Offener Brief von Gerd Buurmann an den multikulturellen Beirat Bad Säckingen

Offener Brief von Gerd Buurmann an den multikulturellen Beirat Bad Säckingen


Während bei den Jüdischen Filmtagen in Berlin völlig selbstverständlich auch ein schwuler Film gezeigt wurde, wurde bei der sogenannten "Interkulturellen Woche" in Bad Säckingen ein schwuler Film vom Programm gestrichen.

Offener Brief von Gerd Buurmann an den multikulturellen Beirat Bad Säckingen

Sehr geehrter Beirat,

 

Homosexualität zwingt viele Menschen der Welt zur Flucht. In vielen Ländern der Welt werden LGBTs nämlich verfolgt und eingesperrt. In den Ländern Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria, Saudi-Arabien, Sudan und in den Vereinigten Arabischen Emiraten droht ihnen sogar die Todesstrafe.

 

Während der interkulturellen Woche in Bad Säckingen sollte daher auf Vorschlag des Jugendhauses der mehrfach ausgezeichnete Film „Out in the Dark“ gezeigt werden. Der Film handelt von der Liebe zweier Männer, einem Juden und einem Palästinenser. Der Film zeigt besonders die Schwierigkeiten, die der palästinensische Mann aufgrund seiner Homosexualität hat. Er lebt in ständiger Lebensgefahr. Aufgrund seiner Homosexualität wird er vom Geheimdienst erpresst. Mit der Drohung, seine Homosexualität öffentlich zu machen, wird er zu Spitzeldiensten gezwungen. Eigentlich ein hervorragender Film für die interkulturelle Woche.

 

Beiratsmitglied Hans-Peter Karrer erklärt jedoch, Vertreter des türkisch-islamischen Vereins hätten dringend darum gebeten, den Film nicht zu zeigen. „Es sei ja kein Geheimnis“, so Karrer, dass Homosexualität im Islam ein „heißes Thema“ sei. Allerdings nicht nur dort, schränkt er ein, auch bei den christlichen Kirchen werde Homosexualität heute noch mitunter heftig diskutiert.

 

Sehr geehrter Hans-Peter Karrer,

 

da haben Sie Recht. Sämtliche Länder, in denen Homosexualität mit dem Tod bestraft werden, haben den Islam als Staatsreligion. Israel hingegen garantiert allen Homosexuellen gleiche Rechte bis zu den höchsten staatlichen Ämtern. Das bedeutet jedoch nicht, dass dort alles Friede, Freude, Käsekuchen ist. All das zeigt der Film „Out in the dark“. Diesen Film nicht zu zeigen ist ein Schlag ins Gesicht aller Homosexuellen!

 

Sie sagen, mit dem Ausschluss des Films seien Sie „auf die Islam-Gemeinde zugegangen, um die Kooperation im multikulturellen Beirat nicht aufs Spiel zu setzen.“

 

Sagen Sie mal, Herr Karrer, haben Sie noch alle Latten am Zaun?

Ja, die türkisch-islamische Gemeinde hat im Falle der Filmvorführung mit dem Ausstieg aus der interkulturellen Woche gedroht. Das hätte für Sie jedoch bedeuten müssen, die türkisch-islamische Gemeinde vor die Tür zu setzen! Oder ist irgendein Homosexueller zu Ihnen gekommen und hat gefordert, dass die islamische Gemeinde ausgeschlossen wird? Nein! Und das obwohl Homosexuelle in mehreren Ländern im Namen des Islams getötet werden. Das nenne ich Toleranz!

 

Diese Toleranz haben Sie nun für engstirnige und ängstliche Intoleranz vor die Tür gesetzt. Sogar die bereits gedruckten Flyer für die Veranstaltung ließen Sie einstampfen, weil dort der Film angekündigt wurde.

Oguz Islam, ein Vertreter der islamischen Gemeinde, verteidigt Ihre Entscheidung und erklärt das Thema des Films habe nichts mit dem Motto der interkulturellen Woche zu tun. Zudem sei Thema Homosexualität für den Islam ein kritischer Punkt und gerade deshalb habe man mehr Sensibilität erwartet.

Sehr geehrter Oguz Islam,

 

ich erwarte mehr Sensibilität für all die Menschen, die im Namen des Islams verfolgt, eingekerkert, gefoltert, gehängt, gesteinigt, verbrannt, ermordet und von Dächern geworfen werden, nur weil sie lieben, wie sie lieben!

 

Auch Vertreter der christlichen Kirche schlagen sich auf die Seite jener, die die Liebe aus dem Programm werfen. Laut des evangelischen Pfarrers Winfried Oelschlegel sei man sich im Beirat „einig gewesen“, den Film aus dem Programm zu nehmen. Oelschlegel sagte gegenüber dem Südkurier, dass ein Schwulenfilm „im Grunde nicht richtig“ in den Themenkreis der interkulturellen Woche passe. Der Hauptthemenpunkt unter dem Motto„Vielfalt statt Einfalt“ sei schließlich Integration: „Wir haben die interkulturelle Woche nicht mit diesem zusätzlichen Thema belasten wollen.“

Lieber Winfried Oelschlegel,

 

haben Sie eigentlich noch alle Latten am Kreuz? Homosexuelle Menschen belasten die interkulturelle Woche? Nicht Homosexualität belastet die interkulturelle Woche, sondern die Entscheidung, das Thema Homosexualität auszuschließen. Oder ist es gar nicht nur die Homosexualität, die der Grund für den Ausschluss war, sondern die Tatsache, dass der Film „Out in the dark“ aus Israel kommt?

 

Die Länder Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria, Saudi-Arabien, Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate kann ich nicht besuchen, weil ich mich der homosexuellen Liebe hingegeben habe und daher fürchte, dort verfolgt zu werden. Die Länder Kuwait, Libanon, Libyen, Saudi Arabien, Sudan, Syrien, Jemen und der Iran wiederum haben ein Einreiseverbot gegen mich ausgesprochen, weil ich in Israel war. Diese Länder hassen Israel so sehr, dass sie alles hassen, was mit Israel zu tun hat.

 

Ich kann daher nicht das bunte Nachtleben Libyens erleben und die Schwulen- und Lesbenszene im Sudan muss auch ohne mich auskommen. Ich kann auch nicht mehr mit Feministinnen im Auto um die Blocks von Saudi Arabien ziehen. Dafür kann die türkisch-islamische Gemeinde an Ihrer interkulturellen Woche teilnehmen, weil ein israelischer Film über Homosexualität aus dem Programm geworfen wurde. Bei Homosexuellen und Israelis scheint die interkulturelle Woche aufzuhören.

 

Das ist nicht städtisch geförderte Toleranz. Das ist städtisch geförderte Intoleranz! Ich erwarte einen stürmischen Protest.

 

 

Gerd Buurmann, Tapfer im Nirgendwo


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Sonntag, 02 Oktober 2016