Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein: Ritterliche Tafelrunden

Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein:

Ritterliche Tafelrunden


Erinnern sie sich noch? Als die Übermutti der Nation auf einer berühmt gewordenen Pressekonferenz am 31.08.2015 in Berlin dem Zustrom illegaler Einwanderung aus Nahost so beiläufig wie banal Tür und Tor öffnete (´Wir schaffen das´), befand sich die Mehrzahl der Bundesbürger noch in der urlaubsmilden Wellness-Schleife, im Sommerloch - im Modus ungetrübter Feierabendlaune.

Ritterliche Tafelrunden

VON Shantu Trdic

 

Der Rest ist bekannt: Bis zum Jahresende schwoll die Zahl derer, die der ´Einladung´ eilfertig nachkamen, nahezu explosionsartig auf annähernd eine Million an, doch kein einziger ´Flüchtling´ ist von unseren Sicherheitsbehörden seinerzeit überprüft worden (die damit im Zweifel ohnehin völlig überfordert gewesen wären). Das unrechtmäßige Durchwinken dubioser Menschenmassen wurde anfangs noch mit viel Verständnis begleitet. Vor allem in betuchten Kreisen zeigte man sich bemüht, den Akt der Nächstenliebe mit missionarischem Eifer zu propagieren und entsprechende juristische Bedenken im Brustton der Empörung vom Tisch zu fegen. Alles hatte ganz schnell und unbürokratisch zu geschehen, die Feststellung von Identitäten verzögerte nur unnötig den warmherzigen Empfang, sie irritierte und grenzte aus. Das konnte man denen, die kamen, unmöglich antun, die mussten vielmehr so selbstverständlich wie selbstredend versorgt werden, sofort und ohne lästige Personalauskünfte. Mit derlei kleinmiefigem Behördenklamauk belästigte man doch nicht solche, deren Herzen man zu gewinnen trachtete, aber die ´Nazi-Ungarn´ erlaubten sich dennoch so unverschämt wie unverdrossen die umständliche Überprüfung/Registrierung. Schande über euch! Großdeutschland, in moralischen Fragen allen übrigen Nationen der Euro-Zone auf immer und schlimmer überlegen, erhob mehrfach den Zeigefinger, seine ´Eliten´ mahnten und maulten, unglaublich überzeugt von sich und ihrer sittlichen Alleinseligstellung.

Anfangs ging es noch gar nicht um eine gerechte Verteilung von ´Flüchtlingen´, die sich selbst auch gar nicht verteilen lassen wollten. Man rechnete mit allem, nur nicht mit so vielen Menschen. Folglich hielt sich Deutschland für unschlagbar. Damals also hieß es in ermüdender Folge: Ein so reiches Land muss dem Bruchteil derer, die als Bedürftige zu ´uns´ kommen und Hilfe benötigen, auch auf Anhieb helfen können. Wieder und wieder ertönte das Mantra in Merkels Sinne: Uns geht´s doch prächtig – helft gefälligst! Das blieb lange der Tenor, da war man sich noch über Standesgrenzen und Einkommensgruppen hinweg einig. Auch wenn es aus heutiger Sicht schwer fällt, das überhaupt zu begreifen – solches war zunächst die allgemeine Stimmungslage: klassenübergreifender Konsens, den man dann rasch den Rechtspopulisten des östlichen Europa im Handstreich aufzwingen wollte, weil man langsam dahinter kam, das die Mutti der Nation(en) offenbar ein Fass ohne Boden aufgetan hatte.

 

Mit provinziellem Erstaunen nimmt man neuerdings zur Kenntnis, dass dieses reiche Land seinen weniger reichen (und überhaupt: gar nicht so wenigen) MitbürgerInnen eine Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gleichsam immer weniger garantieren kann, weil an der Spenden-Peripherie längst ein Verdrängungswettbewerb zwischen abgabenfreien Zuwanderern und abgehängten Steuerzahlern, zwischen gesunden, kräftigen Facharbeitern und abgehalfterten Hartz-4 Rentnern, alimentierten Großfamilien und alleinerziehenden Müttern stattfindet, der im Grunde schon entschieden ist. Wenn in einer Stadt wie Marl 80 % derer, die an deren Tafel bedient wurden, dem ´Flüchtlings-Milieu´ entstammten, dann muss man dazu eigentlich nichts mehr sagen. Es spricht für sich. Nun gibt es Tafeln, die bei der Essensausgabe nicht mehr ohne Polizeischutz auskommen. Sie können das im Netz recherchieren, der Skandal um Essen hat das sozusagen ´mitgespült´, im Fernsehen wird darüber nicht berichtet. Menschen, die den Tafeln immer häufiger fernblieben, tauchten in den Berichten anfangs immerhin am Rande, als peinlicher Quotenrest, auf. Jetzt schießt man sich auf jene ein, die jahrelang – an den Mainstream-Medien vorbei – ehrenamtlich tätig waren und Menschen unterstützten, die in einem so reichen Land wie Deutschland eigentlich gar nicht vorgesehen waren, also: nicht weiter störten. Sie tun das ab sofort noch viel weniger, mit denen muss man sich nicht länger aufhalten, denn ab sofort geraten eben solche, die ihnen wie selbstverständlich über die Runden halfen, in den billigen Generalverdacht. Sie werden auch auf ganz perfide Weise in den entsprechenden ´Analysen´ entwürdigt. Tafelmitarbeiter sind demnach einfach überfordert. Sie tun zwar Gutes, aber sie packen es nicht länger. Also müssen ´Lösungen´ her. Eine Trennung zwischen Biodeutschen und Bedarfszuwanderern etwa, das erspart eine Menge Ärger. Besser noch: Eine Ausgabe von Arabern an Arabern, in rechtgläubiger Sprache ´vermittelt´, das besänftigt auf Anhieb – und so weiter. Darüber wird ernsthaft und öffentlich nachgedacht. Und bald schon so laut und vernehmlich, dass es keiner mehr hören kann oder möchte. Weghören heißt dann aber: Wir akzeptieren den Wahnsinn, wir nehmen ihn wirklich hin – wir kapitulieren also. Freilich: Es sagt heute längst keiner mehr, Deutschland sei reich genug, den Entrechteten und Beleidigten aller Welt helfen zu müssen, ´weil es uns allen so gut geht´. Das hat sich inzwischen erledigt. Das Thema Tafel zeigt: Auch in reichen Ländern reicht es nicht für alle.

