Deutschland definiert den meisten Antisemitismus weg

Deutschland definiert den meisten Antisemitismus weg


Unter amerikanischen Juden tobt eine Debatte, ob rechter oder linker Antisemitismus die größere Bedrohung darstellt. Deutschland wartet mit einer neuen Lösung für dieses Dilemma auf, das die Leugner der linken Version zweifellos entzücken wird: Definiert Judenhass einfach um als „politisch motivierte Kriminalität von rechts“ und schon sind per Definition alle anderen Arten des Antisemitismus eliminiert.

Deutschland definiert den meisten Antisemitismus weg

von Evelyn Gordon

 

Letzte Woche veröffentlichte das deutsche Innenministerium einen Antisemitismusbericht, in dem erklärt wurde, während der ersten acht Monate diesen Jahres wurden satte 92 Prozent der antisemitischen Vorfälle von Rechtsextremen begangen. Das klang aus zwei Gründen verdächtig, zu denen ich später kommen werde, aber da ich kein Deutsch spreche, konnte ich den Bericht nicht selbst genauer unter die Lupe nehmen. Glücklicherweise fand die deutsche Tageszeitung Die Welt die Ergebnisse gleichermaßen verdächtig und diese Woche berichtete Benjamin Weinthal von der Jerusalem Post über einige der Probleme, auf die aufmerksam gemacht wurde.

 

Weinthal erklärte, dass ein früher dieses Jahr in einem von der deutschen Bundesregierung zu Antisemitismus ausgegebener Bericht „das Verbrechen des ‚Judenhasses‘ in der Kategorie der ‚politisch motivierten rechtsextremen Verbrechen‘ eingeordnet wurde“. Doch sobald Judenhass per Definition zum Verbrechen Rechter erklärt worden ist, werden die meisten Täter zwangsläufig als Rechtsextreme eingestuft, selbst wenn sie keine sein sollten.

 

Die Welt zitierte ein besonders krasses Beispiel aus dem Sommer 2014, als Israel sich mit der Hamas im Gazastreifen im Krieg befand. Der Krieg löste zahlreiche antiisraelische Proteste aus und während einem davon brüllten 20 Hisbollalh-Anhänger proisraelische Demonstranten in Berlin die Nazi-Parole „Sieg Heil“ entgegen. Die Hisbollah-Anhänger waren islamische Extremisten, keine Neonazis, auch wenn sie sich entschieden deutsche Juden zu verhöhnen, indem sie ihnen Nazi-Parolen entgegenschleuderten. Trotzdem wurde der Vorfall als rechtsextremes Verbrechen eingeordnet, womit man geschickt einen Fall islamischen Antisemitismus aus der Statistik löschte.

Es gibt zwei gute Gründe zu glauben, dass die linguistische Akrobatik in diesem Fall eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Erstens stellte eine Studie aus dem Jahr 2014, bei dem 14.000 Hassbriefe, die über einen Zeitraum von 10 Jahren an den Zentralrat der Juden in Deutschland und die israelische Botschaft in Berlin geschickt wurden, fest, dass nur drei Prozent davon von Rechtsextremen kamen. Mehr als 60 Prozent kamen von gebildeten Mainstream-Professoren, Inhabern von Doktortiteln, Rechtsanwälten, Priestern, Studenten und Oberstufenschülern. Und diese Briefe waren definitiv antisemitisch, nicht nur antiisraelisch; sie beinhalteten Kommentare wie „Ist es möglich, dass die Ermordung unschuldiger Kinder in eure lange Tradition passt?“ und „Während der letzten 2.000 Jahre habt ihr Land gestohlen und Völkermord begangen.“

 

Hasspost zu schicken ist an sich schon ein antisemitischer Vorfall, selbst wenn er nicht bei der Polizei angezeigt wird (was bei den meisten dieser Briefe zweifellos der Fall ist). Wenn man also nicht die zweifelhafte Behauptung aufstellen will, dass Deutschlands gebildeter Mainstream – anders als der in anderen westlichen Ländern – weitgehend aus Rechtsextremisten besteht, dann ist klar, dass Rechtsextremisten nicht die Einzigen sind, die aktiv antisemitische Taten begehen.

 

Zweitens stellen in anderen westlichen Ländern Europas islamische Extremisten eine wichtige Quelle antisemitischer Kriminalität dar. Daher ist es schwer zu glauben, dass Deutschland – das, wie mehrere Terroranschläge im Verlauf der letzten zwei Jahre gezeigt haben, kaum frei von solchen Extremisten ist – die einzige Ausnahme von dieser Regel ist. Im Gegenteil: Es ist leicht zu glauben, dass die deutsche Regierung ihre Definitionen manipuliert, um den islamischen Antisemitismus herunterzuspielen, weil deutsche Gerichte bereits dasselbe gemacht haben.

 

Bei dem vielleicht anrüchigsten Fall urteilte ein deutsches Gericht 2015, dass drei Palästinenser, die im Juli 2014 einen Brandanschlag auf eine Synagoge verübten, kein antisemitisches Verbrechen begingen, sondern lediglich versuchten „die Aufmerksamkeit auf den Konflikt im Gazastreifen zu lenken“. Dieses Urteil wurde später im Jahr von einem Berufungsgericht bestätigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein deutsches Gericht urteilt, ein Brandanschlag auf eine Kirche um die Aufmerksamkeit, sagen wir, auf den US-Krieg im Irak zu lenken, sei lediglich eine politische Bekundung statt eines Hassverbrechens. Doch weder die Erst- noch die Berufungsinstanz fanden etwas Antisemitisches in dem Anschlag auf ein jüdisches Gotteshaus, um gegen Israels Handeln zu protestieren (die Männer wurden wegen Sachbeschädigung an der Synagoge verurteilt, erhielten aber nur Bewährungsstrafen). Damit ist ganz presto islamischer Antisemitismus aus der Welt geschafft worden.

 

Rechtsextremer Antisemitismus ist natürlich real. Aber genauso linker und islamischer Antisemitismus. Und indem sie vorgibt Letztere existierten nicht, hat die deutsche Regierung es unmöglich gemacht diese Arten von Antisemitismus effektiv zu bekämpfen, denn man kann nichts bekämpfen, dessen Existenz anzuerkennen man sich weigert.

 

Das mag Berlin nicht interessieren; die deutsche Regierung kümmert sich eindeutig mehr um die Bekämpfung der Rechtsextremen als die Bekämpfung des Antisemitismus und betrachtet das Umdefinieren von Judenhass zu Rechtsextremismus offenbar als legitimes Mittel, um das zu beenden. Aber es sollte Juden jeder politischen Couleur wichtig sein.

 

Folglich sollte die amerikanisch-jüdische Gemeinschaft beider Seiten Deutschland wegen seiner Schönfärberei zur Rede stellen. Sie sollten es auch vermeiden ihre abscheuliche Praxis des Umdefinierens des Antisemitismus zu wiederholen, damit das ihren eigenen poltischen Zwecken dient, denn das zu tun wird den von ihnen geleugneten Strängen des Antisemitismus erlauben zu metastasieren. Und am Ende, das hat die Geschichte immer wieder bewiesen, dass weder rechte noch linke Antisemiten irgendeinem Juden Immunität bieten, selbst wenn sie auf derselben politischen Seite stehen.

 

 

Übersetzt von Heplev


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Sonntag, 17 September 2017