Vor Schließung und Eröffnung: Tegel war praktisch und klein, der BER ist eine wahre Schönheit

Vor Schließung und Eröffnung:

Tegel war praktisch und klein, der BER ist eine wahre Schönheit


Der deutschen Hauptstadt steht die große Wende bevor. Es gibt eine Schließung, es gibt eine Eröffnung, wobei die verdienten und geplanten größeren Festlichkeiten Corona-bedingt ausfallen oder viel bescheidener ausfallen müssen.

Tegel war praktisch und klein, der BER ist eine wahre Schönheit

Von Wolfgang Will

Tegel geht, BER kommt. Wehmut also mischt sich mit Freude und Hoffnung. Tegel war praktisch und klein und platzte letztlich aus allen Nähten, der BER dagegen präsentiert sich als eine wahre Schönheit – weniger an der eher eintönigen Außenarchitektur zu erkennen als im Innenbereich. Da fällt dieser neue Berliner Airport wahrhaftig aus dem Rahmen:

Die Wände sind vielfach mit Nussbaum verkleidet, inmitten der vorherrschenden Flugplatz-Technologie eine wahre Augenweide. Die Fußböden bestehen aus kostbar erscheinendem Muschelkalk, wobei es einen Teil im Ankunftsbereich gibt, in den sind größere und kleine Geldmünzen aus aller Welt eingelassen. Fällt sicher nicht auf, wenn man es nicht weiß. Nicht nur Design-schön sind die vielen Sitzgelegenheiten, nein – diese teils bunten Sofaecken und schwarzen StuhlSessel sind auch äußerst bequem.

Man glaubt es kaum – aber es gibt im Hauptterminal einen Marktplatz. Mit etwa 100 Geschäften und Restaurants oder Bars. Da brillieren international bekannte Boutiquen mit heimischen Produkten, solchen etwa aus Brandenburg und Berlin. Der Duty Free Shop hat die Ausmaße eines Supermarktes. Die insgesamt vorherrschende Moderne des BER wird durch räumliche Großzügigkeit und überall strahlende Lichteffekte – zudem viel Tageslicht! - betont.

Mehrere Wochen vor der BER-Eröffnung am 31. Oktober hatten Mitglieder des LPC (Luftfahrt Presse Club) die Gelegenheit, diesen Flugplatz ausgiebig zu erforschen. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup gab eine Einführung und beantwortete Fragen. Er behauptete, der BER sei „ein Flugplatz der kurzen Wege“, damit eine für Tegel durchaus zutreffende Werbeformel übernehmend. Im Falle BER allerdings muss hier dem Airportboss widersprochen werden:

Allein die Tatsache, dass der BER Terminal 1 mehrstöckig ausgelegt ist, verlängert die Wege. Hinzu kommt die im Grunde begrüßenswerte Großräumigkeit des Gebäudes – es gibt zwar Laufbänder, aber keineswegs genug. Davon hätte es viel mehr geben müssen. Also: Von „kurzen Wegen“ sollte nicht mehr gesprochen werden.

Viel zu klein in der Beschriftung, um bei der Kritik zu bleiben, sind die Flugdaten-Angaben auf den Bildschirmen. Das ist verständlich, weil die Daten für den ganzen Tag angegeben werden. Empfehlung: Zusätzlich sollten Bildschirme installiert werden, die Abflug - und Ankunftsdaten für die jeweils bevorstehenden zwei Stunden nennen.

Der neue Hauptstadtflughafen kann mit einigen interessanten Zahlen und Fakten aufwarten:

O So ist er mit einer Fläche von von rund 1 470 Hektar vielmals größer als Tegel. Hektar sagen nicht jedermann etwas – 1 470 entsprechen rund 2 000 Fußballfeldern.

O Knapp zwei Kilometer liegen die beiden Start/Landebahnen auseinander. Das entspricht der international vorgeschriebenen Entfernung, um zwei Bahnen gleichzeitig betreiben zu können. Zudem ist genügend Platz für eine mögliche dritte Bahn vorhanden – falls die einmal benötigt werden sollte.

O Genau zwischen den beiden Bahnen liegen die Terminals, Parkplätze und Gate-Positionen, so dass der größte Teil des Fluglärms innerhalb des Flughafenzauns in Erscheinung tritt.

