Europa wird auf dem Balkan verteidigt

Europa wird auf dem Balkan verteidigt


Das, was sich nun schon seit Tagen und Nächten an der türkisch-griechischen Grenze abspielt, ist keine Tragödie, auch keine humanitäre Katastrophe: so weit sind wir noch gar nicht. Es ist vielmehr das vorläufige Ergebnis einer echten Kriegserklärung, wie denn der türkische Staat seit bald hundert Jahren ständig Kriege führt, etwa gegen einen nicht unbeträchtlichen Teil des eigenen Volkes.

Europa wird auf dem Balkan verteidigt

Von Shanto Trdic

Die Mehrheit dieses Volkes steht indes auch weiterhin voll hinter diesem Krieg. Noch im Norden Syriens ´kriegen´ sie nicht genug davon. Das ´Vorgehen´ der Marodeure erinnert fatal an völkische Praktiken der Vertreibung, die seinerzeit gut drei Millionen Armenier das Leben gekostet haben. Die meisten Türken billigten, ja begrüßten auch jene ´ethnischen Säuberungen´, die entlang der Südgrenze ihres Staates einen ´bereinigten´ Korridor geschaffen haben. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung haben gewisse ´Bemühungen´ jegliche Mittel geheiligt, worüber in der westlichen Presse erstaunlich wenig berichtet wurde. Die in Deutschland lebende Volksgemeinschaft des Kalifen vom Bosporus wusste indes sehr gut Bescheid und hat dem Frevel bedingungslos Beifall geklatscht. Das Tollhaus in Syrien wurde auch gar nicht vom bösen Russen angezettelt, der kam erst mit gehöriger Verspätung dazu. Von Anfang an mischte gerade der Herr Erdogan hier mächtig mit, und seine Anhänger hatten nie ein Problem damit. Nur stören einmal mehr die vielen Flüchtlinge, die will man jetzt ganz schnell loswerden, und zum warm werden kippt man erst mal solche nach Europa rüber, die schon etwas länger nerven. Demnächst wird die Türkei übrigens auch vor der libyschen Küste Krieg führen und sich einmal mehr einen echten Dreck um irgendwelche Folgen, geschweige denn um Einwände der ´Partner´ scheren. Und das eigene Volk wird jubeln.

Wer mit jemandem wie Erdogan Deals aushandelt, kann im Ergebnis, wie wir jetzt wieder sehr deutlich sehen, besagten Dreck drauf geben – hält er nicht gleichzeitig ein paar Trümpfe im eigenen Ärmel zurück. Derlei ´Abkommen´ sind nämlich das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt stehen. Erinnern sie sich in diesem Zusammenhang kurz an den honorigen Herrn Chamberlain, der mit so einen Fetzen vor laufender Kamera herumfuchtelte und grundehrlich davon überzeugt war, etwas für den Frieden in Europa geleistet zu haben. Wenn jetzt deutsche Politiker darauf drängen, einen neuen Deal mit dem Despoten auszuhandeln, dann geben sie damit vollumfänglich zu, das der alte nichts getaugt hat, dass sie also vorher schon auf voller Länge versagt haben, und da stellt sich dem doofen Michel doch die Frage, warum ein neuer besser sein sollte als der alte. Er fragt sich vielleicht auch, warum seine Soldaten in Mali und Afghanistan vor sich hinbrüten oder über dem syrischen Staatsgebiet mit eigenen Aufklärungsdrohnen Massenmorde möglich machen, während kein einziger der ´Helden´ auf dem Balkan oder in der Ägäis aushilft, wo doch bereits die Kroaten, ein Volk von viereinhalb Millionen Menschen, umgehend mit Schnellbooten und Aufklärern in die Bresche springt. Worüber in der deutschen Presse (noch) kein Wort verloren wird. Macht mal, ihr Lappen. Wir halten uns da lieber raus. Und drohen anschließend mit dem erhobenen Zeigefinger. Soll heißen: es werden zeitgleich mögliche oder vermeintliche Verstöße gegen humanitären Standards ermittelt (NGO-konform), die man hinterher denen, die vor Ort die Drecksarbeit erledigen, um die langen Ohren bügeln kann.