 

Wo passende Antworten fehlen, bleiben lauter Fragen übrig, die das jeweilige Interesse, die heimliche Absicht des Fragestellers, auf Anhieb entlarven. Wozu braucht´s so viel Tafeln in einem Land, das doch sagenhaft reich sei? Angesichts anbrandender Flüchtlingsströme hatte man sich gerade dafür anfangs richtig zu schämen. Wie soll man ferner umgehen mit ´Versorgungsprofis´, die nach 25 Jahren Dauereinsatz auf einmal so überreizt reagieren? Wie konditioniert man die jetzt im politisch korrekten Sinne? Wie kann ich den verängstigten Deutschen überhaupt beibringen, dass es auch anders geht? Es liegt an UNS, ganz klar, denn an den ´Flüchtlingen´ kann und darf es nicht liegen. Und nimmt sich einer ein Herz, indem er nicht nur Gegenteiliges behauptet, sondern auch den Finger in die Wunde legt und entsprechend handelt (Jörg Sartor), wird sofort die Nazi-Keule geschwungen. Eine ´Allianz Deutscher Demokraten´ stellte soeben Strafanzeige gegen Sartor und seine Mitstreiter. Begründung: Da die Essener Tafel einen ganzen Personenkreis als Neukunden ausschließe, im konkreten Fall Bedürftige ohne deutschen Pass, diene sie nicht länger der Allgemeinheit. Steuerprivilegien, welche gemeinnützige Einrichtungen ´genießen´, seien für die Tafel damit hinfällig. Der eingetragene Verein betreibe nichts anderes als ein Gewerbe. Es bestehe deshalb der Verdacht der Steuerhinterziehung. Schießt Ihnen auf Anhieb das Blut ins Hirn, wenn sie so etwas lesen müssen? Abwarten. Es kommt noch besser. Nach den Worten von Mehmet Tuntas, Vorsitzender des Essener Kreisverbandes dieser ´Migrantenpartei´, sah man sich zu dem Schritt genötigt, „auch auf die Gefahr hin, dass die Tafel Insolvenz anmelden muss“. Und weil er so billig zu haben ist, kommt gleich noch der Klassiker, wir kennen ihn alle: Herr Tuntas reichte ihn auf seiner Facebook-Seite weniger nach, sondern haute mehr selbigen den Tafelrittern zu Essen in die Fresse: “Wer eine rassistische Entscheidung fällt muss sich auch gefallen lassen, anschließend ein Rassist genannt zu werden.“ Ob der Herr Sartor bereits an einem Arier-Nachweis zwecks Einteilung der Rationen arbeitet? Tuntas wird es spitz kriegen.

 

Die ´Allianz Deutscher Demokraten´ wird von Insidern als verlängerter Arm der AKP bewertet. Einer mehr also. Die folglich auch mit deutschen Steuergeldern mitfinanzierte Erdogan-Partei hat bei der letzten Bundestagswahl in Essen schon beachtliche 1494 Stimmen eingeheimst. Man sieht bei Gelegenheiten wie diesen, die sich noch häufen werden: Demokratien demontiert man am sichersten mit Demokraten. Letztere lassen sich durch einen faschistischen Staat mästen, deren Gegner müssen indes ohne Sponsor auskommen und werden von ihrer Kanzlerin bei Bedarf gerügt. Armes Essen, arme Tafel – armes Deutschland. Die Allianzen deutscher Demokraten geben ihm den Rest. Eine Reaktion der Essener Tafel auf den Versuch, ihre Bemühungen zu kriminalisieren, ist zur Stunde noch nicht bekannt. Das, was sie in Jahren unermüdlichen Engagements für diese Gesellschaft geleistet haben, wird jetzt im Handstreich in den Dreck gezogen, und im Unterschied zu denen, die ihr Projekt bis zur ersehnten Insolvenz durchziehen, müssen sie den anstehenden Rechtsstreit wohl ohne ´Zuwendungen´ irgendeiner Lobby ausstehen. Ich denke, selbst der Herr Böhmermann hatte da bessere Karten.

