Broderbild mit Dame

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Am 29. Januar 2019 hielt Henryk M. Broder vor der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Rede zu dem Thema: `Das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen und was die political correctness dazu beiträgt´.

Broderbild mit Dame

Kommentar von Gerd Buurmann

In seiner Rede kritisierte er die Zunahme der physischen Gewalt in der politischen Landschaft und die Unfähigkeit mancher Politiker, sich von Gewalt gegen Mitglieder des Bundestags zu distanzieren. Er kritisierte ebenfalls geschichtsrevisionistische Strömungen innerhalb der AfD, zum Beispiel Alexander Gaulands Aussage, die zwölf Jahre der Naziherrschaft seien ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen. Broder betonte:

„Das ist nicht nur aus der Sicht der Nazi-Opfer, der Juden, der Zigeuner, der Homosexuellen, der Widerstandskämpfer, der Deserteure, eine schwere Sünde.“

Vor der Rede machte die AfD-Chefin Alice Weidel ein Foto von sich und Broder. Dieses Bild wurde später massenhaft in den sozialen Netzwerken geteilt, versehen mit wenig schmeichelhaften Kommentaren, in denen Broder abwechseln als „senil“, „rechtspopulistisch“, „braun“ oder gleich als „Nazi“ bezeichnet wurde. Den Vogel schiss Markus Decker vom Kölner Stadt-Anzeiger ab. Er schrieb auf Twitter:

„Henryk M. Broder ist mit dem Satz seiner Eltern groß geworden: „Wir haben für Dich das KZ überlebt.“ Jetzt liegt er in den Armen einer Partei, die das Holocaust-Mahnmal als Mahnmal der Schande bezeichnet. Es ist nicht zu fassen.“

Dieser unverschämte Broder aber auch! Was fällt dem Juden eigentlich ein? Da wurden seine Eltern damals in deutsche Besserungsanstalten geschickt, um etwas wesentliches über die deutsche Moral zu lernen und jetzt erdreistet es sich dieser Überlebenssohn und lernt nichts aus dieser deutschen Nachhilfe. Ein Glück, dass es Markus Decker gibt, der heute dafür sorgt, dass die Arbeit seiner Vorfahren auch im 21. Jahrhundert noch Früchte trägt. Hätten Deckers Vorfahren Broders Eltern nicht zur sittlich bildenden Konzentration in Lager gezwungen, müsste er heute wohl andere Seiten aufziehen. So aber reicht es, diesem frechen Sohnemann von Juden, die es wagen, keine Stolpersteine zu haben, kurz und deutlich zu schreiben, dass die Lager damals ebensowenig zum Spaß gebaut wurden wie die vorbildlichen deutschen Holocaust-Mahnmale, um die uns die Welt heutet beneidet.

So denkt es in Markus Decker.

Die Verbreitung des Fotos von Broder und Weidel sorgte dafür, dass ich überhaupt von der Rede Broders erfuhr. Am 30. Januar erhielt ich nämlich mehrere Mails und SMS von Freunden und Bekannten, die mich aufforderten, zu diesem Foto Stellung zu beziehen, schließlich sei ich ein Freund von Broder.

Ja, es ist richtig. Ich bin ein Freund von Henryk. Ich liebe diesen Mann. Er ist witzig, warmherzig, ehrlich, direkt und dabei immer höflich, besonders wenn er intellektuell bissig wird. Ich stimme dem Schriftsteller Leon de Winter voll und ganz zu, wenn er sagt:

„Vielleicht hört es sich ein wenig melodramatisch an und theatralisch, aber es gibt diese Momente und dann hat man auf einmal diesen glücklichen Gedanken: Aber es gibt noch immer Henryk. Er ist es. Glücklich! Er ist noch immer da. Das ist ja toll. Solange er da ist, gibt es Hoffnung.“

Henryk ist nicht oft in Köln. Er mag die Stadt nicht sonderlich, verabscheuen, wäre zu milde ausgedrückt. Wenn er aber in Köln ist, lieben es meine Frau und ich, mit ihm in einer der vielen hervorragenden türkischen Restaurants in Köln essen zu gehen. Diese Freundschaft sorgte nun dafür, dass mir das Foto von Weidel und Broder aus diversen Ecken zugeschickt wurde. Einige Absender waren dabei sehr direkt und forderten gar unumwunden eine Distanzierung von mir.

Ich bin Jahrgang 1976 und wurde somit zwanzig Jahre nach dem Ende der McCarthy-Ära geboren, aber zweiundvierzig Jahre später finde ich mich in Deutschland in genau dieser Ära wieder. In einer Atmosphäre der „Zweiten Braunen Angst“ taucht im Jahr 2019 ein Bild auf, auf dem Broder zu sehen ist, wie er von einer, in den Augen der „richtigen Mitte“ so gesehenen, Teufelin berührt wird, was ihn natürlich sofort ebenfalls für das Böse infiziert. An eine solche Kontaktkontamination des Grauens glaubte man hierzulande zuletzt im Mittelalter, als Frauen wie Weidel noch als Hexen verbrannt wurden. Die Berührung durch diese Hexe machte Broder zum Aussätzigen. Vermutlich werde auch ich infiziert, sobald ich ihn in den Arm nehme. Von da an werde dann wohl auch ich ansteckend sein.

