Khameneis Botschaft aus dem Versteck – und was sie über den neuen Nahen Osten verrätKhameneis Botschaft aus dem Versteck – und was sie über den neuen Nahen Osten verrät
Während Irans oberster Führer aus der Deckung spricht, formt sich eine neue Ordnung in der Golfregion – entschlossen, pragmatisch und ohne Illusionen.
Es war eine verstörende Szene, die der Welt am 20. Juni präsentiert wurde: Ein sichtbar gealterter Ali Khamenei, Irans oberster Führer, richtet sich in einem verschwommenen Video aus unbekanntem Ort an sein Volk. Keine klare Lageeinschätzung, keine Perspektive – nur vage Anspielungen auf einen „aufgezwungenen Krieg“ und eine wortreiche Schuldzuweisung an die USA. Zu diesem Zeitpunkt tobte noch der Krieg mit Israel, ein Konflikt, der inzwischen beendet ist, aber Spuren hinterlässt: in Teheran, in Jerusalem – und in der gesamten Region.
Was Khamenei an diesem Tag sagte, war weniger eine Botschaft an sein Volk als ein Akt der Selbstinszenierung. Kein Wort zur Verantwortung des eigenen Regimes, keine Anerkennung des Leids der Bevölkerung, kein Konzept für einen Ausweg. Stattdessen: Durchhalteparolen, Durchhaltepathos, Dämonisierung des Westens. Und genau darin zeigt sich das eigentliche Problem: Die Worte des geistlichen Führers spiegeln nicht die Realität Irans wider – und schon gar nicht die Realität des Nahen Ostens, wie er sich gerade neu ordnet.
Ein Führer spricht – aber nicht für sein Volk
Der Ton in Khameneis Rede war trotzig, aber leer. Die vermeintliche Kampfansage an die USA – ohne formelle Kriegserklärung, ohne militärische Substanz – wirkte wie ein Rückgriff auf alte Erzählmuster, die nicht mehr verfangen. Selbst innerhalb der iranischen Machtelite geht die Unterstützung für solche Rhetorik zurück. Weder Präsident Pezeshkian noch Außenminister Araghchi folgen seinem Kurs. Auch der Nationale Sicherheitsrat, eigentlich zuständig für Kriegsfragen, distanzierte sich in seinem Statement vom aggressiven Tonfall des Revolutionsführers.
Und noch etwas fehlte auffällig: Religion. Kein einziger Verweis auf die islamische Umma, kein Ruf nach einem heiligen Krieg. Das ist bemerkenswert, denn es deutet auf einen Bruch in der Inszenierung des Regimes – oder zumindest auf einen Verlust der Fähigkeit, selbst im eigenen ideologischen Narrativ noch kohärent zu wirken.
Der Golf positioniert sich neu – jenseits religiöser Rhetorik
Während Khamenei im Verborgenen gegen Feindbilder wetterte, versammelten sich die Staatschefs des Golf-Kooperationsrats bei internationalen Gipfeln mit China, der ASEAN und der EU. Ihr Ziel: Stabilität, wirtschaftliche Partnerschaften, geopolitische Relevanz. Die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, haben sich längst von der Rolle als bloße Ölmonarchien verabschiedet. Sie agieren diplomatisch geschickt, vermitteln in internationalen Krisen, investieren in Technologie, Künstliche Intelligenz und nachhaltige Energie.
Der Wandel ist nicht zufällig. Die Golfstaaten verfolgen einen langfristigen Plan: Sie wollen sich als zuverlässige Partner der Weltgemeinschaft positionieren – pragmatisch, sicherheitsorientiert, frei von ideologischen Dogmen. Im Syrienkonflikt, bei der Stabilisierung Afghanistans und sogar in der Frage Palästinas waren sie zuletzt moderierend tätig. Dieser neue Stil: nüchtern, aber effektiv.
Khamenei ist isoliert – und die Region hat sich weitergedreht
Während in Teheran die Stimmen nach Deeskalation wachsen und der Iran auch wirtschaftlich angeschlagen aus dem Krieg hervorgeht, hat sich die Golfregion modernisiert. Ihre Staaten sprechen nicht mehr die Sprache von 1979 – sondern die der Zukunft. Sie agieren wirtschaftlich offen, sicherheitspolitisch strategisch und außenpolitisch vielstimmig. Es sind diese Akteure, die heute Stabilität in der Region schaffen – nicht der von der Realität entkoppelte Revolutionsführer in Teheran.
Selbst Israels einst erbitterte Gegner wie Saudi-Arabien senden längst andere Signale: Sicherheitsinteressen wie der Iran und gemeinsame wirtschaftliche Perspektiven führen zu neuen Allianzen – vorsichtig, aber konsequent. Der arabische Raum zeigt sich als lernfähig, verantwortungsbewusst und international anschlussfähig. Was lange unmöglich schien, ist Realität geworden: eine arabische Diplomatie, die ohne Fundamentalismus auskommt.
Die Welt schaut nicht mehr auf Khamenei – sondern auf Riad, Doha und Abu Dhabi
Khameneis Worte erreichen kaum noch ihr Ziel. Nicht nur, weil sie inhaltsleer sind, sondern weil sie nicht mehr in eine Welt passen, die sich längst weiterentwickelt hat. Der neue Nahe Osten wird nicht mehr aus Teheran geprägt, sondern aus den modernen Zentren des Golfs. Während Khamenei vom Widerstand fabuliert, handeln andere – und gewinnen an Einfluss.
Die Realität ist klar: Der Iran ist aus diesem Krieg geschwächt hervorgegangen. Israel hat keine Kapitulation erzwungen, aber seine militärischen Ziele erreicht. Der Westen hat keine Offensive geführt, aber politische Klarheit geschaffen. Und der Golf hat die Chance genutzt, sich als Stabilitätsanker zu präsentieren – ohne Waffen, aber mit Weitblick.
Das Schweigen, das Khamenei brach, war letztlich symptomatisch für seine Lage: Er spricht – doch kaum jemand hört noch zu. Die Region hat sich emanzipiert – nicht vom Westen, sondern von den alten Geistern, die immer wieder in Teheran beschworen werden.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild KI generiert
Samstag, 28 Juni 2025