Mit Rechts marschiert man besser. Nicht.

Mit Rechts marschiert man besser. Nicht.


Statt, wie geplant, am Spaziergang, nehme ich an der kleinen Gegendemo im Ortszentrum teil. Das ist den vier Gestalten peinlich, weil ich mich als Rechter vorstelle. Aber was sollen sie machen?

Mit Rechts marschiert man besser. Nicht.

Von Thilo Schneider

Es ist einmal ein nicht so ekelhafter Montagabend, und weil ich zu Hause nichts zu tun habe, beschließe ich, noch eine Zigarillolänge bei den sogenannten „Spaziergängern“ mitzulaufen. Das ist solidarisch, ich werde ein paar Bekannte treffen, und außerdem ist die frische Luft gut und ich muss nicht mit der bescheuerten Maske herumlaufen. Brav reihe ich mich also in der Fußgängerzone in die lockeren Grüppchen ein, von denen einige Kerzen tragen. Oder, wie es tags drauf in der Zeitung stehen wird, „Fackeln!“ Ist im Grunde das Gleiche, aber „Fackelmarsch“ gibt als Schlagzeile einfach mehr als „Kerzenspaziergang“ her. „Kerzenspaziergang“ hat was von Sankt Martin, „Fackelmarsch“ von Unsankt Adolf. Gewusst wie!

In Richtung Rathaus stehen vier Gestalten am Rande des Pulks, jede hat ein kleines Schild in der Hand. Auf dem Schild eines Herrn steht „Impfen schützt“ (bestimmt!), auf dem des zweiten Herrn „Impfen rettet leben“ (ich kann nix dafür, stand so drauf), die nächste ist der Meinung „Ich will nicht sterben“ (da wird sie Pech haben) und die letzte Dame, ganz straight, hat sich ein zorniges „Man marschiert nicht mit Rechten“ auf ihr Schild gemalt. Das Quartett sieht aus, wie einem Prospekt der Ampelkoalition entsprungen: Alle sind deutlich über 50, der erste Herr hat so einen Fahrradfahrerkasperanzug an und noch sein walnussförmiges Helmchen auf; der, dessen Impfung Leben rettet, trägt einen orangefarbenen Jack-Wolfskin-Anorak. Die, die sich weigert, zu sterben, schaut zornig durch eine Nickelbrille unter einem graubezopften Haarschopf und die, die nicht mit Rechten marschieren wird, trägt eine dicke Daunenjacke, eine graue Wollmütze mit Bommel drauf und einen schlechtgelaunten Gesichtsausdruck zur Schau. Gemeinsam ruft das Grüppchen offensichtlicher DGB-Mitglieder unter seinen Masken den anderen entgegen: „Nazis raus! Nazis raus!“

Gut, sie sagen ja nicht, woher und wohin die raus sollen, aber die Aussage ist ja korrekt. Ich schere aus dem Pulk aus, klemme mir die Maske über die Ohren und stelle mich dazu. Und rufe unter dem beifälligen Nicken der Funktionswäsche- und den abfälligen Blicken der Kerzenträger auch „Nazis raus! Nazis raus!“ Und dann frage ich den Fahrradfahrenden, wie ernst sie denn ihre Parolen nehmen. „Sehr sehr ernst“, bekräftigt die Wollmützenbommel. „Gut“, sage ich, „dann müssen Sie jetzt heimgehen.“ Die vier Gegendemonstranten sehen mich verdutzt an. „Warum?“, fragt der Wolfshaut-Anorak. „Weil ich ein Rechter bin“, antworte ich wahrheitsgemäß.

Das Grüppchen ist etwas verwirrt. „Ja, sind Sie in der AfD?“, will der Fahrradanzug wissen. „Nein, andere Feldpostnummer“, sage ich, weil ich weiß, dass das Wort „Feldpost“ sie triggern wird und übergebe jedem meine Parteivisitenkarte. „Noch nie gehört…“, sagt die Nickelbrille nach einem kurzen Blick und auch ihre Mitgenossen schauen etwas bedröppelt drein. „Noch nie gehört? Ich kann Ihnen aber versichern, dass mir CSU und FDP zu links sind, demnach bin ich ein Rechter. Ehrlich jetzt“, beteuere ich. „Ja, eh, sind Sie ein Rassist?“, evaluiert der Fahrratende meinen Grad der Rechtsmäßigkeit. „Ich hoffe doch nicht…“, gebe ich ehrlich zurück, „…bin aber gegen eine unbegrenzte Zuwanderung und für ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regeln.“ „Ein NAZI“, entfährt es der Bommelmütze. „Dann war Helmut Schmidt auch einer, aber das nur am Rande“, entgegne ich der entsetzten Frau. „Helmut Schmidt…“, grübelt der Wolfskinanorak, der den Namen anscheinend schon einmal gehört hat, aber nicht mehr in Zusammenhang bringen kann.

