Köln: Antisemitische Endlosschleife

Köln:

Antisemitische Endlosschleife


Antisemitische Endlosschleife

Seit etlichen Jahren schon ist sie zu sehen, mitten in Köln, im Schatten des Doms: jene »antisemitisch-antizionistische Installation, mit der Israel als blutsaugendes und mordendes Monster dämonisiert wird«, wie Henryk M. Broder es treffend formuliert hat. »Kölner Klagemauer« nennt sie Walter Herrmann (Foto), ihr Betreiber. Fast jeden Morgen baut er sie auf und abends wieder ab. Nach einigem juristischen Hin und Her genehmigte die Stadt Köln die aus Papptafeln bestehende Ausstellung als Dauerdemonstration und die auf den Tafeln niedergeschriebenen Kommentare – darunter solche wie »Hitler ist Vergangenheit, aber Israel ist Gegenwart!«, »Wie viele Jahrhunderte will das israelische Volk noch unsere ›Eine Welt‹ erpressen?« und »Gaza – das ›Warschauer Ghetto‹ der Palästinenser« – als Redebeiträge. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte im Jahr 2007 diese
Rechtsauffassung. Um dem Versammlungsrecht zu entsprechen, müssen immer mindestens zwei Personen an der »Klagemauer« zu finden sein. Kein Problem für Herrmann: Gleichgesinnte Mitstreiter hat er genügend. Ein Antisemit kommt ohnhein selten allein.

Lange Zeit regte sich kaum Widerspruch gegen Herrmann und sein Machwerk, doch seit einigen Jahren kommt es immer mal wieder zum Protest. Insbesondere der Kölner Schauspieler, Regisseur und Publizist Gerd Buurmann dokumentiert und kritisiert auf seiner Website Tapfer im Nirgendwo regelmäßig den Antisemitismus der »Klagemauer«. Darüber hinaus stellte er gegen Herrmann mehrere Strafanzeigen wegen Volksverhetzung. Die daraufhin von der Staatsanwaltschaft Köln eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden jedoch allesamt eingestellt, teilweise mit geradezu abenteuerlich anmutenden
Begründungen. So hieß es in einem Fall, in dem es um einen eindeutig judenfeindlichen Cartoon ging, allen Ernstes, die Zeichnung sei nicht antisemitisch, sondern drücke lediglich eine »scharfe Kritik an der israelischen Militärpolitik und deren Unterstützung durch die US-amerikanische Regierung« aus; zudem fehle die Überzeichnung von Gesichtsmerkmalen (»jüdische ›Krummnase‹ etc.«), wie sie für antisemitische Bilddarstellungen typisch sei. Mit anderen Worten: Ohne Hakennase kein Antisemitismus – schon gar nicht, wenn es um Israel geht.

Ebenfalls abgeschmettert wurde eine Beleidigungsklage, die Gerd Buurmann im April 2013 gegen Walter Herrmann angestrengt hatte, nachdem dieser ihn in einem Flugblatt als »kriminellen Israel-Lobbyisten« beschimpft hatte. Vor Gericht erstritt Herrmann einen Freispruch: Man könne, so befand die Richterin, zwar von übler Nachrede sprechen, nicht aber von einer Beleidigung. Für den Vorwurf der üblen Nachrede müsse Herrmann allerdings ein Vorsatz nachgewiesen werden – und das könne das Gericht nicht. Man ist geneigt zu sagen: Es lag wohl weniger am Können als vielmehr am Wollen.

