittelpunkt einer Debatte, die weit über den einzelnen Vorfall hinausreicht.

Der Anschlag ereignete sich in den frühen Morgenstunden im Stadtteil St Kilda East. Ein Auto, auf dessen Dach ein deutlich sichtbares Chanukka-Zeichen angebracht war, wurde mit einem Brandsatz attackiert und erheblich beschädigt. Zum Zeitpunkt der Tat befand sich niemand im Fahrzeug. Aus einem nahegelegenen Wohnhaus wurden vorsorglich eine Frau und drei Kinder evakuiert. Verletzt wurde niemand. Die Symbolik der Tat jedoch ist eindeutig und gezielt.

Die Ermittler benannten den 47-jährigen John Argento als zentrale Person von Interesse. Er ist polizeibekannt, lebt ohne festen Wohnsitz und wird wegen anderer Delikte gesucht. Die Polizei rief ihn öffentlich dazu auf, sich zu melden. Gleichzeitig prüfen die Behörden, ob Argento auch mit einem weiteren Vorfall in derselben Gegend in Verbindung steht, bei dem kurz zuvor ein anderes Fahrzeug beschädigt wurde.

In einer offiziellen Erklärung betonte die Polizei, man verstehe die Verunsicherung der jüdischen Gemeinschaft, sehe jedoch aktuell keine Anhaltspunkte für eine breitere Bedrohungslage. Diese Einschätzung wird von vielen als juristisch korrekt, aber gesellschaftlich unzureichend empfunden. Denn sie erfolgt in einem Klima, das von wachsender Angst geprägt ist und in dem Vertrauen in präventive Sicherheitszusagen erschüttert wurde.

Nur wenige Tage zuvor hatte der tödliche Angriff in Bondi Beach das Land erschüttert. Auch dort gab es im Vorfeld keine Hinweise, die eine Tat hätten verhindern können. Für viele jüdische Australierinnen und Australier wirft das eine einfache, aber unbequeme Frage auf. Wenn Gefahren erst im Nachhinein erkannt werden, welchen Wert haben dann beruhigende Einschätzungen im Vorfeld.

Vertreter jüdischer Organisationen machen deutlich, dass es ihnen nicht um Panikmache geht, sondern um Realismus. Der Brandanschlag sei kein abstrakter Vorfall, sondern ein Angriff auf religiöse Sichtbarkeit. Ein Auto mit Chanukka-Zeichen wird nicht zufällig ausgewählt. Es wird ausgewählt, weil es jüdisch ist. Diese Tatsache lasse sich nicht durch den Hinweis relativieren, es gebe keine weiteren Hinweise.

Auch politisch wurde der Anschlag deutlich verurteilt. Australiens Premierminister Anthony Albanese sprach von einem mutmaßlich antisemitischen Akt und erklärte, Hass habe in Australien keinen Platz. Die Regierungschefin des Bundesstaates Victoria, Jacinta Allan, sicherte der jüdischen Gemeinschaft Solidarität und Unterstützung zu. Worte, die wichtig sind, aber von vielen als unzureichend empfunden werden, solange sie nicht von spürbaren Maßnahmen begleitet werden.

Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft wächst der Eindruck, dass zwischen offizieller Einschätzung und gelebter Realität eine Lücke klafft. Antisemitische Vorfälle, Beschimpfungen, Drohungen und Sachbeschädigungen gehören für viele längst zum Alltag. Der Brandanschlag auf ein Chanukka-Symbol wird deshalb nicht als Einzelfall wahrgenommen, sondern als weiterer Punkt in einer Kette.

Die Polizei verweist darauf, dass Ermittlungen sachlich bleiben müssen und sich an Beweisen orientieren. Das ist rechtsstaatlich geboten. Gleichzeitig zeigt der Fall, wie begrenzt der Schutz wirkt, wenn er sich allein auf das Fehlen konkreter Hinweise stützt. Sicherheit wird von den Betroffenen nicht als statistische Einschätzung erlebt, sondern als Gefühl von Schutz im Alltag.

Der Anschlag in Melbourne macht deutlich, wie sensibel der gesellschaftliche Kontext geworden ist. Beruhigende Formulierungen verlieren an Wirkung, wenn sie kurz nach Gewalttaten fallen, die ebenfalls als unvorhersehbar galten. Für viele jüdische Familien ist nicht entscheidend, ob eine Gefahr offiziell verneint wird, sondern ob sie sich sichtbar geschützt fühlen.

Solange der Tatverdächtige nicht gefasst ist und die Hintergründe ungeklärt bleiben, wird diese Unsicherheit anhalten. Der Fall zeigt, dass die Frage nach Sicherheit nicht allein mit polizeilichen Lageeinschätzungen beantwortet werden kann. Sie ist auch eine politische und gesellschaftliche Frage. Und sie wird in Australien derzeit lauter gestellt als je zuvor.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X


Freitag, 26 Dezember 2025

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