Nicht nur eine Stilfrage: antisemitische Bilder bei der Show Roger Waters

Nicht nur eine Stilfrage: antisemitische Bilder bei der Show Roger Waters


Nicht nur eine Stilfrage: antisemitische Bilder bei der Show Roger Waters

In schwarzem Ledermantel steht ein Mann im Zentrum der Bühne, am rechten Arm eine rote
Binde, im Hintergrund schwarze Stoffbahnen mit gekreuzten Hammern und in der Hand ein
Maschinengewehr. Die Lichter sind auf ihn gerichtet, er schießt in die Menge. Am Ende wirft
er die Arme nach oben und lässt sich von der begeisterten Menge feiern. Sind die
Assoziationen gewollt: Nürnberger Reichsparteitage, Nationalsozialismus? In der New York
Daily News1 finden sich Ausschnitte aus dieser Show. Die BZ schreibt dazu, „Das war schon
immer schwer erträglich und es ist immer wieder von Musikkritikern darauf hingewiesen
worden, dass sich Applaus bei diesen Szenen verbietet, auch wenn die Musik noch so
gigantisch ist.“2 Die Bühnenshow gehört zu Roger Waters Tour The Wall live.

Spätestens hier bekommt der Zuschauer dieses Spektakels eine Gänsehaut. Die Inszenierung
bedarf bereits an diesem Punkt einer Erklärung. Was soll das? Warum soll das deutsche
Publikum im Berliner Olympiastadion, erinnert sei hier an die Olympischen Spiele 1936 und
die damalige Dekoration, zu solch einer Show feiern? Was möchte der Künstler damit
erreichen?

Neben dieser Nationalsozialismus-Allegorie geht der Künstler aber noch einen Schritt weiter.
Er lässt ein Schwein mit Davidstern in den Bühnenhimmel steigen. Hier greift er auf alte
Symboliken zurück: Das Schwein, das im Judentum nicht-koscher ist, wurde schon im
Mittelalter für antijüdische Hetzbilder benutzt, wie zum Beispiel die Skulptur am
Regensburger Dom.

Als Verteidigung der Verwendung des Davidsterns auf dem Schwein gibt Roger Waters auf
Facebook an, dass er auch Symbole von Shell-Öl und McDonalds, Dollar-Zeichen und
Ähnliches aufs Schwein gemalt habe. Seine Show sollte unter anderem antikolonial sein,
schreibt Waters. Wozu verwendet er in diesem Zusammenhang den Davidstern, stehend
neben den anderen, für ihn negativ behafteten Symbolen? Sieht er eine jüdische
Weltverschwörung am Werk, die Juden hinter McDonalds und dem Öl? Abraham Foxman,
der Direktor der Anti-Defamation League (ADL), kritisierte vor allem die Zusammenstellung
des Davidstern mit den Symbolen des Finanzkapitals wie dem Dollerzeichen, wie die Bild-
Zeitung berichtet: „Es spiegelt das Stereotyp wieder, Juden seien geldgierig“.

Oder sieht Waters den Davidstern eher als Symbol des jüdischen Staates? Waters ist bekannt
als Aktivist im Boykott gegen Israel, der den Staat auch schon verbal entgleisend der
“ethnischen Säuberung” und “Apartheit” bezichtigt.3 Die ADL bescheinigt Waters Ausfälle gegen Israel als unterlegt mit beleidigenden und gefährlichen antijüdischen Stimmung

