Der wahrscheinliche Untergang des Islamismus

Der wahrscheinliche Untergang des Islamismus


Der wahrscheinliche Untergang des Islamismus

von Prof. Daniel Pipes, The Washington Times, 22. Juli 2013

Noch 2012 schien es so, als könnten die Islamisten ihre vielen internen Unterschiedlichkeiten - konfessionell (sunnitisch, schiitisch), politisch (monarchisch, republikanisch), taktisch (politisch, gewalttätig) und in der Haltung gegenüber der Moderne (Salafisten, Muslimbruderschaft) - überwinden und miteinander kooperieren. In Tunesien z.B. fanden Salafisten und die Muslimbruderschaft (MB) eine gemeinsame Plattform. Unterschiede zwischen all diesen Gruppen waren real, aber zweitrangig, wie ich es damals formulierte, weil "alle Islamisten in die gleiche Richtung ziehen, hin zur vollen und strengen Anwendung des islamischen Rechts (der Scharia)".

Die Art der Zusammenarbeit dauert in kleinen Dingen an, wie vor kurzem ein Treffen zwischen einem Mitglied der herrschenden Partei in der Türkei und dem Leiter einer salafistischen Organisation aus Deutschland zeigt. Doch die Islamisten sind sich in den letzten Monaten abrupt und überwältigend gegenseitig an die Gurgel gegangen. Islamisten bilden immer noch eine gemeinsame Bewegung, deren Mitglieder ähnliche utopische und Vorherrschaftsziele teilen, doch sie haben auch unterschiedliches Personal, ethnische Zugehörigkeit, Handlungsweisen und Philosophien.

Interne islamistische Feindseligkeiten sind in vielen anderen Ländern mit muslimischer Mehrheit aufgeflammt. Sunnitisch-schiitische Spannungen kann man bei der Türkei gegen den Iran sehen, auch wegen unterschiedlichen Ansätzen des Islamismus; ebenso im Libanon wo sich dessen sunnitische gegen schiitische Islamisten sowie die sunnitischen Islamisten gegen die Armee stellen; außerdem die sunnitischen gegen die schiitischen Islamisten in Syrien, die sunnitischen gegen die schiitischen Islamisten im Irak, die sunnitischen gegen die schiitischen Islamisten in Ägypten und die Houthis gegen die Salafisten im Jemen.

Noch häufiger bekämpfen sich aber Mitglieder derselben Konfession: Khamenei gegen Ahmadinedschad im Iran, die AKP gegen die Gülenisten in der Türkei, Asa´ib Ahl al-Haq gegen Muqtada al-Sadr im Irak, Monarchie gegen die MB in Saudi-Arabien, Islamische Befreiungsfront gegen die Nusra-Front in Syrien, Ägyptens MB gegen die Hamas (bezüglich der Feindseligkeiten gegenüber Israel), MB gegen die Salafisten in Ägypten; und die Kollision zweier führenden Ideologen und Politiker im Sudan, Omar al-Bashir gegen Hassan al-Turabi. In Tunesien bekämpfen die Salafisten (namens Ansar al-Sharia) die MB-artige Organisation (namens Ennahda).
Scheinbar unwichtige Differenzen können eine komplexe Qualität annehmen. Versuchen Sie einfach einmal der undurchsichtigen Berichterstattung einer Beiruter Zeitung zu den Feindseligkeiten in der nordlibanesischen Stadt Tripolis zu folgen.

Zusammenstöße zwischen den verschiedenen Gruppen in Tripolis, geteilt zwischen den politischen Bewegungen "8. März" und "14. März", nehmen zu. Seit im Oktober Geheimdienstchef Brigadegeneral Wisseam al-Hasan ermordet wurde, eine Führungskraft der Bewegung 14. März, steuern die Auseinandersetzungen in Tripolis auf einen größeren Flächenbrand zu , insbesondere nach der Tötung von Scheik Abdel-Razzaq Azmar, einem offiziellen Vertreter der islamischen Tawhid-Bewegung, nur Stunden nach dem Tod Hasans. Der Scheik wurde während eines bewaffneten Zusammenstoßes erschossen, der ausbrach, als Unterstützer von Kanaan Naji - einer mit der National-islamistischen Sammlung verbundenen, unabhängigen islamistischen Persönlichkeit - versuchte den Hauptsitz der islamischen TAwhid-Bewegung zu erobern.

