Israels neue Ostgrenze: Warum die 22 neuen Siedlungen mehr als nur ein politisches Signal sind

Israels neue Ostgrenze: Warum die 22 neuen Siedlungen mehr als nur ein politisches Signal sind


Mit der Genehmigung von 22 neuen Siedlungen im Westjordanland rückt die israelische Regierung nicht nur vom Rückzugskurs vergangener Jahre ab – sie schafft eine neue Realität an der Ostflanke des Landes.

Israels neue Ostgrenze: Warum die 22 neuen Siedlungen mehr als nur ein politisches Signal sind

Die Ankündigung kam in Form einer nüchternen Pressemitteilung, doch ihre Tragweite reicht weit über bürokratische Formulierungen hinaus: Israel wird im Westjordanland 22 neue Siedlungen errichten – entlang der Grenze zum Jordan, in der strategisch hochsensiblen Nord-Samaria und an Orten, von denen man einst feierlich Abschied nahm. Diese Entscheidung, gemeinsam verkündet von Verteidigungsminister Israel Katz und Finanzminister Bezalel Smotrich, markiert eine Zäsur in der israelischen Siedlungspolitik – und eine deutliche Rückkehr zur Vision von dauerhafter Präsenz im gesamten Land Israel.

Dabei geht es um mehr als den Bau von Häusern. Diese 22 Siedlungen sind Ausdruck eines klaren politischen Willens: Der Rückzug ist beendet. Die Fehler der Vergangenheit – gemeint ist vor allem der einseitige Rückzug aus Teilen Samarias im Zuge des Disengagement-Plans von 2005 – sollen nun korrigiert werden. Homesch und Sa-Nur, einst geräumt, sollen wieder bewohnt werden. Neue Ortschaften entlang der jordanischen Grenze sollen entstehen. Es ist die bewusste Antwort auf eine instabile Region und ein klares Bekenntnis zur jüdischen Rückkehr in lange vernachlässigte Gebiete.

Denn in den Augen der israelischen Führung ist genau das nötig: Präsenz zeigen, bevor andere die Lücke füllen. Die Grenze zum östlichen Nachbarn Jordanien war einst sicherer. Doch mit der Destabilisierung Syriens, dem wachsenden Einfluss des Iran über schiitische Milizen bis in die Westbank hinein, und der zunehmenden Unruhe in palästinensischen Gebieten, hat sich auch das strategische Kalkül verändert. Wer heute nicht entlang des Jordans baut, riskiert morgen ein Machtvakuum – eines, das Israel sich nicht leisten kann.

Katz und Smotrich sprechen offen über diesen sicherheitsstrategischen Aspekt. Es gehe um die Stärkung der „östlichen Achse“, um einen Sicherheitsgürtel, der Israels Kernland abschirmt. Verteidigung durch Besiedelung – eine alte, bewährte israelische Doktrin, die nun wieder Anwendung findet. Mit den neuen Siedlungen wird nicht nur Boden befestigt, sondern auch Demografie gestaltet – gezielt, dauerhaft und mit Rückhalt in der Regierung.

Doch die Entscheidung ist mehr als ein Sicherheitsprojekt. Sie ist auch eine ideologische Rückkehr zu den Wurzeln des Zionismus: der Aufbau jüdischer Gemeinden auf biblischem Land. Abgeordnete wie Orit Strock (RZP) sprechen offen davon, einen „jahrzehntelangen Rückstand“ aufzuholen. In ihrer Sprache klingt an, worum es vielen in der aktuellen Koalition geht – nicht um Provisorien, sondern um Rückkehr, nicht um Kompromisse, sondern um Besitznahme. Die „Sünde des Rückzugs“, wie sie es nennen, soll durch das Schaffen von Fakten im Gelände getilgt werden.

Natürlich bleibt diese Entscheidung nicht ohne Kritik – international ohnehin, aber auch innerhalb Israels. Kritiker werfen der Regierung vor, einen ohnehin prekären Status quo weiter zu belasten und Friedensoptionen dauerhaft zu verbauen. Doch diese Einwände prallen an der jetzigen Führung weitgehend ab. Denn aus ihrer Sicht ist die Zweistaatenlösung längst zur leeren Formel verkommen – eine Formel, hinter der sich jahrelang politische Stagnation versteckte, während die Bedrohungen realer, die Grenzen durchlässiger und die Feinde entschlossener wurden.

Die Wiederbesiedlung von Nord-Samaria und die gezielte Entwicklung entlang der jordanischen Linie ist also kein Zufall, sondern Teil eines übergeordneten Plans: Die Auflösung der Disengagement-Politik, das Schaffen neuer Realitäten am Boden – und die Ausweitung der israelischen Präsenz auf alle Regionen, die als sicherheitsrelevant und historisch bedeutsam gelten.

Dieser Kurs mag umstritten sein – aber er ist klar. Und er zeigt, dass die derzeitige Regierung nicht verwalten, sondern gestalten will. Im Schatten wachsender Spannungen mit der Hisbollah, dem Iran und innerhalb der palästinensischen Gebiete sendet Jerusalem damit ein eindeutiges Signal: Israel zieht sich nicht mehr zurück. Im Gegenteil – es festigt, baut, verankert. Nicht hinter Zäunen, sondern mit Dächern, Familien, Schulen. Und mit einer Vision, die weit über das Heute hinausweist.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Avishai ka - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2688887


Donnerstag, 29 Mai 2025

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