(“colored by offensive and dangerous undercurrents of anti-Jewish sentiment”).4

Mit der Zusammenstellung der Symbole verschwimmt auch die Inszenierung, die angeblich
antifaschistisch verstanden werden soll, mit seiner eigenen Weltsicht und ist nicht überzogen,
sondern absolut ernst gemeint. In Waters offenem Brief auf Facebook bestätigt er alle
Befürchtungen über seine Show: Das Schwein stehe für alles Böse und die Zuschauer täten
dann das Richtige am Ende und zerstörten es (“Also the pig in question represents evil, and
more specifically the evil of errant government. We make a gift of this symbol of repression
to the audience at the end of every show and the people always do the right thing. They
destroy it.“).5 Wir stellen uns das Bild vor: Das deutsche Publikum erschießt das Davidstern-
Schwein unter Jubel im Olympiastadion. Waters selber weist den Vorwurf des
Antisemitismus zurück und argumentiert, er habe gute jüdische Freunde und eine jüdische
Schwiegertochter. Er ist damit nicht originell sondern benutzt altbekannte
Verteidigungsmuster. Persönliche Kontakte sind leider offensichtlich nicht ausreichend um
von Kollektivzuschreibungen abzusehen. Antisemitismus ist nicht nur die rassenbiologische
Sicht auf Juden, der pseudowissenschaftliche Versuch Juden als minderwertige Rasse zu
klassifizieren. Antisemitismus liegt auch dann vor, wenn antisemitische Stereotype und Bilder
verwendet werden (wie der geldgierige Jude, „die Judensau“) oder realitätsfremde
Weltverschwörungen phantasiert werden oder aber kollektiv Eigenschaften oder Ereignisse
„den Juden“ zugeschrieben werden.

Waters beschreibt seine Show als „antikolonial, pro freiheitlich, pro Dialog, pro Frieden, antiautoritär,
antifaschistisch“ und vieles mehr in diesem Duktus. Fest steht aber, dass die
Inszenierung nicht nur höchst zweifelhaft zu nennen ist, sondern wissentlich mit
nationalsozialistischen und antisemitischen Bildern spielt unter dem Beifall tausender
Menschen. Wie kann etwas pro Dialog sein, wenn man eine ganze Bevölkerungsgruppe zum
Abschuss freigibt? Der Davidstern ist ein Symbol für das Judentum, der bei Waters zum
Bösen der Welt gerechnet wird.

Michael Szentei-Heise, der Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, nannte
Waters daher einen „geistiger Brandstifter, für den es in unserer Stadt kein Forum geben
darf". Die Gemeinde ruft zum Boykott des Konzerts in Düsseldorf auf. Unterstützung
bekommt die Gemeinde auch von der Politik. „Sicherlich gebe es in der Kunst die Freiheit der
Meinungsäußerung“, sagt Alexander Fils, Ratsmitglied der Stadt Düsseldorf in der RP Online.
„Ich persönlich halte aber nichts davon, dabei Nazi-Symbole einzusetzen. […] Das ist
Kokettieren mit dem Verbotenen, um sich selbst ins Zentrum zu setzen", sagt Fils. Die
Inszenierung von Waters sei "überflüssig und dumm", die Jüdische Gemeinde habe
vollkommen Recht.“ 6

Lala Süsskind, Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus
(JFDA) bemerkt vor seinen Auftritten in Deutschland: „Die Benutzung antisemitischer Bilder,
noch dazu an einem historisch hoch sensiblen Ort wie dem Olympiastadion, sprengt die
künstlerische Freiheit. Wir sollten dem eine klare Absage erteilen, nicht nur durch jüdische
Organisationen.“

 

Lisa Bork, Levi Salomon - Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus / Foto:  By Jethro (Eigenes Werk) [<font><font>CC-BY-SA-2.5</font></font>], via Wikimedia Commons

 

Anmerkungen

1 http://www.nydailynews.com/entertainment/roger-waters-facing-german-boycott-anti-semitic-pig-article-
1.1441081
2 http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/the-wall-eklat-um-das-fliegende-schwein-article1729267.html
3 http://haolam.de/Israel-Nahost/2013-8/artikel_14495.html und http://www.jpost.com/Diplomacy-and-
Politics/Open-letter-from-Roger-Waters-calls-on-musicians-to-boycott-Israel-323650
4 http://www.adl.org/press-center/press-releases/israel-middle-east/adl-open-letter-to-roger-waters.html
5 https://www.facebook.com/notes/roger-waters-the-wall/an-open-letter-from-roger-waters/688037331210720
6 http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldorf/nachrichten/waters-zu-nazi-symbolik-bin-keinantisemit-
1.3641212

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Dienstag, 03 September 2013

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