Die Rassismus-Keule

Die Rassismus-Keule


In einem Leitartikel meines lokalen Schmierblättchens meldet sich heute ein Herr Dirk Hautkapp zu Wort. Direkt aus Washington, als Frontberichterstatter vom Dienst, macht er seinem Unmut Luft - es ist viel heiße Luft dabei.

Die Rassismus-Keule

Von Shinto Trdic

Kann gar nicht anders sein, oder? Auch in der US-Hauptstadt toben jetzt die ´Proteste´, aber wichtiger noch: befindet sich dort das Weiße Haus, der offizielle Amts- und Regierungssitz des großen Satans also, dem die moralisch Rechtgläubigen eine Art Heiligen Krieg erklärt haben. Die Feder wird zum spitzen Schwert, die Tasten knattern wie ein Maschinengewehr. “Donald Trump ist kein richtiger Präsident,“ erklärt der Herr Hautkapp wie ein altersweiser General, denn „er hat weder Herz noch Verstand.“ „Das Land brennt“ und durchlebe „die Vorphase Bürgerkriegsähnlicher Unruhen.“ Und was macht dieser tumbe Idiot mit der feschen blonden Segeltolle? Er rennt „mit dem rhetorischen Benzinkanister durch die lodernde Kulisse.“

Wenn es stimmt, was uns die Medienmeute unentwegt berichtet, dann wird nun schon die vierte Nacht in Folge geplündert und gebrandschatzt, geraubt und gestohlen, zerstört und zertrümmert. Hubert Wetzel, der für die Süddeutsche gleichsam in Washington fiebert, stellt fest, dass die Proteste (von dem Wort kann auch er nicht lassen) nunmehr in einen viel größeren Aufstand umgeschlagen seien: “In eine Entladung von Wut und Gewalt, die sich an manchen Orten gegen die Polizei richtet, an anderen jedoch blind gegen alles, was irgendwie im Weg ist.“ Und im Stile eines echten Predigers, der in der linken Hand die Bibel, in der rechten aber die Keule der Gerechtigkeit parat hält, tönt der Herr Wetzel:“ Man kann diese Gewalt für falsch und sinnlos halten und sie verurteilen, auch wenn man gleichzeitig die Wut, aus der sie sich speist, für verständlich und berechtigt hält. Amerikas Schwarze haben jedes Recht, wütend zu sein. Sie haben jedes Recht, auf die Straße zu gehen und diese Wut hinauszuschreien. Und sie haben jedes Recht, sich gegen die Diskriminierung und Drangsalierung durch die Polizei zu wehren. Freiheit und Gerechtigkeit, das hat Martin Luther King sehr gut gewusst, fallen nicht vom Himmel. Man muss darum kämpfen.“

Hätte der ´Befreiungstheologe´ hier nicht trefflicher die Black Panther erwähnt? Freilich: wenn ein US-Präsident jetzt nicht einschreitet und sich auf wohlfeile Ratschläge und öffentliches Appeasement besinnt oder beschränkt, kann er gleich einpacken, denn dann wäre so ein Präsident für jeden echten Amerikaner, er mag Schwarzer oder Weißer sein, die lame duck – der Waschlappen vom Dienst. Denn einer solchen Orgie der Gewalt kann er unmöglich tatenlos zusehen. Als sich seinerzeit die Bürgerrechtsbewegung im Süden des Landes immer öfter täglichen und nächtlichen Attacken ausgesetzt sah, ließ Lyndon B. Johnson immerhin die Nationalgarde aufmarschieren und das Militär in Bereitschaft versetzen. Wenn Donald Trump hingegen, wie von den ´Moralaposteln´ verlangt, Gesprächsbereitschaft signalisierte und die Hand zum Frieden ausstreckte, täte man ihn, wie üblich und wie immer als Heuchler ab. Folgerichtig legte man ihm dann auch den Rücktritt nahe. Aber von alledem fühlten sich die Randalierer gerade nicht unnötig angesprochen, sie empfänden das vielmehr als willkommenen Anlass, bis Ultimo weiter zu machen bevor die Staatsmacht wirklich aufmarschieren ließe um eine Party zu beenden, die als ´Volksfest´ Kollateralschäden in Millionenhöhe verursacht. Steht dafür in den Staaten auch der Steuerdepp gerade?

