Ahmed al-Tayeb: Darf ich Ihnen den \"einflussreichsten Muslim der Welt\" vorstellen?

Ahmed al-Tayeb: Darf ich Ihnen den \"einflussreichsten Muslim der Welt\" vorstellen?


Es geht nichts darüber Arabisch zu können – soll heißen: tagtäglich in die internen Gespräche der muslimischen Welt eingeweiht zu sein – um sich von den angeblichen Unterschieden zwischen sogenannten „moderaten“ und „radikalen“ Muslimen zu befreien.

Ahmed al-Tayeb: Darf ich Ihnen den \"einflussreichsten Muslim der Welt\" vorstellen?

von Raymond Ibrahim

 

Betrachten Sie den Fall des Ägypters Dr. Ahmed Al-Tayeb. Er kann kaum als Fanatiker abgetan werden, der die wahren Lehren des Islam ignoriert; Tayebs Referenzen sind eindrucksvoll: Er hat einen Doktortitel in islamischer Philosophie von der Pariser Sorbonne; er diente als Großimam Ägyptens, was bedeutet, dass er der höchster Ausleger des islamischen Rechts war; er diente sieben Jahre lang als Präsident der Al-Azhar-Universität, die als führende Institution islamischer Gelehrtheit gilt; derzeit ist er ihr Großimam. Eine Umfrage im Jahr 2013 nannte Tayeb den „einflussreichsten Muslim der Welt“.

 

Er wird auch von westlichen Medien und Akademikern regelmäßig als „moderat“ beschrieben. Die Georgetown University stellt ihn als „starken Verfechter interreligiösen Dialogs“ vor. The National gib an: „Er wird als einer der moderatesten und aufgeklärtesten sunnitischen Klerikern in Ägypten erachtet.“ Im Februar 2015 pries ihn das Wall Street Journal dafür, dass er „einen der beisher beeindruckendsten Aufrufe nach Bildungsreform in der muslimischen Welt, um die Eskalation der extremistischen Gewalt zu bekämpfen“ abgab.

 

Gerade erst wurde er in den Vatikan eingeladen und von Papst Franz herzlich begrüßt. Al-Azhar hatte vor fünf Jahren wütend alle Verbindungen zum Vatikan gekappt, als – mit den Worten von U.S. News – der ehemalige Papst Benedikt „stärkeren Schutz für Christen in Ägypten gefordert hatte, nachdem an Neujahr ein Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria 21 Menschenleben forderte. Seitdem haben die Angriffe auf Christen in der Region nur noch zugenommen.“

 

Papst Franz bezog sich auf sein Treffen mit Tayeb als Beweis, dass Muslime friedfertig sind: „Ich hatte ein langes Gespräch mit dem Imam, dem Großimam der Al-Azhar-Universität und ich weiß wie sie [die Muslime] denken. Sie streben Frieden, Begegnung an.“

 

Wie bringt man Tayebs gütiges Image im Westen mit der Realität in Ägypten überein?

Zum Beispiel erschien Tayeb den gesamten Monat des Ramadan über im ägyptischen Fernsehen und erklärte alles Islamische – oft auf Weisen, die nicht nahelegen, dass der Islam „Frieden, Begegnung“ anstrebt.

 

Bei einer Episode bestätigte er eine Formulierung, dir fast ausschließlich mit Radikalen verbunden ist: Auf Arabisch al-din wa’l-dawla, was bedeutet: „die Religion und das Gemeinwesen“ – eine Formulierung, die vom Islam sagt, dass er sowohl eine Religion und ein Regelwerk ist, das Gesellschaft und Staat beherrscht.

 

Das machte er im Zusammenhang einer Diskussion um die Bemühungen von Dr. Ali Abdel Raziq, einem wahren Reformer und ehemaligen Professor an der Al-Azhar, der 1925 ein populäres, aber kontroverses Buch schrieb – ein Jahr nach der Abschaffung des osmanischen Kalifats. Übersetzt lautet der Titel: Der Islam und die Wurzeln der Staatsführung. Darin argumentiert Raziq gegen die Idee der Wiedererrichtung des Kalifats, wobei er sagt, dass der Islam eine persönliche Religion ist, die nicht länger mit Politik oder Regierung vermischt werden sollte.

