Ein Mörder in weißem Kittel: Wie ein syrischer Folterarzt jahrelang unbehelligt in Deutschland praktizierte

Ein Mörder in weißem Kittel: Wie ein syrischer Folterarzt jahrelang unbehelligt in Deutschland praktizierte


Das Urteil ist gefallen, doch die Fragen bleiben: Wie konnte ein Mann, der Menschen in Syrien zu Tode quälte, in deutschen Kliniken Patienten behandeln?

Ein Mörder in weißem Kittel: Wie ein syrischer Folterarzt jahrelang unbehelligt in Deutschland praktizierte

Ein Mann, der in syrischen Gefängnissen mit sadistischer Präzision folterte, hat in deutschen Krankenhäusern jahrelang Menschen behandelt. Ein Täter, der Gefangenen Wunden anzündete, wurde in Hessen zum Orthopäden. Heute, über ein Jahrzehnt nach seinen Taten, hat das Oberlandesgericht Frankfurt ein klares Urteil gefällt: lebenslange Haft für Alaa M., den syrischen Arzt, der sich seine weißen Kittel durch Blut und Schmerz verdiente.

Es ist ein Justizfall, der kaum zu fassen ist. Nicht, weil das Urteil überraschend wäre – sondern weil es so lange gedauert hat, bis es kam. Neun Menschen hat Alaa M. nachweislich schwer misshandelt, zwei getötet. Und obwohl er laut Gerichtsausführungen Teil einer berüchtigten „Beseitigungsgruppe“ des Assad-Regimes war, lebte er unbehelligt in Deutschland, arbeitete in Kliniken, behandelte Patienten, verdiente Geld, lachte vermutlich – während seine Opfer Narben trugen, die nie verheilen.

Der Fall Alaa M. ist mehr als ein individuelles Verbrechen. Er ist ein Spiegelbild dessen, was passiert, wenn ein Unrechtsregime wie das von Baschar al-Assad seine blutigsten Täter in alle Welt entlässt – und der Rechtsstaat sie nicht erkennt. In Homs und Mezzeh soll Alaa M. laut Urteil als Assistenzarzt mit dafür verantwortlich gewesen sein, Oppositionelle systematisch zu brechen. Tritte, Schläge, brennende Wunden – was Zeug:innen vor Gericht schilderten, sprengt jede Vorstellung von ärztlicher Ethik. Ein Mediziner, der seine sadistischen Neigungen an hilflosen Gefangenen auslebt. Und später in Deutschland als Facharzt durchgeht.

Seine Opfer waren keine Soldaten. Es waren Zivilisten. Männer, die auf der falschen Seite der Politik standen. Menschen, die sich dem Assad-Regime widersetzten. Ihre Qualen lassen sich nur schwer in Worte fassen – aber der Prozess hat ihnen nun endlich eine Stimme gegeben. Auch deshalb applaudierte das Publikum nach dem Urteil. Es war mehr als Erleichterung – es war ein Akt der Gerechtigkeit, die endlich nicht mehr sprachlos blieb.

Alaa M. indes blieb auch nach der Urteilsverkündung ausdruckslos. Er bestreitet bis heute jede Schuld, sieht sich selbst als Opfer. Ein Komplott sei gegen ihn im Gange, sagte er im Prozess. Dass er 2015 unauffällig in Deutschland einreisen und jahrelang arbeiten konnte, macht sprachlos. Erst durch eine TV-Dokumentation über syrische Militärkrankenhäuser wurde er enttarnt. Zeugen, die ihn wiedererkannten, brachten den Stein ins Rollen. Ohne ihren Mut wäre dieser Täter womöglich noch heute in einem hessischen Krankenhaus tätig.

Der Prozess war lang, beinahe dreieinhalb Jahre dauerte er. Das Assad-Regime versuchte laut Gericht sogar, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen – ein Hinweis auf die Brisanz dieses Falls auch in der geopolitischen Dimension. Bis zu Assads Sturz Ende 2024 versuchte das syrische Regime, seine schmutzigsten Geheimnisse im Ausland zu verschleiern. Es ist ein Verdienst der deutschen Justiz, sich dem entgegengestellt zu haben – und ein Verdienst des Weltrechtsprinzips, das solche Verfahren überhaupt erst möglich macht.

Denn was in Syrien geschah, betrifft uns alle. Das Weltrechtsprinzip erlaubt es Staaten, bei Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit unabhängig vom Tatort zu ermitteln und zu urteilen. Es ist ein juristisches Instrument gegen das Vergessen. Und gegen die Flucht in die Straffreiheit. Dieses Urteil aus Frankfurt sendet ein klares Signal: Kein Folterarzt, kein Mörder, kein Handlanger eines Terrorsystems darf sich sicher fühlen – egal, wo er Unterschlupf sucht.

Doch zugleich wirft dieser Fall bedrückende Fragen auf. Wie viele Täter wie Alaa M. leben unbehelligt unter uns? Wie gründlich sind die Prüfmechanismen für geflüchtete Fachkräfte aus Kriegsgebieten? Und warum braucht es erst Medienberichte, um solche Verbrechen ans Licht zu bringen?

Deutschland hat mit diesem Prozess gezeigt, dass es Gerechtigkeit geben kann – auch für Taten, die in den Folterkellern eines fremden Landes begangen wurden. Aber es hat auch gezeigt, dass der Preis hoch ist. Für die Opfer, die sich offenbaren und erneut durchleben mussten, was sie erlitten haben. Für eine Justiz, die sich jahrelang durch Lügen, Propaganda und Täuschung kämpfen musste. Und für eine Gesellschaft, die erkennen muss: Der weiße Kittel schützt nicht vor Schuld.


Autor: Redaktion
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Montag, 16 Juni 2025

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