Noch einmal Herr Hautkapp. „Das Schwarze allen Grund dazu haben, die Staatsgewalt als Besatzungsmacht zu empfinden, als Bedrohung, nicht als Schutz, ist eine amerikanische Wahrheit, die ein richtiger Präsident offen angesprochen hätte, auch wenn er keine Schnelllösung parat hat. Donald Trump ist kein richtiger Präsident. Amerika ist in höchster Gefahr.“ Denkt man sich diesen ´Zusammenhang´ konsequent zu Ende, bliebe nur noch der gewaltsame Sturz des Herrn Trump übrig, eine Art Putsch, der gleich den ganzen republikanischen ´Generalsstab´ wegbläst, eine andere Option kann es in dieser Zuspitzung gar nicht geben, denn wenn der Mann an der Spitze kein richtiger Präsident ist, kann er nur ein falscher sein, und wenn das ganze Land deswegen brennt und in Gefahr ist, dann muss man sie beseitigen, die Gefahr, den Kerl – das ganze miese Schwein. So jedenfalls muss es sich jeder derer, die jetzt mit geballter Faust, im Schutz der Menge, unterwegs sind, zusammen reimen.

Doch ist das, was dieser schreibende Henker da bläht, nicht einzig vorsätzlich; es ist zudem völlig verkehrt. Eine amerikanische Wahrheit sei es, das Schwarze von der Staatsgewalt bedroht würden? Ja, in Herrgotts Namen: Wie kann das auch nur möglich gewesen, so scheußlich Wirklichkeit geworden sein? Erinnert: Von 2009 bis 2017 war Barack Hussein Obama der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der schwarze Mann im Weißen Haus hat also acht Jahre lang Zeit gehabt, besagten Missständen zu begegnen, um sie Schritt für Schritt zu beseitigen, mit Reformen im Sozialen und in der Erziehung, überhaupt auf sämtlichen öffentlichen und privaten Gebieten, er allein hätte es vermocht, denn er war seinen Jüngern wahrlich ein zweiter Jesus, der Lahme gehend und Blinde sehend macht. Polemik? So und gar nicht anders hörte es sich damals doch an, vor allem im hochmoralischen Germanien, dessen Eliten seinerzeit vor lauter Verklärung in selige Verzückung gerieten. Obama? Ja – der kann es. Seine zahlreichen Bewunderer trauten ihm annähernd alles zu, aber dieser Präsident scheiterte selbst mit der Einführung einer staatlichen Gesundheitsvorsorge und er hat als ´Drohnenkrieger´ mehr Menschen umbringen lassen als der böse Trump es in einer Art Aufholjagd je zustände brächte. Trump wurde sogar übel genommen, dass er seine Soldaten aus dem syrischen Tollhaus abziehen ließ. Obama bekam ohne Vorleiste den Friedensnobelpreis verliehen.

Seine Fans werden einwenden, es könne unmöglich an ihrem Idol gelegen haben, dass aus dem großen Traum nichts werden wollte. Nun, woran hat es gelegen? Etwa am System? Dann hätten all die Verschwörungstheoretiker ja doch Recht. Dann funktioniert sie also nicht einmal im Herzen ihres ureigensten Gesellschaftskörpers, die vielgepriesene Demokratie, und auch nicht unter Anleitung des Black Moses, der seine heiligen Tafeln gleich nach der feierlichen Amtseinführung vom Allmächtigen höchstpersönlich in Empfang nahm und feierlich konsekrierte. Man könnte auch argumentieren, dass der fiese Trump das geduldig ins Werk gesetzte Erbe seines Vorgängers im Nu zerstört habe. Und sei es mit dem üblen Klima, das er schuf – mit dem Wandel, den er eingeleitet habe. Sehr einleuchtend klingt auch das nicht. Kann ein Einzelner, den man bei anderer Gelegenheit ständig einen Versager schimpft, über Nacht vom Sockel reißen, was fest und fertig in der Erde wurzelt? War am Ende eben doch nur Stückwerk oder Stümperarbeit, was der Säulenheilige Obama fabriziert hat? Weder Fisch noch Fleisch?

