Spion oder Symbol? Warum der Mossad das Schweigen um Irans mächtigen General plötzlich brichtSpion oder Symbol? Warum der Mossad das Schweigen um Irans mächtigen General plötzlich bricht
Mit einem knappen Satz schaltet sich Israels Geheimdienst öffentlich in die Debatte ein – und streut Zweifel, wo er angeblich Klarheit schafft. Was wirklich hinter dem rätselhaften Fall Qaani steckt.
„قاآنی جاسوس ما نیست.“ – „Qaani ist nicht unser Spion.“ Mehr sagt der Mossad nicht. Kein Kontext, keine Erklärung, keine Details. Nur sechs Worte, gepostet am Montagnachmittag vom offiziellen, persischsprachigen X-Account @MossadSpokesman. Und doch schlagen sie Wellen. Nicht, weil die Aussage klar wäre – sondern weil sie eine Tür öffnet, die viele für längst verschlossen hielten.
Denn seit Monaten kursiert in westlichen Geheimdienstkreisen ein Verdacht, der kaum auszusprechen ist: Hat Israels Mossad einen der mächtigsten Männer des iranischen Regimes umgedreht – General Esmail Qaani, Chef der Quds-Einheit der Revolutionsgarden?
Das große Schweigen – und sein plötzliches Ende
Es war Qaanis Verschwinden im Spätherbst 2024, das erste Spekulationen auslöste. Inmitten israelischer Präzisionsschläge auf pro-iranische Kräfte im Libanon, im Irak und in Syrien – bei denen zahlreiche hochrangige Hisbollah-Kommandeure gezielt getötet wurden – fehlte von Qaani plötzlich jede Spur. Iranische Dissidenten behaupteten, er sei festgenommen, verhört, vielleicht sogar gefoltert worden. Britische Boulevardblätter sprachen von „Herzinfarkt bei der Vernehmung“. Israel schwieg – wie immer. Bis jetzt.
Dass der Mossad den Namen Qaani nun überhaupt öffentlich nennt, ist ein Novum – und ein kalkulierter Schachzug. Offiziell will der Post Gerüchte widerlegen. Doch in Wahrheit tut er das Gegenteil: Er bestätigt, dass diese Gerüchte den Mossad beschäftigen. Und dass sie eine Wirkung entfalten, die aus israelischer Sicht womöglich nützlicher ist als jeder tatsächliche Überläufer.
PsyOps im Schattenkrieg
Denn Qaani ist mehr als nur ein General. Er ist das Gesicht des iranischen Einflusses von Beirut bis Sanaa, von Gaza bis Damaskus. Als Nachfolger des getöteten Qassem Soleimani wurde ihm wenig Charisma, aber viel Macht nachgesagt. Dass er nun – so suggerieren es westliche Kreise – Informationen an Israel weitergegeben haben könnte, trifft Teheran ins Mark. Der Verdacht allein reicht aus, um Misstrauen zu säen, interne Säuberungen auszulösen und den Mythos des unerschütterlichen Systems der Revolutionsgarden zu beschädigen.
Iran reagierte entsprechend gereizt. Am 25. Juni zeigte sich Qaani überraschend bei einer Straßenkundgebung in Teheran. Lächelnd, in gutem Zustand, wie die Staatsagentur IRNA betonte. Ein Auftritt, der eher wie ein Dementi inszeniert war als wie ein Sieg. Aber er kam zu spät – die Saat des Zweifels war längst gestreut.
Israels neue Offenheit – oder ein raffinierter Bluff?
Was also soll der X-Post bezwecken? Wer den Mossad kennt, weiß: Nichts an der Kommunikation dieses Dienstes geschieht zufällig. Schon die Existenz eines halb-offiziellen Accounts ist ein Bruch mit früherer Geheimhaltung. Und wer in sechs knappen Worten „Qaani ist nicht unser Spion“ sagt, tut das nicht, um wirklich Ruhe einkehren zu lassen.
Vielmehr zeigt der Satz: Israel spielt in einem Informationskrieg, der längst genauso wichtig ist wie der auf dem Schlachtfeld. Es geht um Vertrauen – in Führungsfiguren, in Systeme, in Loyalität. Der Mossad nutzt diesen Zweifel wie ein Präzisionswerkzeug: Nicht um zu entlarven, sondern um das System zu destabilisieren, das Qaani verkörpert.
Ein Schatten bleibt
Ob Qaani tatsächlich mit dem Mossad in Kontakt stand, weiß außerhalb weniger Kreise wohl niemand mit Sicherheit. Vielleicht ist er loyal. Vielleicht aber auch nur ein Spielball zwischen Machtfraktionen im Iran. Dass Israel öffentlich betont, er sei „nicht unser Spion“, macht ihn jedenfalls nicht weniger verdächtig – sondern nur gefährlicher für sein eigenes Regime.
Denn manchmal ist ein Dementi die eleganteste Form der Bestätigung. Und im Nahen Osten, wo Worte oft schärfer sind als Waffen, kann ein kurzer X-Post einen ganzen Apparat ins Wanken bringen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Tasnim News Agency, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=85597850
Montag, 30 Juni 2025