Es wird ohnehin geheuchelt, dass sich die Balken biegen. Schon der bequeme, bis zum Erbrechen bemühte Einwand, dass all jene, die nun vor der südosteuropäischen Grenze randalieren, arme Opfer in einem bösen Spiel seien, ist grundfalsch. Ganz im Gegenteil: Diese Leute haben sich bereitwillig zu Komplizen des Kalifen gemacht, sie haben nur darauf gewartet, und sie schlagen auf der Stelle zu, schleudern Steine und auch Molotowcocktails, die Menschen in lebende Fackeln verwandeln. Diese ´Schutzsuchenden´, vor denen man sich offenbar nicht früh genug in Sicherheit bringen kann, sind im Übrigen bestens informiert, denn sie wussten von Anfang an, dass sich am Prozedere herkömmlicher Grenzkontrollen auf dem Balkan gar nichts geändert hatte. Sie ließen es vielmehr darauf ankommen, wie der Erpresser vom Bosporus, dessen Gemüt dem eines mächtigen Paten ähnelt. ´Seine´ Flüchtlinge setzten auf ein zweites 2015, doch blieb der griechische Staat stur, soll heißen: Jedem illegalen Grenzübertritt wurde bislang entschieden entgegen gewirkt. Griechenland hat geliefert. Dieses Land verteidigt Europa, Mitteleuropa vor allem, und damit auch und gerade die Bundesrepublik Deutschland; ein Staat wiederum, in den die meisten derer, die nun wie echte Eroberer im schmalen Grenzstreifen zwischen Europa und Asien brandschatzen, unbedingt hinein wollen. Ausgerechnet Deutschland, möchte man meinen, wird also von den blöden Griechen geschirmt und dafür von denen umgehend gerügt. Erinnert: Dem ´faulen´ Hellas verordnete der Herr Schäuble einen ´Rettungsschirm´ nach dem nächsten. Und die Mutti dann besagte Hotspots, die auf den grenznahen Inseln unsäglichen Schaden angerichtet haben. Nun wird das dortige ´Flüchtlingselend´ beklagt, als hätte die ansässige Bevölkerung nicht die eigentliche Arschkarte gezogen. Wie viele Existenzgrundlagen hier bereits vernichtet worden sind interessiert doch keinen derer, die nun wieder kleine Kinder mit Pappschildern vor ihre Kameras zitieren, um einseitig Mitleid zu erzwingen. Merken die Schwadroneure im Berliner Reichstag denn noch immer nicht, dass man dieses Thema nicht ständig auf moralische Allgemeinplätze reduzieren kann? Denn dann müsste man den griechischen Staatsbürgern vor Ort nicht minder zur Hand gehen. Stattdessen biedern sich unsere Oberbürgermeister*Innen dem öffentlich verordneten Goodwill an, indem sie erneut vorschlagen, Kinder und unbegleitete Flüchtlinge in ihre Städte aufzunehmen. Denen dann natürlich früher oder später die Großfamilie folgen wird. Dafür werden, Hand aufs große Herz, schon die üblichen Verdächtigen sorgen. Sie kommen nicht im Traum auf die Idee auch nur einen von denen, die als Deutsche schon seit Jahrzehnten auf bezahlbaren Wohnraum hoffen oder über holperige Buckelpisten zu Arbeit klappern, wenn sie nicht gerade in überfüllten Straßenbahnen stecken, danach zu fragen, ob die den Zuzug eigentlich billigen. Sie ersparen sich überhaupt lästige Fragen, sie geben auch keine Antworten mehr, sie liefern nur: bedenkenlos an den Interessen, den Sorgen und Nöten der eigenen Bevölkerung vorbei.

Halten wir lakonisch fest: An der griechisch-türkischen Grenze wird der Versuch einer illegalen, meistenteils von Gewalt begleiteten Einreise tausender Menschen derzeit noch halbwegs erfolgreich abgewehrt. Der Versuch des Präsidenten Erdogan, Europa zu schaden um eigene Interessen zu stärken, vor allem um damit mehr Geld zu erpressen, ist noch nicht gescheitert, aber er droht zu scheitern. Wenn sich jetzt deutsche Politiker dazu entschließen, der kriminellen Willkür doch noch irgendwie entgegen zu kommen, indem sie dem Brandstifter neue Milliarden in Aussicht stellen, machen sie uns alle damit vogelfrei. Denn dann geht das Kalkül des Diktators einmal mehr auf, dann spricht auch nichts dagegen, dass er in den nächsten Jahren das Spiel nach Bedarf wiederholen wird, und dann immer maßloser, immer unverschämter. Er selbst spricht eine klare Sprache und schert sich nicht um die umständlichen Dialekte derer, die aus ihrem begleitenden Provinzialismus nicht mehr herausfinden werden. Man bedenke bitte, was hier wirklich geschieht, und immer wieder geschehen muss, lässt man sich nur stets von neuem darauf ein: Massen gewaltbereiter Menschen, viele von ihnen Muslime, stürmen ohne Bedenken die Außengrenze des Kontinents, sie empfehlen sich also schon vor dem Übertritt als Rechtsbrüchige, denen ausgerechnet das gute Gewissen laufend entgegenkommt. Jenseits der üblichen, bis zum Abwinken bemühten moralischen Entrüstungen geraten die tatsächlichen Schwierigkeiten gewollt aus dem Blick. Erdogan weiß das und macht es sich zunutze. Dafür lieben ihn seine ´Fans´, die auch gleichzeitig seine loyalsten ´Mitspieler´ sind.

Der russische Staatspräsident verfolgte seinerzeit einen ganz anderen Ansatz. Er ließ sich nicht vom Rivalen vorführen, ganz im Gegenteil, er zwang diesen auf sehr nachvollziehbare, sehr ehrliche Art und Weise in die Knie, und nun können wir beobachten, wie dieser ihm mehr oder weniger ständig aus der flachen Hand frisst. Mit der kann man auch fiese Ohrfeigen verteilen. Politik ist eben ein mieses Geschäft. Davon können die Griechen ein Liedchen singen. Aber sie folgen auch ihren eigenen Weisen. Den Menschen auf dem Balkan ist, gottlob, das historische Bewusstsein vom Sein und Nichtsein nationaler Existenz noch nicht abhanden gekommen. Ihre Vorfahren haben in den letzten Jahrhunderten sukzessive Wellen aggressiver Eroberungen abwehren müssen. Den Deutschen ersparte stets die bequeme Mittellage derlei direkten Anschauungsunterricht, sie erteilten ihren Nachbarn lieber eigene, allzu blutige Lehrstunden und fühlen sich gerade deswegen dazu bemüßigt, deren weitere abzusondern: entlang sattsam bekannter Empfehlungen und Belehrungen, die hoffentlich bei denen, die es besser wissen, auf Granit stoßen werden. Sie müssen das auch, wollen ihre Granden Europa nicht einer Barbarei preisgeben, die schon jetzt in Ansätzen wütet.


Autor: Dr. Nathan Warszawsk
Bild Quelle:


Mittwoch, 11 März 2020