Raziq wurde von vielen Klerikern heftig kritisiert und sogar von der Al-Azhar gefeuert. Tayeb pflichtete bei:

 

Die Haltung der Al-Azhar war seine Position abzulehnen; sie sagte, er verwirkte seine Legitimation und seinen Glauben. Ein große Anzahlulema – innerhalb und außerhalb von Ägypten und in der Al-Azhar – lehnten seine Arbeit und ihre Behauptung ab, dss der Islam eine Religion, aber keine Staatsorganisation sei. Stattdessen bestätigten sie, dass der Islam sowohl eine Religion als auch eine Staatsorganisation ist [wörtlich: al-din wa’l-dawla]

 

Das Problem der Idee, dass der Islam die gesamte Gesellschaft regulieren muss, sollte offensichtlich sein: Die Scharia – das islamische Recht – auf das sich jeder Muslim, einschließlich Tayeb bezieht, wenn er sagt, dass der Islam eine Staatsorganisation ist, steht in grundlegendem Widerspruch zu modernen Vorstellungen von Menschenrechten und – infolge der Aspekte, dieÜberlegenheit beanspruchen und sich „gegen Ungläubige“ richten – Quelle von Konflikt zwischen Muslimen und Nichtmuslimen überall in der Welt.

 

Dass dem so ist, wurde während einer weiteren der jüngsten Begebenheiten mit Tayeb klar. Auf die Frage des Glaubensabfalls im Islam – ob eine Muslim das Recht hat den Islam zugunsten einer anderen oder gar keiner Religion zu verlassen – ist die „radikale“ Haltung wohlbekannt: reuelose Abgefallene müssen mit dem Tod bestraft werden.

Tayeb verkündete allerdings dasselbe. Während einer weiteren Ramadan-Begebenheit sagte er: „Zeitgenössische Apostasie stellt sich in Gestalt von Verbrechen, Überfällen und Hochverrat vor, wir gehen damit also heute als Verbrechen um, dem entgegengetreten und das bestraft werden muss.“

 

Tayeb fügte hinzu, was alle Muslime wissen: „Die im islamischen Recht Gebildeten [al-fuqaha] und die Imame der vier Rechtsschulen betrachten Glaubensabfall als Verbrechen und stimmen überein, dass der Abgefallene entweder seinem Abfall abschwören oder getötet werden muss.“ Er zitierte sogar ein Hadith – eine Tradition – des islamischen Propheten Mohammed, in der er die Hinrichtung von Muslimen fordert, die den Islam verlassen.

 

Währenddessen sag Tayeb Westlern, wenn er zu ihnen oder zu nichtmuslimischem Publikum spricht, wie er es während seiner aktuellen Europa-Tour machte, was sie hören wollen. In einer Rede vor einem internationalen Forum behauptete er: „Der Koran erklärt, dass es in der Religion keinen Zwang gibt.“ Und: „Verusche Menschen in eine Religion zu zwingen, sind gegen den Willen Gottes.“ Gleichermaßen behauptete Tayeb, als er sich mit Pier Ferdinando Casini vom außenpolitischen Ausschuss des italienischen Senats traf: „Der Islam ist die Religion des Friedens, der Kooperation und der Gnade… Der Islam glaubt an Meinungsfreiheit und Menschenrechte und erkennt die Rechte aller menschlichen Wesen an.“

 

Während solch offene Heuchelei – auch als taqiyya bekannt – im Westen unbemerkt bleiben kann, stellen ihn Menschenrechtsgruppen in Ägypten oft zur Rede. Das Kairo-Institut für Menschenrechte veröffentlichte vor kurzem eine Stellungnahme, die Al-Azhar beschuldigte zwei Gesichter zu haben: eines für den Westen, das Freiheit und Toleranz predigt, und eines für die Muslime, das nicht viel anders als ISIS klingt:

 

Im März 2016 machte Scheik al-Tayeb vor dem deutschen Parlament unmissverständlich klar, dass vom Koran Religionsfreiheit garantiert wird, während er in Kairo genau das Gegenteil geltend machte… Terrorismus und radikale religiöse Ideologien zu bekämpfen wird nicht geleistet, wenn man dem Westen und seinen internationalen Institutionen gegenüber religiösen Dialoge führt, die offen sind, internationalen Frieden unterstützen und Rechte und Freiheiten respektieren, während man intern Ideen fördert, die über die Medien und Bildungslehrpläne der Al-Azar und der Moscheen zur Verbreitung gewalttätigen Extremismus beitragen.

 

Wenn also Tayeb solch drakonische Ansichten zum Abfall vom Islam hat – heißt: wenn er in Arabisch zu Mitmuslimen spricht – wie sieht dann seine Haltung zum Islamischen Staat aus? Letzten Dezember wurde Tayeb gefragt, warum die Al-Azhar es ablehnt eine formelle Erklärung abzugeben, mit der dievölkermörderische Terrororganisation verurteilt wird, sie falle in einen Zustand des kufr – soll heißen, sie werde unislamisch oder „ungläubig“. Tayebantwortete:

 

Al-Azhar kann keinen [Muslim] beschuldigen kafir [ungläubig] zu sein, solange er an Allah und den Jüngsten Tag glaubt – selbst wenn er jede Gräueltat begeht… Ich kann ISIS nicht als unislamisch verurteilen, aber ich kann sagen, dass sie der Erde Verderben bereiten.