Impf-Fans demonstrieren unfreiwillig mit einem Rechten

„Gut, nachdem das geklärt wäre, wünsche ich Ihnen einen schönen Nachhauseweg“, kläre ich das Grüppchen auf, während einige Nachzügler an uns vorbeiziehen. „Das könnte Ihnen so passen, was?“, herrscht mich der Fahrräter an. „Ja“, gebe ich zu, „ansonsten bleibe ich weiterhin bei Ihnen stehen und Sie werden mit mir gesehen!“ „Dann bleiben Sie eben stehen“, motzt die Bommelmütze. „Oh, ich habe damit kein Problem - SIE sind es ja, die dann mit einem Rechten demonstrieren!“, kläre ich den politischen Sachverhalt auf. „Wir demonstrieren ja nicht mit Ihnen“, sagt die Nickelbrille. „Doch, haben Sie soeben. Und ich habe ja auch tapfer „Nazis raus“ gerufen, weil ich Nazis nicht leiden kann. Immerhin haben die meine Urgroßmutter ins Gas geschickt und meinen Großonkel in die Ardennenoffensive! Ging nicht gut für ihn aus.“, erzähle ich wahrheitsgemäß aus der Familienchronik. „Sind Sie Jude?“, fragt nun wieder der Anorak. „Nein, aber selbst wenn ich es wäre, täte dies nichts zur Sache. Für Sie wichtig zu wissen: Ich bin rechts. Es geht zwar noch sehr viel rechter, aber noch weiter sehr viel linker. Sie demonstrieren also soeben mit einem Rechten für die Impfung, und weil das laut Ihrer Eigenaussage nicht geht, ist jetzt für Sie hier Ende im Gelände.“, belehre ich die engagierten Ganz- und Halbsenioren.

„Gehen Sie!“, fordert mich nun der Anorak auf. „Nein“, weise ich die Aufforderung zurück. „Dann gehen wir!“, beschließt die angegraute Nickelbrille und ich sage „gut“ und laufe neben ihnen her. „Nazis raus“, skandiert der Anorak tapfer. „Nazis raus“, rufe ich tapfer mit und wir halten wieder an. „Sie sind doch selbst einer!“, wirft mir jetzt der Fahrradanzug vor. „Nicht nach meiner Definition. Ich will niemanden vergasen und auch nicht Polen überfallen. Ich werfe keine Schaufensterscheiben ein oder beschmiere diese mit Parolen. Ich habe niemals jemanden umgebracht und bin zuversichtlich, dies auch niemals zu tun. Ich zünde keine Häuser oder Autos an. Ich bespitzle nicht meine Nachbarschaft und melde diese weder einer offiziellen, noch einer geheimen Staatspolizei. Ich liefere niemanden ans Messer. Wenn Sie dies aber so sehen, dann sehen dies auch Ihre Genossen so. Und die haben Sie mit mir gesehen. Da bin ich gespannt, wie Sie das erklären!“ „Lass den, wir marschieren jetzt weiter“, mischt sich die Nickelbrille wieder ein. „Dann marschieren Sie mit Rechten, denn ich marschiere mit“, erkläre ich fröhlich. Der Fahrradhelm dreht sich zu mir um: „WIR MARSCHIEREN ABER NICHT MIT RECHTEN!“, brüllt er mich an. „DOHOCH!“, brülle ich zurück.

„Sie halten sich wohl für sehr clever!“, stellt die Nickelbrille unter meinem zustimmenden Nicken fest, „aber wir gehen doch nicht nach Hause, nur weil Sie neben uns herlaufen!“ „Löblich!“, bestätige ich sie, „nur sollten Sie dies dann auch den Spaziergängern hier gestatten.“ „Das ist was anderes“, erklärt sie mir. „Nein, ist es nicht. Rechts ist rechts und Laufen ist Laufen. Und ich werde Ihnen nicht von der Seite weichen, versprochen!“, versichere ich ihr. „Arschloch!“, stellt die Bommelmütze zornig fest. Und damit hat sie vollkommen rechts.    

(Weitere Marschmusik des Autors gibt's unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

   


Autor: Redaktion
Bild Quelle: 7C0, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons


Mittwoch, 16 Februar 2022

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