 

Diese und ähnliche Fälle können einen natürlich zur Weißglut treiben. Da vergisst oder verdrängt man leicht, dass am Ende alles nur am Schotter hängt. Ein Land, dessen Staat gewaltige Steuereinnahmen hortet, ist ja tatsächlich sagenhaft reich. 5,3 Milliarden Euro Überschuss – das sind keine Peanuts. Ein Bruchteil dieser ´Trinkgelder´ reichte im Zweifel schon, um damit das gängige ´Tafelsilber´ zu retten. Der Staat verwaltet unsere Steuergelder, er besitzt sie nicht. Steuereinnahmen sind auch keine Sparguthaben. Dieses Geld muss irgendwann verwendet, sinnvoll investiert, wenn sie so wollen: verteilt werden. Der Staatshaushalt ist nicht der Sparstrumpf der Nation. Was privat, – oder betriebswirtschaftlich noch angehen mag, ist aus makroökonomischer Perspektive schlicht Irrsinn. Man kann die schwarze Null nicht ungestraft zu einem Fetisch erklären und bis zum Kollaps hegen und pflegen. Auf die abgeschmierte Euro-Zone angewandt: Die schwäbische Hausfrau ist entschieden NICHT das Ideal einer gemeinsamen Währungszone, genau so fährt man dieselbe an die lange Wand. Tagelang wurde rauf und runter schwadroniert, was denn an Deutschlands Tafeln schief gelaufen sei, aber keiner derer, die unsere Abgaben unter Verschluss halten, kommt auch nur auf den Gedanken, laut über Soforthilfen nachzudenken. Der Bund möchte gern 94 Milliarden Euro Flüchtlingshilfe bis 2020 ´durchwinken´. Kann man da nicht ein paar Krümelchen abzweigen? Lieber meckert sich Frau Merkel über die Notbremsen allein gelassener Tafelbetreiber ab, denen doch schon Beträge von einigen hunderttausend Euro reichen, um damit einerseits wirklich alle in der Warteschleife zu versorgen, andererseits die Störenfriede treffsicher auszuhegen, und zwar vorher mittels professioneller Sicherheitsdienste. Wie traurig letzteres auch anmuten mag: So könnten die Ehrenamtlichen immerhin ohne Bauchschmerzen weiter machen wie bisher. Da drängt sich allerdings die nächste fiese Frage auf: Wollen wir das eigentlich – immer so weiter machen wie bisher?

 

Der pöbelnden Prominenz stellt sich eine solche Frage gar nicht. Ihre Angehörigen liegen lieber auf der ständigen Lauer, um dann im geeigneten Moment bewährte Breitseiten abzufeuern. Sawsan Chebli etwa meint in einem dieser auf Rap-Sprache herunter gekochten, dünnsuppigen Twitterbeiträge: “Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Essen nur für Deutsche. Migranten ausgeschlossen.“ Klingt echt cool und so was von betroffen. Man möchte, um im Slang zu bleiben, antworten: Dann mach´s doch selber! Stell dich da mal hin, Mädchen, und blase den Mackern aus der Levante den Marsch. Chebli, über ihre Tätigkeit als Sprecherin des Auswärtigen Amtes ziemlich nach oben gestolpert, könnte denen, die in ihrer Freizeit unentgeltlich den Bodensatz der Gesellschaft versorgen, tatkräftig zur Hand gehen, statt vorm Bildschirm Sprüche auszuhecken. Sie könnte das auch ´outsourcen´, an solche, die früher oder später selbst in der Schlange vorm Tresen stehen werden. Bei der Kohle, die sie schifft, wäre es ein Leichtes, ganze Kompanien Aufsicht führender oder Verständnis heuchelnder Ein-Euro-Jobber nach Essen zu schicken. Für ein Taschengeld sind sie dabei. Die Dame kann solche Kleckerbeträge locker von der Steuer absetzen. Sagen sie also JA! zur Soforthilfe, liebe Frau Chebli! So wie ihre Parteifreunde es eben, trotz Juso-Schelte, auch getan haben. In Italien, wo heute ebenfalls gewählt wird, droht einmal mehr der Sieg von ´Rechtspopulisten´.

 

 

 

 

Erstveröffentlicht von Dr. Nathan Warszawski auf Numeri 24 : 9 - Foto: Asylbewerber auf der österreichischen Seite der Grenze zu Deutschland  im Herbst 2016 (Foto: Christian Michelides [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) or CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons)


Autor:
Bild Quelle:


Montag, 05 März 2018