Im umgekehrten Fall waren die Behörden dagegen weniger nachsichtig. Auf seinem Blog hatte Buurmann unlängst einige der »Klagemauer«-Parolen abgewandelt und das Wort »Israel« jeweils durch den Namen eines Mitstreiters von Walter Herrmann ersetzt, der sich auf Buurmanns Webseite in besonders unangenehmer Weise hervorgetan hatte. »Ich glaub«, schrieb Buurmann, »das drucke ich auf gelbe Pappe und stell mich vor den Dom: ›Ist Klaus Franke noch zu retten?‹, ›Hitler war damals, Franke ist heute!‹, ›Franke übt am Kölner Dom den Judenpogrom!‹«. Die Absicht dahinter lag auf der Hand: »Ich habe einen Zusammenhang hergestellt, der ähnlich absurd und überzogen ist wie die Parolen, die Klaus Franke und Walter Herrmann nahezu täglich vor dem Kölner Dom veröffentlichen«, sagte Buurmann zu Lizas Welt. Doch nun sah die Kölner Staatsanwaltschaft Handlungsbedarf: Sie leitete gegen den Künstler ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung ein, nachdem Franke Anzeige erstattet hatte. Es sei zwar berücksichtigt worden, dass Buurmann Klaus Franke nicht beleidigen oder verleumden, sondern nur »dessen Aussagen persiflieren« wollte. Dies setze Franke gleichwohl in seiner Ehre herab.

Man werde jedoch von einer weiteren Strafverfolgung absehen, so die Staatsanwaltschaft weiter, wenn der Beschuldigte 100 Euro spende. Als Zahlungsempfänger hatte die Behörde die Kölner Synagogengemeinde ausgesucht – gerade so, als wäre Gerd Buurmann der Antisemit, der durch die Überweisung an eine jüdische Einrichtung zur Buße gezwungen werden muss. Aber die Geschichte des Protestes gegen die Kölner »Klagemauer« ist längst auch eine Geschichte von Justizpossen. Buurmann beglich die Rechnung jedenfalls umgehend und erklärte gegenüber Lizas Welt: »Jeder einigermaßen verständige Leser erkennt, dass ich mich lediglich des Stilmittels der Übertreibung bedient habe, um in einer politischen Satire auf einen mehr als problematischen Zustand vor dem Kölner Dom aufmerksam zu machen. Wenn die Kölner Staatsanwaltschaft von mir nun 100 Euro für Kunstfreiheit möchte, zahle ich den Betrag gerne. Außerdem unterstützt mich die Synagogengemeinde im Kampf gegen die ›Klagemauer‹. Mit meinen 100 Euro kann sie jetzt Aktionen gegen Klaus Franke finanzieren.«

Buurmann hofft nun »auf eine Welle von Anzeigen und Klagen vieler Menschen gegen die Kölner ›Klagemauer‹«, denn jetzt könne die Kölner Staatsanwaltschaft »nur noch schwer erklären, warum die Persiflage einer Beleidigung strafbar sein soll, die Beleidigung selbst jedoch nicht«. Ein Beispiel für eine solche Strafanzeige hat er auf seinem Weblog veröffentlicht. Sie wurde gestellt, nachdem die Verantwortlichen für die »Klagemauer« den Judenmord durch die Hamas als »Volkswiderstand« verharmlost hatten. Womöglich würden durch eine Anzeigenwelle auch diejenigen Kölner Ratsfraktionen, die im Dezember 2010 auf Initiative von Oberbürgermeister Jürgen Roters eine Resolution gegen Herrmanns Hetzwand verabschiedeten, noch einmal nachdrücklich an ihre damaligen Äußerungen erinnert. Als »Dauerdemonstration des Hasses« hatten seinerzeit SPD, CDU, Grüne und FDP die »Klagemauer« bezeichnet und ihre Entfernung gefordert. Doch bis heute sind den Worten keinerlei Taten gefolgt. Fast könnte man glauben, dass der hemdsärmelige kölsche Slogan »Arsch huh, Zäng ussenander« gar nicht so gemeint ist – zumindest dann nicht, wenn es um Antisemitismus geht, der nicht von erklärten Neonazis kommt.

 

Lizas Welt


Autor: fischerde
Bild Quelle:


Montag, 29 September 2014

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