Charlotte Knobloch warnt vor schiefer Israelberichterstattung und stellt den öffentlich rechtlichen Rundfunk vor eine ernste VerantwortungCharlotte Knobloch warnt vor schiefer Israelberichterstattung und stellt den öffentlich rechtlichen Rundfunk vor eine ernste Verantwortung
Charlotte Knobloch spricht selten so scharf – doch diesmal wählt sie Worte, die wie ein seismografisches Warnsignal klingen. Ihre Kritik an der Auszeichnung der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann trifft einen Nerv, der in Deutschland seit dem 7. Oktober offenliegt: Wie Medien über Israel berichten, entscheidet längst auch über die Sicherheit jüdischen Lebens.
Es ist ein selten klarer und zugleich ernüchternder Moment in der deutschen Debatte über Israel. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, erhebt ihre Stimme gegen eine Entwicklung, die seit Monaten bei vielen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern wachsende Sorge auslöst. Die geplante Verleihung des Hanns Joachim Friedrichs Preises an die ARD Israelkorrespondentin Sophie von der Tann ist für sie ein Alarmzeichen. Nicht wegen einer abweichenden Meinung, sondern wegen einer Berichterstattung, die aus Sicht weiter Teile der jüdischen Gemeinschaft Maßstäbe verschiebt und Bilder verstärkt, die gefährliche Folgen haben.
Knobloch betont, dass Demokratie ohne Widerspruch nicht denkbar ist. Ihr Anliegen ist nicht die Gleichschaltung der Presse. Ihre Kritik richtet sich an etwas anderes. An eine Auszeichnung, die aus ihrer Sicht eine problematische Form der Berichterstattung nicht hinterfragt, sondern ehrt. Das verschlägt ihr die Sprache, wie sie sagt. Die Aussage kommt nicht aus einer politischen Ecke. Sie kommt von einer Frau, die als Holocaustüberlebende über Jahrzehnte hinweg für Vertrauen, Dialog und ein demokratisches Miteinander eingetreten ist.
Ihr Kernpunkt ist deutlich. Wenn in deutschen Medien die Maßstäbe zuungunsten Israels verrutschen, wenn Gewalt gegen Juden anders bewertet wird als Gewalt gegen andere Gruppen und wenn Sprache verwendet wird, die ausgerechnet in Deutschland allzu vertraute Muster reaktiviert, dann spürt es die jüdische Gemeinschaft unmittelbar. Nicht erst langfristig. Nicht abstrakt. Sondern sofort. Knobloch erinnert daran, dass Judenhass keine Passkontrolle kennt. Wer Israel delegitimiert, trifft auch Juden weltweit. Und in Deutschland trifft es Menschen, die nach der Schoa glaubten, hier eine sichere Heimat gefunden zu haben.
Dabei verweist Knobloch ausdrücklich auf die Verantwortung des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Sie betont, dass sie dessen Rolle für die Gesellschaft schätzt. Doch gleichzeitig äußert sie Zweifel daran, ob diese Rolle im Kontext Israel derzeit angemessen ausgefüllt wird. Es geht ihr nicht um einzelne Formulierungen. Es geht um Strukturen. Um Narrative. Um die Frage, wie oft ausgerechnet israelische Perspektiven verkürzt werden, während Organisationen wie die Hamas trotz internationaler Einstufung als Terrororganisation in Teilen der Berichterstattung wie ein legitimer politischer Akteur behandelt werden.
Ihr Appell wirkt wie eine nüchterne Erinnerung an eine Lektion, die in Deutschland nie an Gültigkeit verloren hat. Sprache ist nie neutral. Die Bilder, die Medien erzeugen, formen das Klima, in dem Jüdinnen und Juden leben. Wenn eine Berichterstattung prämiert wird, die aus Sicht vieler jüdischer Stimmen eine gefährliche Schlagseite besitzt, dann verliert nicht nur Israel. Dann verliert das Vertrauen, das eine demokratische Öffentlichkeit zusammenhält.
Knoblochs Warnung ist deshalb kein persönlicher Angriff. Es ist ein Weckruf. Demokratische Medienfreiheit ist keine Einbahnstraße. Sie lebt von Verantwortung und dem Bewusstsein für historische Sensibilitäten. Wer sie ignoriert, öffnet Räume, in denen antisemitische Muster neuen Halt finden können. Die Frage, die im Raum steht, ist grösser als eine Preisvergabe. Es geht darum, ob der öffentlich rechtliche Rundfunk den Anspruch erfüllt, der ihn legitimiert. Es geht darum, ob er sensibel genug ist, um Israelberichterstattung nicht in alte Muster absacken zu lassen. Und es geht darum, ob Deutschland verstanden hat, dass Präzision im Umgang mit Israel nicht lästige Pflicht, sondern Ausdruck historischer Reife ist.
Knoblochs Worte wirken wie ein Spiegel. In ihm zeigt sich, wie sehr sich die Debatte verschoben hat und wie dringend eine Rückkehr zu genauerer, verantwortungsvoller Berichterstattung wäre. Nicht zur Schonung Israels, sondern zur Stärkung der demokratischen Kultur, die dieses Land trägt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Henning Schlottmann (User:H-stt) - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=139108094
Freitag, 05 Dezember 2025