 

Aber Kritiker wie der ägyptische Talkshowmaster Ibrahim Eissa stellten heraus: „Es ist erstaunlich. Al-Azar besteht darauf, dass ISIS Muslime sind und lehnt es ab sie zu verurteilen. Aber Al-Azhar hört nie auf Äußerungen herauszuschießen, die auf Romanautoren, Schriftsteller, Denker schießen – jeden, der etwas sagt, das ihren Ansichten widerspricht – sie würden in einen Zustand des Unglaubens abrutschen. Aber nicht, wenn es um ISIS geht!“

 

Das sollte nicht überraschen, bedenkt man, dass viele Insider Al-Azhar beschuldigen die von ISIS begangenen Gräuel zu lehren und zu legitimieren. Scheik Muhammed Abdallah Nasr, ein Gelehrter für islamisches Recht und Absolvent von Al-Azhar, stellte einmal seine Alma Mater in einem Fernsehinterview bloß:

 

Sie [Al-Azhar] kann [den Islamischen Staat nicht als unislamisch verurteilen]. Der Islamische Staat ist ein Nebenprodukt des Programms der Al-Azhar. Kann also Al-Azhar sich selbst als unislamisch verurteilen? Al-Azhar sagt, es muss ein Kalifat geben und dass die muslimische Welt verpflichtet ist [dieses zu gründen]. Al-Azhar lehrt das Gesetz des Glaubensabfalls und den Abgefallenen zu töten. Al-Azhar ist religiösen Minderheiten gegenüber feindlich und lehrt Dinge wie dass keine Kirchen gebaut werden dürfen. Al-Azhar unterstützt die Institution der Jizya. Al-Azhar lehrt die Steinigung von Menschen. Also: Kann Al-Azhar sich selbst als unislamisch verurteilen?

 

Gleichermaßen merkte der ägyptische Journalist Yusuf al-Husayni in seiner Satellitensendung an, als er diskutierte, dass der Islamische Staat einige seiner Opfer bei lebendigem Leib verbrannte – der berüchtigtste Fall war der jordanische Pilot: „Der Islamische Staat macht nur, was Al-Azhar lehrt.“ Er fuhr damit fort aus Lehrbüchern zu zitieren, die in der Al-Azhar verwendet werden; darin wird erlaubt Menschen – genauer gesagt: „Ungläubige“ – bei lebendigem Leib zu verbrennen.

 

Derweil vertritt Tayeb – das Gesicht und der Kopf hinter Al-Azhar – dass Europa „alle moderaten islamischen Institutionen unterstützen muss, die den Lehrplan der Al-Azhar übernehmen“, der „der qualifizierteste für die Bildung der Jugend ist“. Er sagte dies während einer Reise [in Deutschland und Frankreich] zur Förderung des Dialogs zwischen Ost und West“.

 

Was die fortgesetzte Verfolgung der sichtbarsten nichtmuslimischen Minderheit Ägyptens angeht, der koptischen Christen, so ist Tayeb bestens bekannt dafür wegzuschauen. Trotz all der gut dokumentierten „schweren Verfolgung“, die Christen in Ägypten durchleben; trotz der Tatsache, dass muslimische Mobs Christen inzwischen beinahe „alle zwei oder drei Tage“ angreifen – zu den jüngsten Beispielen gehören das Niederbrennen von Kirchen und christlichen Häusern, die kaltblütige Ermordung eines Kopten, der seine Enkel vor muslimischen Schlägern schützen wollte und das seine 70-jährige Christin ausgezogen, geprügelt und nackt durch die Straßen getrieben wurde – sagte Tayeb vor kurzem dem koptisch-christlichen Papst Tawadros: „Ägypten repräsentiet das ultimative und oberste Beispiel nationaler Einheit“ von Muslimen und Christen.

 

Obwohl er lautstark die Vertreibung von nicht ägyptischen Muslimen im buddhistischen Myanmar verurteile, hat er nicht ein einziges Wort für die Verfolgung und Vertreibung der Kopten übrig, also seiner eigenen ägyptischen Landsleute. Stattdessen proklamiert er: „Die Kopten haben seit mehr als 14 Jahrhunderten in Ägypten in Sicherheit gelebt und es gibt keine Notwendigkeit für all diese künstliche Sorge um sie.“ Er fügte hinzu: „Der wahre Terrorismus wurde vom Westen geschaffen.“

 

Tatsächlich hat er, weit davon entfernt für die christlichen Minderheiten Ägyptens einzutreten, bestätigt, dass sie „Ungläubige“ sind – genau die Kennzeichnung, die er zur Beschreibung von ISIS ablehnte. Er machte das zwar auf eine technische Art – indem er korrekt sagte, als solche, die Mohammed als Propheten ablehnten, sind Christen Ungläubige [kafir] – aber er weiß auch, dass sie auf diese Weise zu bezeichnen die Feindseligkeit rechtsgültig macht, die sie in Ägypten zu spüren bekommen und erfahren, da der Todfeind des Muslim der Ungläubige ist.

