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Netanyahu zwischen Washington und Kairo: Ein Gipfel rückt näher, doch der Preis ist hoch

Netanyahu zwischen Washington und Kairo: Ein Gipfel rückt näher, doch der Preis ist hoch


Die Regierung in Washington drängt Jerusalem zu einer mutigen wirtschaftspolitischen Entscheidung, die das Verhältnis zu Kairo neu ordnen könnte. Hinter den Kulissen wächst der Druck auf den Premier, die Gasvereinbarung freizugeben und damit eine diplomatische Öffnung einzuleiten.

Netanyahu zwischen Washington und Kairo: Ein Gipfel rückt näher, doch der Preis ist hoch

Israel steht vor einer Weggabelung, die über das Verhältnis zum größten arabischen Nachbarn entscheiden kann. Nach langen Monaten der Funkstille prüft das Weiße Haus die Möglichkeit, Benjamin Netanyahu und den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi zu einem persönlichen Gipfel zusammenzubringen. Beide haben seit Ausbruch des Krieges in Gaza kein Wort direkt gewechselt. Doch diese Chance gibt es nicht umsonst. Washington fordert ein klares Signal aus Jerusalem. Konkret geht es um die strategische Gasvereinbarung mit Ägypten, deren Genehmigung die israelische Regierung seit Monaten zurückhält. Für die Vereinigten Staaten bildet sie den zentralen Hebel, um Kairo zur Wiederaufnahme des politischen Dialogs zu bewegen und eine neue regionale Dynamik anzustoßen.

Die amerikanische Administration verfolgt inzwischen einen Ansatz, der wirtschaftliche Kooperation als Kern neuer diplomatischer Modelle begreift. Im Zentrum stehen Technologie, Energie, künstliche Intelligenz und die Einbindung privater Akteure. Für Washington ist dies der einzige realistische Weg, um Israel aus der diplomatischen Isolation zu führen, die sich seit dem Krieg gegen die Terrororganisation Hamas vertieft hat. Die Logik dahinter ist klar. Verflechtung schafft Nähe. Wirtschaftliche Interessen erzeugen Stabilität. Ein gemeinsamer Energiemarkt verändert politische Realitäten stärker als jede politische Erklärung.

Jared Kushner, Berater und Schwiegersohn von Präsident Donald Trump, war in den vergangenen Wochen der wichtigste Übermittler dieser Botschaft. Er machte dem Premier deutlich, dass die Region keine Gespräche benötigt, die sich ausschließlich um Teheran drehen. Staaten wie Ägypten, Saudi Arabien oder Katar orientieren sich an industriellen Chancen, an Investitionen, an der Frage, wie sie ihre Volkswirtschaften modernisieren können. Wer mit ihnen reden will, muss in dieser Sprache sprechen. Kushner stellte klar, dass Israel seine wirtschaftliche Kraft zu lange getrennt von seiner außenpolitischen Agenda betrachtet hat. Nach dem Gaza Krieg brauche es dringend einen Neustart.

Dass der Beginn dieses Kurses bei Ägypten liegen soll, ist kein Zufall. Kairo spielte eine entscheidende Rolle bei der Vereinbarung der Waffenruhe und trug maßgeblich dazu bei, die sterblichen Überreste der meisten israelischen Geiseln zurückzuführen. Diese Verantwortung hat der ägyptische Präsident trotz enormer innenpolitischer Kritik getragen. Dass er seither jede Begegnung mit Netanyahu ablehnte, zeigt jedoch, wie tief das Vertrauensproblem sitzt. Besonders schwer wog die Episode im Oktober, als Netanyahu eine Einladung al Sisis zu einem Gipfel in Scharm el Scheich erst annahm und kurze Zeit später zurückzog. Dieser Rückzieher beschädigte das persönliche Verhältnis erheblich und ließ in Kairo den Eindruck entstehen, Israel suche den Dialog nur dann, wenn es sich taktisch lohnt.

Vor diesem Hintergrund versuchen die Vereinigten Staaten nun, die Blockade aufzubrechen. Sie erwarten von Jerusalem ein konkretes Angebot, das Kairo tatsächlich bewegt. Die Gasvereinbarung könnte ein solches Angebot sein. Sie umfasst ein Volumen in zweistelliger Milliardenhöhe und würde ägyptische Kraftwerke künftig zu rund einem Viertel mit israelischem Gas versorgen. Für al Sisi stellt dies ein strategisches Projekt dar, das er im Sommer trotz innenpolitischer Widerstände genehmigte. Doch Israel zögert. Nach Angaben aus Regierungskreisen liegt der Grund weniger in fachlichen Fragen, sondern in parteipolitischen Rivalitäten in Jerusalem. Hinzu kommt der Wunsch des Premiers, das Abkommen persönlich und öffentlichkeitswirksam in Ägypten zu unterzeichnen und dafür einen passenden Anlass zu schaffen.

Washington hingegen drängt zur Eile. Amerikanische Regierungsmitglieder betonen, dass die Geduld Kairos erschöpft sei. Über Monate erklärten die Vereinigten Staaten den Ägyptern, der israelische Verzug sei lediglich ein technischer Vorgang. Doch je länger die Entscheidung ausblieb, desto deutlicher wurde in Kairo der Eindruck, Israel halte das Projekt aus politischen Gründen zurück. Für Ägypten ist die Lage klar. Ohne wirtschaftlichen Fortschritt wird es keine Annäherung geben. Ohne glaubwürdige Angebote wird es keinen Gipfel geben. Und ohne ein persönliches Treffen verliert Israel eine der wenigen Chancen, den regionalen Trend der Distanzierung umzukehren.

In Jerusalem ist die Botschaft angekommen. Nach Angaben aus amerikanischen und israelischen Quellen hat Netanyahu inzwischen ein geheim arbeitendes Team eingesetzt, das wirtschaftliche Initiativen entwickeln soll, die im Rahmen eines Treffens mit al Sisi präsentiert werden können. Der Fokus liegt auf energiepolitischer Kooperation, auf Wassertechnologien und auf Investitionen, die den ägyptischen Markt für israelische Unternehmen öffnen. Gleichzeitig soll das Projekt ein Signal an weitere Staaten senden, darunter Libanon, Syrien und Saudi Arabien. Die USA hoffen, dass ein Erfolg mit Ägypten die Grundlage für ein neues Modell schafft, das die Region langfristig stabilisiert und Israel wieder als aktiven Partner einbettet.

Für Jerusalem ist dies mehr als ein diplomatisches Detail. Es ist eine Entscheidung über die strategische Ausrichtung nach dem Iran Krieg und dem Gaza Konflikt. Die amerikanische Botschaft ist eindeutig. Frieden mit Ägypten darf kein kaltes Arrangement bleiben, das nur auf Militär und Sicherheit reduziert ist. Er muss sich in einen wirtschaftlichen Raum verwandeln, in dem beide Länder profitieren. Wer an diesem Punkt steht, trifft keine technische Entscheidung über Gaspreise. Er entscheidet über seine Rolle im Nahen Osten der kommenden Jahre.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: GPO


Montag, 08 Dezember 2025

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