Israels Linke: Gedächtnislücken

Israels Linke:

Gedächtnislücken


Unerhörtes schlug kürzlich Yossi Beilin, einer der prominentesten Vertreter der friedensbewegten israelischen Linken, vor: In einem Offenen Brief wandte der für die Osloer Verträge maßgeblich mitverantwortliche ehemalige Minister sich an »Palästinenserpräsident« Abu Mazen und forderte ihn auf, einen »palästinensischen« Staat mit vorläufigen Grenzen auszurufen.

Gedächtnislücken

Die Regierung in Jerusalem, so der Aktivist, würde sich einem solchen Vorhaben jedenfalls nicht allzu heftig widersetzen, wisse sogar Benjamin Netanjahu doch, daß es keine andere Lösung gebe, solle eine Situation vermieden werden, in der eine jüdische Minderheit über eine arabische Mehrheit bestimme. Die Gelegenheit sei günstig, er, Abu Mazen, müsse sie nur nutzen.

 

Es lohnt leider gar nicht, über Sinn oder Unsinn von Yossi Beilins Vorschlag zu diskutieren, denn seine Idee wurde prompt zurückgewiesen: Saeb Erekat, der Generalsekretär der PLO, lehnte sie in einem über WAFA, die amtliche Nachrichtenagentur des Regimes in Ramallah, verbreiteten Kommentar ab und warf bei der Gelegenheit Yossi Beilin die Verdrehung von Fakten vor.

 

Hatte der israelische Aktivist sich auf die Roadmap des Nahost-Quartetts berufen, erklärt der ehemalige und ewige »Chefunterhändler« Abu Mazens, die »Palästinenser« hätten niemals der Möglichkeit provisorischer Grenzen zugestimmt. »Präsident Yassir Arafat hat diese Formel nie akzeptiert. Und unter Mahmoud Abbas’ Führung hat die PLO sie ebenfalls nie angenommen«.

Das ist – eine interessante Darstellung. In der Tat heißt es in der Roadmap, »in der zweiten Phase« ihrer Umsetzung »richten sich die Bemühungen auf die Option der Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit vorläufigen Grenzen und Merkmalen der Souveränität [..] als Zwischenstation auf dem Weg zu einer Einigung über den endgültigen Status«.

 

Und tatsächlich war es Abu Mazen, der einst den vehementesten Verteidiger der Roadmap gab: »DieRoadmap steht nicht zur Diskussion, sie muß umgesetzt werden«, erklärte er 2003 in seiner ersten Ansprache als neuer »Premierminister« der PA. Es ist damit nicht Yossi Beilin, sondern es ist Saeb Erekat, der einmal mehr einen kreativen Umgang mit der Wahrheit pflegt.

 

Der Generalsekretär der PLO bekräftigt mit seiner Absage an Yossi Beilins Idee, daß das Regime in Ramallah gar nicht gewillt ist, Verantwortung für das eigene Schicksal zu übernehmen. Droht auch nur die Möglichkeit, so versucht es alles, sich davor zu drücken. Das erklärt auch, weshalb es die Pariser Initiative für eine internationale Konferenz über den Konflikt mit Israel unterstützt.

 

Ein solches Treffen erspart der PLO ein echtes Bekenntnis zu Frieden und Selbstverantwortung. Die Teilnehmer einer Konferenz, wie sie die Regierung in Paris plant, können, so sie denn stattfindet, sich nur gegenseitig bestätigen, was sie ohnehin schon glauben zu wissen. Das aber wird den »Friedensprozeß« keinen Schritt voranbringen, sondern die belohnen, die ihn am wenigsten wollen.

 

 

tw_24


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Dienstag, 10 Mai 2016