 

Das entspricht der Tatsache, dass Al-Azhar zu Feindseligkeit gegen Nichtmuslime ermutigt, besonders gegen koptische Christen und zudem zu ihrer Ermordung aufstachelt. Der ägyptische politische Kommentator Dr. Khalid al-Monaser staunte einaml:

 

Ist es in diesen sensiblen Zeiten – in denen sich mörderische Terroristen sich auf islamische Texte und Verständnis von takfir[Muslime des Glaubensabfalls zu bezichtigen], Mord, Gemetzel und Enthauptung stützen – möglich, dass das Al-Azhar-Magazin kostenlos ein Buch anbietet, dessen zweiter Teil und jede Seite – tatsächlich alle paar Zeilen – damit endet, dass „wer immer nicht glaubt [Nichtmuslime], schlagt ihm seinen Kopf ab“?

 

Die angesehene islamische Universität – die 2009 mit Gastgeber des US-Präsidenten für seine Rede „Ein Neuanfang“ war – hat sogar ein kostenloses  Heft veröffentlicht, das sich dem Beweis widmet, dass das Christentum eine „gescheiterte Religion“ ist.

 

Ich könnte immer weiter machen. Tayeb erklärte einmal zustimmend, warum islamisches Recht es einem Muslim erlaubt eine Christin zu heiraten, einer Muslima aber verbietet einen Christen zu heiraten: Da Frauen Männern von Natur aus unterstellt sind, ist es in Ordnung, wenn die Frau eine Ungläubige ist, da ihr überlegener muslimischer Ehemann sie unter Kontrolle halten wird; aber wenn die Frau muslimisch ist, ist es nicht in Ordnung, dass sie unter der Kontrolle eines Ungläubigen lebt. Gleichermaßen dürften westliche Liberale besonders verstört sein zu erfahren, dass Tayeb einst prahlte: „Ihr werden niemals eines Tages eine muslimische Gesellschaft finden, die sexuelle Freiheit,

Homosexualität usw. usw. als Rechte gestattet. Muslimische Gesellschaften betrachten diese als Krankheiten, denen widerstanden und entgegengetreten werden muss.“

 

Um es zusammenzufassen: Während Quasselköpfe im säkulare Westen, die nicht das Geringste vom Islam wissen, weiter jammern, dieser werde „missverstanden“, haben wir hier die wohl führende Autorität der muslimischen Welt, die viele der von ISIS vertretenen Kardinalpunkte bestätigt: Er glaubt, dass der Islam nicht nur eine Religion ist, die privat praktiziert wird, sondern ein totalitäres System, dazu geschaffen die gesamte Gesellschaft über die Umsetzung seiner die Menschenrechte verletzenden Scharia zu beherrschen; er unterstützt eines der inhumansten Gesetze, die Bestrafung von Muslimen, die den Islam verlassen wollen; er spielt die Notlage der in Ägypten verfolgten Christen herunter, zumindest dann, wenn er nicht gegen sie aufstachelt, indem er sie als „Ungläubige“ – die schlimmste Kategorie im Lexikon des Islam – einstuft, während er es ablehnt den völkermörderischen Islamischen Staat auf gleiche Weise zu verurteilen.

 

Dennoch wird dieser mit einem guten Ruf versehene und respektierte Islam-Gelehrte von westlichen Universitäten und Medien von der Gerogetown University bis zum Wallstreet Journal als „Moderater“ betrachtet. Er ist jemand, dem Papst Franz vertraut, ihn mit offenen Armen begrüßt und ihn zitiert, um dem Westen zu versichern, dass der Islam friedfertig ist.

Natürlich ist Tayeb in aller Fairness weder ein „Moderater“ noch ein „Radikaler“. Er ist einfach ein Muslim, der versucht dem Islam treu zu sein. Anders ausgedrückt: Er ist nur ein Bote.

 

Kritiker sollten sich sagen lassen, sie sollten anfangen sich mit der Botschaft selbst auseinanderzusetzen.

 

 

 

Übersetzt von Heplev - Foto: Ahmed al-Tayeb (Foto: Screenshot)


Autor:
Bild Quelle:


Donnerstag, 01 September 2016