O Die Nordbahn ist von 3 000 auf 3 600 Meter verlängert worden. Die neuerbaute Südbahn, die auch der ILA (Internationale  Luft- und Raumfahrtausstellung) als Showfläche diente – und das hoffentlich auch bleiben wird ! - ist 4 000 Meter lang und 60 Meter breit. Die beiden Bahnen in Tegel sind 2 428 und 3 023 Meter lang und jeweils 46 Meter breit.

O Das mit sechs Geschossebenen gestaltete Terminal 1 am BER bietet Platz für 27 Millionen Passagiere. Es bietet 16 Gates am Haupt- und weitere 9 am Süd-Pier. Da der BER von Anfang zu klein geplant war, musste ein Terminal 2 in Auftrag gegeben werden. Wegen der Corona-bedingten Luftfahrtkrise wird es, obwohl bezugsfertig, vorläufig nicht benötigt. Letzten Planungen zufolge kann der BER so ausgebaut werden, dass er bis zu 45 Millionen Passagiere bewältigen kann. Deshalb sind auch schon Terminal 3 und Terminal 4 im Gespräch. Verwirrend: Alt-Schönefeld – also der DDR-Bau – firmiert als Terminal 5.

0 Um bei den Terminals zu bleiben: Jener der Bundesregierung ist ebenfalls einsatzbereit. Hier wurde schon eifrigst „probiert“. Entweder die Anfahrt der blaubelichteten Kanzlerin-Kolonne oder die Ankunft eines Staatspräsidenten oder Königs. Dessen Maschine wurde sogar, internationalem Protokoll entsprechend, von zwei Düsenjägern der Luftwaffe eskortiert. Unverständlich: Die Flotte der Regierungsflieger (Luftwaffe Flugbereitschaft) bleibt vorläufig in Köln/Bonn stationiert. Das verursacht weitere Kosten. Denn bei jedem Bedarf in Berlin muss eine Maschine von Bonn angefordert werden. Das geschieht in der Regel binnen zwölf Monaten weit mehr als 700mal. Über 600 davon sind Leerflüge. Ohne Passagiere. Vor dem Umzug der gesamten Flugbereitschaft müssen am BER-Regierungsterminal noch Hangars und Kasernenbereiche entstehen. Als hätte man das nicht früher in Angriff nehmen können.

Ursprünglich sollte der BER am 30. Oktober 2011 eröffnet werden. Nach der Absage dieses Termins wurden nach und nach vier weitere genannt – keiner konnte eingehalten werden. Erst Lütke Daldrup konnte die Melange aus Pleiten, Pech und Pannen beenden – vor allem auch deshalb, weil er es wagte, die Entscheidungsgewalt von Politikern zu beenden. Knapp zwei Milliarden Euro sollte der BER kosten – jetzt kommt die Rechnung allein bis Ende 2021 auf über sechs Milliarden Euro.

Am 31. Oktober werden zwei Maschinen um 14 Uhr gleichzeitig auf dem BER landen – von Lufthansa die eine, von Easyjet die andere. Diese beiden Airlines frequentieren den BER am meisten. Symbolträchtig wie diese Premiere wird auch der Tegel-Abschied sein: Am 8. November startet ein Flugzeug der Air France – diese Gesellschaft schließlich auch war es, die 1960 den Verkehrsflughafen Tegel eröffnet hatte.

Problematisch bleibt die Anfahrt aus Berlin. Die Autobahn A113 ist vielfach, wenn nicht dauer-verstopft, wobei der Britzer Tunnel die besondere Achillesferse ist. Das Adlergestell ist nicht minder fragwürdig. Parkplätze gibt es am BER genügend - etwa 10 000. Geglückt erscheint dagegen die Schienenanbindung. Unter dem Hauptterminal gibt es einen Bahnhof mit sechs Gleisen. Dieser unterirdische Bahnhof ist 405 Meter lang und 60 Meter breit. Hier halten Regional-, IC- und ICE-Züge. Und natürlich Berlins S-Bahn. Die braucht vom Hauptbahnhof 30 Minuten bis zum BER.  Welt-einmalig: Die Fahrstühle vom Bahnhof führen direkt in den Abflugbereich.

 

Wolfgang Will arbeite jahrelang als Auslandskorrospodent für den Axel-Springer-Verlag und als Chefredakteur u.a. in New York.


Autor: Wolfgang Will
Bild Quelle: Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Dienstag, 20 Oktober 2020

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