Da haben die Damen und Herren Rousseff, de Silva oder Chavez in ihren Staaten ungleich mehr erreichen können, denn ihnen gelang immerhin, den tatsächlich Beleidigten und Entrechteten einen Weg aus der Gosse in die beschauliche Mittelschicht zu bahnen, also: die strukturellen Ungleichheit zu beseitigen und mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Man könnte den Radius an dieser Stelle noch erweitern und fragen, warum die kleine Karibikinsel Haiti nicht zur Ruhe kommt und in Gewalt und Anarchie erstickt, während es nebenan, in der Dominikanischen Republik, doch recht gesittet zugeht. Die Haitianer befreiten sich als erste vom Joch der weißen Sklaventreiber, gründeten vor über zweihundert Jahren eine von Frankreich unabhängige Republik, und unter der Führung des legendären Toussaint Louverture trotzten sie sogar dem großen Bonaparte. Dennoch ging seither fast alles schief in diesem Land. Tatsächlich werfen Beispiele wie diese mehr Fragen auf als Antworten aus, aber einen echten Moralapostel kennzeichnet eben, das er ein für alle Mal Bescheid weiß, also: alles nur in schwarz oder weiß zu sehen verlangt. Genau das werfen sie dem Präsidenten vor. Sein Vorstoß gegen die Antifa sei lächerlich, heißt es hierzulande. Aber lächerlich war schon die Regierungsamtliche Erklärung des Herrn Seibert, der allen Ernstes verkünden ließ, in Chemnitz hätten Hetzjagden stattgefunden. Auf ´Grundlage´ eines einzigen, aberwitzig nichtssagenden Internetvideos, das eine „Antifa Zeckenbiss“ platzierte, kam es zu der entsprechenden Fake-Welle. Wer diesen dubiosen Verein nun näher ins Visier nimmt, ist seinerseits ein Verschwörungstheoretiker, allen voran der irre Trump. So geht Meinung.

Man hüte sich vor Verallgemeinerungen. Doch kursieren dieselben munter auf allen Kanälen. Ein Korrespondent, dessen Name mir entfallen ist, stellte heute Morgen im ZDF fest, dass der Alltagsrassismus in den USA für jeden sichtbar sei. Die meisten Polizeikontrollen, die er beobachten könne, beträfen nämlich schwarze Autofahrer. Das lassen wir mal als Beweismittel durchgehen. Es spricht schließlich für sich, oder? Ich könnte mir freilich vorstellen, dass gründliche, und das heißt eben auch: mutige Polizeikontrollen in sogenannten Berliner Problemvierteln weniger die biodeutsche, bürgerliche Mittelschicht beträfen als einschlägig bekannte Mitglieder libanesischer und kurdischer Familienclans, und ja: damit wäre ich jetzt selbst ein bekennender Rassist, nicht wahr? Tauscht man eine Plattitüde gegen eine andere aus, wird immer diejenige von beiden sanktioniert, die nicht den verordneten Weltbildern entspricht; die verbliebene darf ohne Bedenken abgenickt werden.

Lassen wir es damit gut sein. Dies ist nicht die Stunde der Zweifler. Mehr die der Vollstrecker. Wie auch immer die Krawalle in den USA enden werden: Es wird kaum Gutes dabei heraus kommen. – –


Autor: Dr. Nathan Warszawsk
Bild Quelle: Screenshot YT


Mittwoch, 03 Juni 2020