Als ich noch jung war, kam es öfter vor, dass auf einer Party ein guter Freund mit mir in die Küche schlich, um dort unter vier Augen und der Garantie des Mantel der Verschwiegenheit zu gestehen, dass er schwul sei. „Aber bitte, sag es niemanden“, hörte ich dann. „Ich habe Angst davor, dass die Leute davon erfahren. Ich möchte nicht, dass ich auf der Arbeit oder im Dorf Probleme bekomme.“

Seit Jahren war mir ein solches Gespräch nicht mehr passiert, bis ich vor einigen Wochen ernsthaft von einem guten Schauspielkollegen zur Seite genommen wurde, der mir gestand, die AfD gewählt zu haben. „Aber erzähl es niemandem. Ich habe Angst, dann mein Engagement zu verlieren.“

Ich war schockiert, nicht so sehr von seiner Wahlentscheidung, die kritisierte ich lediglich, im Gegensatz zur Homosexualität, die ich vollumfänglich unterstütze; aber ich war schockiert von seiner Angst. Ich lebe in einem Land, in dem Menschen Angst haben, ihre politische Präferenz offen zu gestehen, weil sie dadurch befürchten, auf eine schwarze Liste zu geraten. Genau diese Angst, macht mir Angst.

Menschen, die das Gefühl haben, dass Ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, stellen eine Gefahr dar und zwar unabhängig davon, ob sie nun recht haben oder nicht. Menschen, die zum schweigen verdammt sind, die sich nicht mehr trauen, ihre Bedenken und Ängste zu artikulieren, die verdrängen, verleugnen und unterdrücken, werden irgendwann explodieren.

Vor jeder Tat kommt der Gedanke. Dazwischen kann ein Reden liegen, aber es ist nicht notwendig. Der Denkende kann auch schweigen oder zum Schweigen gezwungen werden, zur Tat führt sein Gedanke dennoch.

Denken –––> Reden –––> Handeln
Denken –––––Reden–––> Handeln

Das Reden hilft, das Denken vor dem Handeln zu überdenken, um so zu einem besseren Handeln gelangen zu können. Reden radikalisiert das Handeln nicht. Die Nazis waren nicht gefährlich, weil sie geredet haben, sondern weil sie ihre Gegner zum Schweigen gezwungen haben. Nicht „Mein Kampf“ war das eigentliche Problem, sondern das Verbot vieler anderer Bücher. Die Verbreitung von „Mein Kampf“ hätte das Grauen sogar verhindern können, wären die Worte nur ernst genommen worden. Sie wurden es leider nicht, so wie heute manch vernichtendes Wort gegen Israel nicht ernst genommen wird, mit Ausnahme von der Regierung Israels selbst.

Israel hört den Hass, nimmt ihn ernst, reagiert und wird dafür von manch einem Kritiker bestraft. Israel kann damit leben. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen gelobt tot und gehasst lebendig, würde ich mich auch für das Leben entscheiden.

Das Reden und Veröffentlichen gehässiger Worte ermöglicht es dem Zuhörer oder Leser zu erfahren, ob man sich vor jemanden schützen sollte. Meinungsfreiheit nutzt dem Gehassten immer mehr als dem Hassenden!

Wer alles ausklammert, was ihm nicht gefällt, ist taub für das, was in der Gesellschaft vor sich geht und wird entsetzt sein, wenn bei der nächsten Wahl die Menschen in der geheimen Wahlkabine ihre Meinung in ein definitives Kreuz verwandelt haben. Dann fallen sie aus allem Wolken und sagen, sie hätten all das nicht kommen sehen. Natürlich haben sie es nicht kommen sehen! Sie haben sich schließlich nicht mit diesen Menschen auseinandergesetzt, sondern sie wie Aussätzige behandelt. So vermehrte sich der Hass im Verborgenen, Geheimen und Verbotenem.

Andere Meinungen auszuklammern ist so effektiv wie das kleine Kind, das sich die Hände vor die Augen hält und glaubt, so sei die Gefahr verschwunden. Internetseiten zu löschen, im Glauben, man würde dadurch etwas verhindern, ist so produktiv, wie Bücher zu verbrennen!

Dieses Spezialität der Kriminalisierung der Andersdenkenden gehörte auch zu der Spezialität eben jener Deutschen, die einst die Eltern von Broder auf ganz besondere Art und Weise behandelten.

 

Tapfer im Nirgendwo


Autor: Gerd Buurmann
Bild Quelle: Screenshot


Samstag, 02 Februar 2019

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