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Der gefährlichste Machtpoker im Nahen Osten: Erdogan, Netanyahu und Trumps Entscheidung über die Zukunft von Gaza

Der gefährlichste Machtpoker im Nahen Osten: Erdogan, Netanyahu und Trumps Entscheidung über die Zukunft von Gaza


Die Frage, wer Gaza stabilisieren soll, ist zur geopolitischen Schachpartie geworden. Ankara drängt in das Machtvakuum, Israel warnt vor einer historischen Fehlkalkulation, und der amerikanische Präsident steht vor einer Entscheidung, die die Region für Jahre prägen wird.

Der gefährlichste Machtpoker im Nahen Osten: Erdogan, Netanyahu und Trumps Entscheidung über die Zukunft von Gaza

Die Diskussion um die Zukunft Gazas hat in den vergangenen Wochen eine Dynamik angenommen, die weit über taktische Absprachen hinausgeht. Für Israel steht nicht weniger als die Sicherheit der eigenen Bevölkerung zur Debatte. Für Recep Tayyip Erdogan eröffnet sich die Chance, seinen regionalen Anspruch auf Führung endlich auch militärisch sichtbar zu machen. Und für Präsident Donald Trump geht es um die Wahl zwischen zwei Partnern, die beide etwas von ihm wollen, aber nicht dieselben Ziele verfolgen.

Nach Einschätzung mehrerer israelischer Sicherheitskreise steht die Entscheidung kurz bevor und wird wahrscheinlich während Netanyahus Besuch in Washington fallen. Doch während Israel an Stabilität und berechenbarer Kontrolle interessiert ist, verfolgt Erdogan ein völlig anderes Konzept. Seine Vision für die Region reicht weit über Gaza hinaus. Sie umfasst die Neuformung der politischen Ordnung des Nahen Ostens, die Schwächung iranischer Einflusszonen und die Errichtung eines türkischen Machtblocks, der Gaza, Ramallah, große Teile Syriens und sunnitische Bewegungen unter einem ideologischen Dach vereinen soll.

Erdogans strategische Agenda: Gaza als Rampe für regionalen Einfluss

Der türkische Präsident sieht sein Land als kommenden Taktgeber der sunnitischen Welt. Seine Nähe zur Ideologie der Muslimbruderschaft ist bekannt, sein politischer Aktivismus im Schatten regionaler Instabilität ebenso. In Syrien hat er weitgehend unauffällig ein Netzwerk neu aufgebauter Milizen installiert – einige davon mit Strukturen, die bewusst an extremistische Organisationen erinnern. Diese Kräfte sollen nach seinem Plan drei Ziele erfüllen: den Iran zurückdrängen, die Kurden schwächen und eine permanente Drohkulisse an der israelischen Grenze schaffen.

Für Erdogan wäre die Stationierung türkischer Truppen in Gaza ein Triumph. Sie würde nicht nur Israels operative Handlungsspielräume einschränken, sondern die Türkei in der muslimisch-arabischen Welt als Schutzmacht positionieren. Sein Vorschlag, den bewaffneten Arm der Hamas vorerst nicht zu entwaffnen, zeigt zudem, dass es ihm nicht um Stabilität geht, sondern um Machthebel. Ein bewaffneter, reorganisierter und technisch aufgerüsteter Hamas-Ableger wäre ein Druckmittel, das Ankara nach Belieben einsetzen könnte.

Aus israelischer Sicht würde ein solches Szenario die strategische Lage dramatisch verschlechtern. Angriffe aus Gaza wären faktisch Angriffe auf türkischen Boden, sobald sich dort türkische Soldaten befinden. Jeder Einsatz der israelischen Armee könnte dadurch zu einem militärischen Konflikt mit einem NATO-Mitglied führen. Dieser Gedanke allein reicht, um die Risiken zu erahnen.

Die Rolle der USA: Entscheidung ohne Netz und doppelten Boden

Die USA sind der einzige Akteur, der diese Entwicklung stoppen kann. Präsident Trump neigt dazu, persönliche Loyalität höher zu gewichten als geopolitische Feinstruktur. Genau das macht die Lage heikel. Erdogan hat früh erkannt, dass ein direkter Draht zum Oval Office ihm Türen öffnen kann. Gleichzeitig setzt Netanyahu vieles auf diese Beziehung, weil er weiß, dass ein sichtbarer türkischer Fuß in Gaza eine strategische Katastrophe wäre.

Aus israelischer Sicht gibt es nur eine realistische Alternative: Ägypten, flankiert von moderaten arabischen Staaten. Kairo verfügt über Erfahrung, Legitimität und die Fähigkeit, Sicherheit durchzusetzen, ohne neue Fronten zu eröffnen. Diese Option ist für Israel unangenehm, weil sie perspektivisch die Palästinensische Autonomiebehörde wieder in Gaza verankern könnte. Doch im Vergleich zur türkischen Präsenz gilt sie sicherheitspolitisch als der eindeutig geringere Schaden.

Der Preis der falschen Wahl wäre hoch. Eine türkische Streitkraft in Gaza würde Ankara zu einem unmittelbaren Faktor in jeder zukünftigen israelischen Operation machen. Und es würde Erdogan eine zusätzliche Bühne verschaffen, seinen regionalen Führungsanspruch auszubauen – auf Kosten Israels und seines Handlungsspielraums.

Am Ende steht der amerikanische Präsident vor einer Entscheidung, die weniger mit militärischer Logik als mit politischer Nähe zu tun hat. Netanyahu hat alles darauf gesetzt, Trump zu überzeugen. Erdogan setzt alles darauf, ihn zu umwerben. Und was Trump schließlich festlegt, wird die israelische Sicherheitsarchitektur für viele Jahre definieren.


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: Symbolbild KI generiert


Donnerstag, 11 Dezember 2025

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