Dieses Bruchmuster erinnert an die Spaltung der pan-arabischen Nationalisten der 1950-er Jahre. Sie strebten die Vereinigung aller Arabisch sprechenden Völker an, die zugehörige Formulierung lautete "vom [Atlantischen] Ozean bis zum [Persischen] Golf". So verlockend der Traum war, seine Führer fingen Streit an, als die Bewegung an Stärke zunahm, was den pan-arabischen Nationalismus dem Untergang weihte, bis zu dem Punkt, an dem er schließlich unter dem Gewicht der kaleidoskopischen und immer kürzer auf einander folgenden Zusammenstöße zusammenbrach. Dazu gehörte:

Gama Abdel Nasser in Ägypten gegen die in Syrien und dem Irak regierenden Ba´th (oder Baath) -Parteien.
Die syrische Ba´th-Partei gegen die irakische Ba´th-Partei.
Die sunnitischen syrischen Ba´thisten gegen die alawitischen syrischen Ba´thisten.
Die jihadistisch-alawitischen syrischen Ba´thisten gegen die assadistisch-alawitischen syrischen Ba´thisten.

Und so weiter. Fakt ist, dass jeder Versuch eine arabische Union zu bilden fehl schlug - insbesondere die Vereinte Arabische Republik zwischen Ägypten und Syrien (1958-1961), doch auch unbedeutendere Versuche wie die Arabische Förderation (1958), die Vereinigten Arabischen Staaten (1958-1961), die Föderation der Arabischen Republiken (1972-1977), die syrische Vorherrschaft im Libanon (1976-2005) und die irakische Annexion Kuwaits (1990/91).
Die Zwietracht unter den Islamisten spiegelt tief gehende nahöstliche Muster, die gleichermaßen verhindern, dass sie zusammenarbeiten. Während die Bewegung rasch anschwillt, ihre Mitglieder Macht und dann sogar die Herrschaft erreichen, schaffen die Risse zunehmend Uneinigkeit. Rivalitäten, die überdeckt wurden, wenn Islamisten in der Opposition schmachteten, dringen empor, wenn sie die Macht ausüben.

Sollte die zur Spaltung neigende Tendenz anhalten, ist die islamistische Bewegung dem Untergang geweiht, wie der Faschismus und der Kommunismus; er wird nicht mehr als eine zivilisatorische Bedrohung sein, die immensen Schaden anrichtet, aber nie die Oberhand behält. Diese mögliche Begrenzung der islamistischen Macht, die erst 2013 sichtbar wurde, bietet Grund für Optimismus, aber nicht für Selbstgefälligkeit. Selbst wenn die Dinge heller erscheinen als vor ein paar Jahren, könnten Trends sich schnell wieder umkehren. Die lange und schwierige Aufgabe den Islamismus zu besiegen, liegt weiter vor uns.

Nachtrag vom 22. Juli 2013:

Die Untergruppen der pan-arabischen Nationalisten der 1950-er Jahre erinnern an eine Parodie des amerikanischen Komikers Emo Philips (zur besseren Lesbarkeit leicht angepasst):

Ich sah mal diesen Typen auf einer Brücke, der gerade springen sollte.
Ich sagte: "Tu´s nicht!" Er sagte: "Niemand liebt mich."
"Gott liebt dich. Glaubst du an Gott?" Er sagte: "Ja."
"Ich auch! Bist du Christ oder Jude?" Er sagte: "Christ."
"Ich auch! Protestant oder Katholik?". Er sagte: Protestant."
"Ich auch! Welche Kirche?" Er sagte: "Baptisten."
"Ich auch! Nördliche Baptisten oder Südliche Baptisten?" Er sagte: "Nördliche Baptisten."
"Ich auch! Nördliche Konservative Baptisten oder Nördliche Liberale Baptisten?" Er sagte: Nördliche Konservative Baptisten."
"Ich auch! Nördliche Konservative Baptisten von der Großen Seen oder Nördliche Konservative Baptisten im Osten?" Er sagte: "Nördliche Konservative Baptisten von den Großen Seen."
"Ich auch! Versammlung Nördlicher Konservativer Baptisten von den Großen Seen von 1879 oder Versammlung Nördlicher Konservativer Baptisten von den Großen Seen von 1912?" Er sagte: "Versammlung Nördlicher Konservativer Baptisten von den Großen Seen von 1912."
Ich sagte: "Stirb, Ketzer!" und stieß ihn hinunter.

 

Übersetzung: H. Eiteneier - Foto: Irans Diktator Ali Khamenei hat auch schon bessere Zeiten gesehen (Foto: Wikimedia)

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Donnerstag, 25 Juli 2013

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